# taz.de -- Wetten um nichts: Wenns am Kröpcke schneit | |
> Wenn man nicht aufpasst, werden Wetten aufs Wetter zu verbotenem | |
> Glücksspiel. Und das bei diesem Winter. Einer Möbelhausbesitzerin passte | |
> das gar nicht. | |
Bild: Wetten, dass das bald aufhört?! | |
„Die Teilnahme an einem Gewinnspiel, das lediglich den Abschluss eines | |
Kaufs vorraussetzt und kein zusätzliches Vermögensopfer erfordert, erfolgt | |
unentgeltlich und ist daher kein Glücksspiel“. Sätze so klar, wie sie nur | |
Juristen formulieren können. Aber was bedeuten sie? | |
Dieser Satz entspringt einem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom | |
15. März letzten Jahres. Und er bezieht sich auf einen bizarren | |
Rechtsstreit, der in der nächsten Woche noch einmal vor Gericht verhandelt | |
wird, mündlich: Die Betreiberin eines Einrichtungshauses hatte in einer | |
Werbeaktion versprochen, dass Kunden, die innerhalb eines bestimmten | |
Zeitraums Waren im Wert von mindestens hundert Euro erworben haben, den | |
Kaufpreis rückerstattet bekommen, wenn es zu einem ganz bestimmten | |
Zeitpunkt am Flughafen Stuttgart regnet. Wie? | |
Es geht auch präziser: Sollte es an einem festgelegten Stichtag drei Wochen | |
nach Teilnahme zwischen 12 und 13 Uhr am Flughafen Stuttgart amtlich | |
festgestellt mindestens drei Millimeter pro Quadratmeter regen, erhält der | |
Teilnehmer den Kaufpreis in voller Höhe zurückerstattet. | |
Behördlicherseits wurde der Dame nun illegales Glücksspiel vorgeworfen, was | |
sie nicht auf sich sitzen lassen wollte – sie klagte, und ihr Begehr auf | |
Feststellung, dass diese Werbung nicht als unerlaubtes Glücksspiel verboten | |
sei, wurde durch das VG Stuttgart bestätigt. | |
## Bei Regen umsonst | |
Bestraft werden müssten natürlich höchstens Kunden, die dermaßen mit der | |
Klemmbürste gepudert sind, dass sie auf solch verschraubte Werbemaßnahmen | |
reagieren: Hui, ich kauf mir eine Kommode und warte danach Daumen drückend | |
auf die amtliche Regenmessung am Flughafen Stuttgart. | |
Die Einrichtungshausbetreiberin befand sich jedoch mit ihrem Versuch, das | |
Wetter in klingende Münze umzurubeln, auf dem rechten kapitalistischen Weg. | |
Schließlich bewegen Kälte, Hitze und Unwetter seit jeher die Preise von | |
Aktien, Agrarrohstoffen und Energie – was Spekulanten auf den Plan lockt, | |
die auf das Wetter wetten, auch ohne amtliche Messung. | |
Sind zum Beispiel die Wetterprognosen für die Hauptzuckeranbaugebiete der | |
Welt, Indien und Brasilien, schlecht, dann klettern die Zuckerpreise in die | |
Höhe. Ist der Sommer in Frankreich so heiß, dass die Flüsse austrocknen, | |
müssen unter Umständen Atomkraftwerke abgeschaltet werden – der Strompreis | |
geht in die Höhe. Anleger wiederum, die in die Ölbranche investieren, | |
warten erst mal die Frühjahrsprognose der US-Wetterbehörde ab, weil man | |
erst dann abschätzen kann, wie viele Ölplattformen im Golf von Mexiko | |
hurricanebedingt ausfallen könnten. | |
Und der britische Hedgefonds Cumulus hat allein im vergangenen Dezember 39 | |
Prozent an Wert gewonnen, weil er richtig getippt hatte, dass das | |
Weihnachtswetter in Deutschland eher mild werden würde. Der Hedgefonds | |
investiert in Energiederivate, das gute Wetter hatte zu einem Einbruch der | |
„Spot-Preise“ über die Weihnachtstage geführt – am Spot-Markt geht es um | |
Öl, Gas und Kohle im kurzfristigen Verkauf. | |
Auch eine Form von Glückspiel – aber eben auch nicht strafbar. | |
Bürgerinnen und Bürgern, die im Moment weder beabsichtigen, eine Kommode in | |
einem baden-württembergischen Einrichtungshaus zu kaufen, noch willens | |
sind, in kippelige Wetter-Derivate zu investieren, bleibt hingegen nur die | |
Hoffnung: auf besseres Wetter nämlich. Nach dem – so heißt es – dunkelsten | |
aller je in Deutschland gemessenen Winter, nach dem behaupteten Einbruch | |
einer neuen Eiszeit als Reaktion auf den Klimawandel, von dem sich mancher | |
Zyniker mehr Palmen in Potsdam erhofft hätte, ist der Mensch hierzulande am | |
Rande der Verzweiflung: Sollte nicht eigentlich Schluss sein mit dem | |
Winter? | |
Der März jedenfalls, er zeigte uns knallhart die kalte Schulter. Und der | |
Mensch stolpert erkältet durch Schlaglöcher, winselt nach Sonnenstrahlen, | |
giert nach Krokussen in Parkanlagen und Vorgärten. Der Spargel bleibt | |
derweil in seinen Sandhügeln gefangen. Die Pollen sind verhindert. Die | |
Zugvögel hängen in Nordafrika fest. Und über die Ostertage erfroren junge | |
Feldhasen am Wegesrand – ihr vom Schneematsch durchnässtes Fell konnte bei | |
den niedrigen Temperaturen kaum trocknen, wie die deutsche Wildtierstiftung | |
berichtete. | |
## Wetten, dass es schöner wird | |
Dumpf und gepeinigt sprechen – jammern – alle nur noch über das Wetter, die | |
Eurokrise tritt darüber gänzlich in den Hintergrund. Probleme mit dem | |
Süden? Ja, denn er hat die Sonne, wir nicht. | |
Im Norden wollen Kleider endlich vom Leibe gerissen werden, die Radreifen | |
aufgepumpt und der Außenbereich des Lieblingscafé geöffnet. | |
Rharbarersaftschorle will in der Frühlingssonne britzeln – und so weiter. | |
Doch es gibt auch gute Nachrichten: Metereologen sagen, wenn auch | |
vorsichtig und verhalten, eine Wetterbesserung voraus. Schon an diesem | |
Wochenende sollen die Temperaturen steigen. Ganz Mutige hoffen für die | |
nächste Woche auf Temperaturen um die sechzehn Grad – man mag es kaum | |
aussprechen, zu groß ist die Angst vor einer möglichen Enttäuschung. | |
Aber was wäre, wenn man es jetzt einfach mal mit einem legalen Glücksspiel | |
versuchte? Zum Beispiel so: Wenn Sie bis Samstagabend nicht rabattierte | |
Tiernahrung in einem Baumarkt erwerben, sagen wir im Wert von mindestens | |
zwanzig Euro, und am Montag Morgen am Kröpcke in Hannover kein Neuschnee | |
gefallen ist, der höher ist als einen Zentimeter – dann ist endlich | |
Frühling. | |
6 Apr 2013 | |
## AUTOREN | |
Martin Reichert | |
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