| # taz.de -- Bahn erhöht Ökostrom-Anteil: Zug auf dem Grünstreifen | |
| > Ab April fahren alle Bahncard-Kunden mit Ökostrom. Doch in dem Maße, wie | |
| > der Strommix der Bahn ökologischer wird, wird der Strommix im Rest des | |
| > Landes schlechter. | |
| Bild: Alles Öko, aber nur für Bahncard-Inhaber. | |
| Weiße Züge rollen durch grüne Landschaften, dazu eine Stimme aus dem Off: | |
| „Jetzt kann jeder was für die nächste Generation machen!“ Und: „Die | |
| Bahncard wird grün!“ Dann wird der rote Streifen auf der Rabattkarte | |
| illustrativ grün eingefärbt. So sieht der aktuelle Werbespot der Deutschen | |
| Bahn aus. Sie preist damit an, dass seit 1. April alle Bahncard-Inhaber mit | |
| Ökostrom reisen. Machen die also tatsächlich etwas für die nächste | |
| Generation? | |
| Einerseits: ja. Noch 1993 erklärten Ernergiekonzerne wie RWE in einer | |
| Kampagne: „Sonne, Wasser oder Wind können auch langfristig nicht mehr als 4 | |
| Prozent unseres Strombedarfs decken“. Weshalb sich die Bahn auch in einen | |
| Teil des Atomkraftwerkes Neckarwestheim oder in Kohlekraftwerke wie in das | |
| bei Datteln einkaufte. Die Bahn ist mit 12 Terawattstunden Deutschlands | |
| größter Stromverbraucher – rein rechnerisch entspricht die Menge dem | |
| Jahresverbrauch von 34 Millionen Vierpersonenhaushalten, also mehr, als es | |
| in Deutschland gibt. Und um Planungssicherheit zu haben, sicherte sich die | |
| Bahn langfristig atomare und fossile Kraftwerkskapazitäten. | |
| Dann aber kam das Erneuerbare-Energien-Gesetz, Fukushima und die | |
| Energiewende: Mittlerweile sind 22 Prozent des deutschen Stroms aus | |
| erneuerbaren Rohstoffen hergestellt, bis zum Jahr 2020 sollen es mindestens | |
| 35 Prozent werden. In allen Umfragen zum Thema Strom findet die Mehrheit | |
| der Deutschen Kohle- oder Atomkraft doof. Und Neckarwestheim ist nach der | |
| japanischen Atomkatastrophe abgeschaltet. | |
| Sie mussten also etwas machen bei der Bahn. „Wir wollen den | |
| gesellschaftlichen Konsens zur Energiewende unterstützen“, sagte der für | |
| die Stromversorgung zuständige Bahnvorstand Hans-Jürgen Witschke 2011. | |
| Bahnchef Rüdiger Grube sagte: „Klimaschutz ist uns ein sehr wichtiges | |
| Anliegen“. Und im Werbespot heißt es jetzt: „Wir machen jetzt den nächsten | |
| Schritt.“ | |
| ## Eigene Windräder | |
| Keine schlechte Sache. Doch der Nutzen fürs Klima und die Energiewende | |
| hängt davon ab, woher genau der Ökostrom kommt. In diesem Fall von RWE und | |
| Eon: Die Bahn kauft Ökostrom aus Wasserkraftwerken an Rhein, Mosel und | |
| Ruhr. Dadurch wird zwar der Mix im eigenen Stromnetz der Bahn grüner, aber | |
| der Strommix im normalen Netz, das alle anderen versorgt, im selben Maße | |
| schlechter. | |
| Bislang speisten RWE und Eon den neuen Bahnstrom nämlich ins normale Netz | |
| ein. RWE und Eon nutzen zudem jenen Gewinn, den der Vertrag mit der | |
| Deutschen Bahn abwirft, um auch weiterhin in Kohlekraftwerke zu | |
| investieren. Gerade einmal 5,5 Prozent des Stroms, den RWE verkauft, | |
| stammen aus grünen Quellen, fast 70 Prozent aber aus Kohlekraft. Und | |
| demnächst soll RWEs neues Kraftwerk in Hamm ans Netz gehen – keine | |
| wirkliche Tat für die nächste Generation. | |
| Andererseits hat die Bahn auch 48 Windräder in Brandenburg und | |
| Niedersachsen unter Vertrag genommen: Deren Strom wird nun nicht mehr über | |
| das Erneuerbare-Energien-Gesetz finanziert, sondern direkt von der Bahn. | |
| Für diese Windräder muss also keine EEG-Umlage mehr gezahlt werden. Wenn | |
| die Bahn das in größerem Maßstab machen würde, könnte der Strompreis für | |
| alle günstiger werden. Angenommen, die Bahn nähme 480 oder sogar 4.800 | |
| unter Vertrag, müssten die Stromkunden deren Betrieb nicht über die Umlage | |
| finanzieren. | |
| ## Ein bis zwei Prozent mehr | |
| So käme die Energiewende auch ohne jene Strompreisbremse in Gang, mit der | |
| die Politik die Umlage für den Ökostrom stabil halten will. Die Bahn hätte | |
| dann genügend Strom, um auch noch den Nahverkehr, den Güterverkehr grün zu | |
| machen. Das wäre dann wahrhaftig „der nächste Schritt“ – also eine Tat … | |
| die nächste Generation. | |
| Wenn nicht der Stromkunde, sondern die Bahn für den Ausbau der Windkraft | |
| zahlt, dann kostet das natürlich etwas. Viel mehr als etwas sogar. Aber die | |
| Bahn hat gerade ihren Jahresabschluss für 2012 vorgelegt und laut dieser | |
| Bilanz 2,7 Milliarden Euro Gewinn gemacht. | |
| Tatsächlich hat die Bahn sogar in einem Szenario durchgespielt, selbst in | |
| die Produktion von „Grünstrom“ einzusteigen. Der Konzern verwarf die Idee | |
| aber wieder. So bleibt die Werbung ein wenig schönfärberisch: Im Netz der | |
| Bahn gibt es jetzt ein bis zwei Prozent mehr Ökostrom als im normalen, das | |
| uns alle versorgt. | |
| 1 Apr 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Nick Reimer | |
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