| # taz.de -- Kolumne Besser: Kolumnen-Irrsinn in der taz! | |
| > Der taz-Relaunch kommt. Das ist gut. Nicht gut: Verdiente Kolumnen werden | |
| > abgesetzt. Ein Einspruch fürs Protokoll. Und ein Abschied in Dankbarkeit. | |
| Bild: Abschlachtung unschuldiger Kolumnen – muss doch nicht sein, oder? | |
| In der Hoffnung, alte Leser zu halten und neue zu gewinnen, macht die taz | |
| bald mal wieder das, was Zeitungen alle paar Jahre halt so tun: Sie macht | |
| einen [1][Relaunch]. Grundsätzlich ist dagegen nichts einzuwenden und ganz | |
| gewiss werden die [2][neue Wochenendausgabe] und der [3][neue Auftritt von | |
| taz.de] Heerscharen neuer Leser verzücken und für die kommenden hundert | |
| Jahre das Erscheinen der taz sicherstellen. Und selbst wenn dies nicht | |
| glücken sollte – in Würde zu altern ist ein nobles Unterfangen, mit dem | |
| sich gerade Linke oft schwertun. Wenn schon abtreten, dann stilsicher und | |
| selbstbestimmt. | |
| Aus alledem ergibt sich jedoch kein Grund, jedenfalls kein guter, mit dem | |
| Relaunch fast sämtliche Kolumnen aus der Wochenendausgabe zu streichen. | |
| Eine so bezaubernde Kolumne wie [4][Franziska Seyboldts „Lustobjekte“] | |
| etwa. Oder „Politik von unten“, die Kolumne des Clowns und [5][politischen | |
| Aktivisten] Jean Peters. Gut ist das nicht nicht. Besser: Er spricht | |
| selbst. | |
| Proletariat. Bürgertum. Ewiggestrige. Wir befinden uns irgendwo zwischen | |
| der dritten und fünften von zehn sozialen Klassen. Verstecken Privilegien | |
| wie frischen Bauchspeck und verbünden uns, wenn andere fetter sind als wir. | |
| Eigentlich geht’s uns ganz gut, während sich Menschen in unseren | |
| Flüchtlingslagern das Leben nehmen. Wie nur brechen wir die politische | |
| Starre, wie schaffen wir nach 40 Jahren Vormarsch neoliberaler Ideologie | |
| ein Gefühl der Selbstermächtigung? | |
| Vor ein paar Tagen sagte mir ein Flüchtling, der Kampf sei seine politische | |
| Therapie. Er spürt seit den neuen Protestwellen seine Stimme. Was zwanzig | |
| Jahre lang unmöglich erschien, durchbricht nun die Mauern der deutschen | |
| Trägheit. Er hat seine Residenzpflicht gebrochen und ist eigenmächtig zu | |
| Demonstrationen angereist. Er hat Deutschkurse genommen, obwohl es ihnen | |
| verboten wurde. | |
| Und wir sitzen da, unseren Pass in der Tasche, und freuen uns für die | |
| sogenannten Anderen. Wie kann man uns therapieren, uns | |
| Mittelklasseweißbrote, damit auch wir unsere Wirkungsmacht spüren? Warum | |
| blockieren wir nicht die Straßen, wenn Leute abgeschoben werden? Warum | |
| heiraten wir Flüchtlinge nicht aus Schutz vor unserer Justiz? | |
| ## Bitte kämpft! | |
| Mitteklasseweißbrot zu sein ist nicht nur eine Identität. Wir setzen | |
| Prioritäten. Schließt euch ein, trinkt Tee und kümmert euch um eure | |
| Liebsten. Doch dann, bitte, kämpft! Und nicht nur das: Auch Superreiche | |
| müssen gerettet werden. Menschen, deren Leben vom Börsenkurs abhängt und | |
| die sich in gated communities verstecken, verfallen zwangsweise in | |
| Depression. Wenn wir Eigentum und Identität kollektiv erleben, sind wir | |
