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# taz.de -- ASYL: Mit der Waffe im Anschlag geweckt
> Auf der Suche nach einem Verdächtigen stürmt die Polizei die von
> Flüchtlingen genutzte Schule in Kreuzberg. Heftige Kritik an
> Vorgehensweise.
Bild: Zerstörte Tür in der von Flüchtlingen genutzten Schule nach einem Poli…
Ein Spezialeinsatzkommando der Polizei hat am Sonntagmorgen die frühere
Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg durchsucht und damit Kritik der dort
lebenden Flüchtlinge und deren Unterstützer auf sich gezogen. Die Beamten
nahmen drei Menschen vorläufig fest, die vorher in einen gewaltsamen Streit
in der Nähe der Schule verwickelt gewesen sein sollen.
In einer Erklärung warfen Unterstützer der Flüchtlinge der Polizei grobe
Unverhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel vor. So zerstörten die
Polizisten mehrere Türen, sie sollen Waffen auf Flüchtlinge gerichtet,
einer Anwältin den Zutritt verwehrt sowie Geld, Handys und eine Uhr ohne
Belege beschlagnahmt haben. „Diese Schule ist kein rechtsfreier Raum und
die Refugees sind keine rechtlosen Menschen, an denen sich Polizeibeamte
ohne Konsequenz auslassen können“, heißt es in der Erklärung.
Im Dezember hatten Flüchtlinge die leer stehende Schule besetzt, um ihrem
Protest gegen die Schikanierung Asylsuchender einen zweiten Standort zu
geben – neben dem Camp am Oranienplatz. Inzwischen haben die Flüchtlinge
sich wie 56 andere Initiativen um die künftige Nutzung der Räume als
Projektehaus beworben. Zurzeit läuft ein Bürgerbeteiligungsverfahren des
Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, der die gegenwärtige Nutzung der Schule
durch die Flüchtlinge duldet.
Am Sonntagmorgen drangen nach Augenzeugenberichten etwa 30 teils vermummte
SEK-Beamte in die Schule ein. Sie hätten Türen eingetreten und mit
vorgehaltenen Waffen schlafende Bewohner geweckt, berichtete ein Augenzeuge
der taz. Dann habe die Polizei alle Anwesenden in einem Raum versammelt, um
Foto- und Filmaufnahmen von ihnen zu machen. Viele der Bewohner, darunter
Frauen und Kinder, stünden unter Schock. Die Grünen-Abgeordnete Canan
Bayram kündigte an: „Wir werden im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses
aufklären, warum die Polizei da so massiv vorgegangen ist.“
Die Polizei erklärte auf taz-Anfrage, ein 33-Jähriger habe die Polizei
gegen sechs Uhr alarmiert, weil er in der Ohlauer Straße von sechs Männern
bedroht worden sei, einer habe dabei ein Messer gezückt. Schon am
Donnerstag sei der 33-Jährige von einem der Männer bedroht und verletzt
worden. Die Durchsuchung der Schule sei auf richterlichen Beschluss
erfolgt, die Festgenommenen seien wieder frei.
Zu Messerattacken war es in der Schule selbst im vergangenen Dezember und
im März gekommen. Vorfälle wie diese resultierten aus der Traumatisierung
zahlreicher Anwesender, sagen Unterstützer. Die Flucht aus dem Heimatland
sowie der teils aussichtslose Kampf um Asyl und Aufenthaltserlaubnis,
Diskriminierungen wie die Residenzpflicht und das oft jahrelange Leben in
engen, heruntergekommenen Lagern hinterließen ihre Spuren.
Eine zentrale Forderung der Flüchtlinge ist deshalb das Ende ihrer
Kasernierung in Sammelunterkünften. Darüber berät an diesem Montag der
Sozialausschuss im Abgeordnetenhaus. Mit zwei Anträgen will die
Piratenfraktion erreichen, dass Berlin mehr Flüchtlinge in eigenen
Wohnungen unterbringt. „Der Senat versäumt seit Jahren, für ausreichend
Wohnraum für Flüchtlinge zu sorgen“, sagte der integrationspolitische
Sprecher der Piratenfraktion, Fabio Reinhardt. Bei Asylsuchenden und
Geduldeten sei der Anteil derer, die in Sammelunterkünften leben müssen,
seit 2010 von 15 auf 45 Prozent gestiegen. Deshalb will die Fraktion, dass
der Senat die landeseigenen Wohnungsunternehmen an die Kandare nimmt, damit
diese Flüchtlinge als Mieter nicht mehr willkürlich ablehnen können.
Außerdem drängen die Piraten darauf, das Portfolio der landeseigenen
Berlinovo Immobilien Gesellschaft zu nutzen.
7 Apr 2013
## AUTOREN
Sebastian Puschner
Alke Wierth
## TAGS
Oranienplatz
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