| Sozialarbeiter für die Bonzen. | |
| Mit etwas Glück löst sich der globale Klassenkampf auch von alleine. Wenn | |
| etwa Smartphone-Strahlung unsere Spermien abtötet. In 30 Jahren würden wir | |
| dank der Spielzeuge aus den Foxconn-Fabrikhallen sanft und schmerzlos | |
| aussterben. Aber darauf können wir nicht setzen. Darauf setzen auch nicht | |
| diejenigen, die iPhones herstellen. | |
| Die bürgerliche Bewegung verschmilzt mit der sozialdemokratischen und | |
| neoliberalen und verleibt sich noch die Frauen- und Umweltbewegung ein. | |
| Zugleich wird die Bewegungsseite in der taz von zwei Fortschrittsseiten | |
| abgelöst. Hoffen wir, dass es nicht um Innovationen geht. Ich werde nicht | |
| das erste Smartphone werfen. | |
| Aber es wäre schmerzlich, wenn in der taz jetzt flockige Reportagen | |
| komplexe Recherchen ersetzen würden und alles angenehm und konsumierbar | |
| gemacht würde. Ein ungemütlicher [6][Jan Fleischhauer], so schlecht er auch | |
| recherchieren mag, würde dann als letzter Linker übrigbleiben. | |
| Für mich jedenfalls ist es Zeit, mich von der taz zu verabschieden. Ich | |
| bedanke mich bei der taz für die schöne Zeit. Es war mir eine Freude, euch, | |
| liebe Leserinnen und Leser, den Rotz der Straße auf die Frühstückstische zu | |
| liefern. Ideologische Munition zu verteilen und all denjenigen eine | |
| Genugtuung zu sein, die sich zwischen Party und Broterwerb die Zeit zum | |
| Kämpfen nehmen. Nicht im Bioladen. Nicht mit geistreichen Innovationen. | |
| Nein, in der direkten Zusammenarbeit mit denen, die fast am Boden liegen. | |
| Der einzig verantwortliche Weg, mit Macht umzugehen, ist, sie zu teilen. | |
| [7][Peng]. JEAN PETERS | |
| *** | |
| Von [8][Juni 2009] bis zum [9][März 2012] war Jean Peters (auf Twitter | |
| [10][//twitter.com/jeangleur:@jeangleur]) einer von drei Autoren der | |
| Kolumne „Politik von unten“, die auf der „Bewegungsseite“ der sonntaz | |
| erschien. Wie die meisten Texte aus dem Wochenendmagazin blieben seine | |
| Kolumnen der gedruckten Ausgabe vorbehalten. Auf taz.de erschienen nur drei | |
| Folgen: [11][„Inhaltliches Rüpeln und Augenzwinkern“], [12][„Gehirnwäsc… | |
| zum Selbermachen“] und [13][„Tigerbabys ziehen immer“]. | |
| Anlässlich dieser Abschiedskolumne werden einige Folgen nachgereicht: | |
| [14][„Fragend stolpern wir nach unten“], [15][„Dreipunkteplan zum | |
| Protesterfolg“], [16][„Alles vollkacken? Völlig legitim“], | |
| [17][„Ideologisches Knutschverbot“], [18][„Sehnsucht im Schlussverkauf“… | |
| [19][„Der Fair-Trade-Tod“], [20][„Wie ich eine Bank besetze“] und | |
| [21][„Sinnentleerte Werber“]. | |
| 8 Apr 2013 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://blogs.taz.de/hausblog/2013/03/31/unser-neuer-name-taz-am-wochenende/ | |
| [2] http://blogs.taz.de/hausblog/2013/03/26/relaunch-der-taz-die-neue-wochenend… | |
| [3] http://blogs.taz.de/hausblog/2013/03/25/relaunch-von-taz-de-zeit-fur-ein-ne… | |
| [4] /!s=lustobjekte/ | |
| [5] http://peng-collective.net/ | |
| [6] http://www.spiegel.de/thema/spon_fleischhauer/ | |
| [7] http://peng-collective.net | |
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