# taz.de -- Dokumentarfilm „Georg Baselitz“: Der zweitberühmteste Sachse | |
> Der Dokumentarfilm „Georg Baselitz“ von Evelyn Schels gibt Einblicke in | |
> ein gelungenes Malerleben. Und er zeigt einen Star ganz bei sich und | |
> seiner Familie. | |
Bild: Die Leinwand muss auf dem Boden liegen, sonst würde die Farbe verlaufen.… | |
Er stehe an dritter Stelle der Liste der weltweit wichtigsten bildenden | |
Künstlern. Ein älterer Sachse sei ein Platz vor ihm. Er ist selbst Sachse. | |
1938 wurde er in Deutschbaselitz geboren. Der Name seines Geburtsortes | |
wurde dann auch sein Künstlername und aus Hans-Georg Kern schlicht Georg | |
Baselitz. | |
Georg Baselitz fuchst der dritte Rang. Er will auf Platz eins. Das sagt er | |
ganz unbefangen. Und das sagt auch seine Frau in Evelyn Schels | |
105-minütigen Filmporträt über den Künstler, dass er da hinwill. Dabei hat | |
er im Januar schon seinen 75. Geburtstag gefeiert. So viel unsinnigen | |
Ehrgeiz würde man da eigentlich nicht mehr erwarten, allerdings auch nicht | |
so viel Vitalität und ein so einnehmendes Wesen. | |
Georg Baselitz kommt bei Schels ungeheuer sympathisch rüber. Er ist | |
eigensinnig und umgänglich zugleich, er ist auskunftsfreudig, aber nicht | |
geschwätzig. Er ist eitel, allerdings auf eine unprätentiöse, | |
unkomplizierte, fast schon wieder uneitle Art. Dazu passt, wie er arbeitet: | |
Alleine, ohne Assistenten, legt er seine Leinwände auf den Boden. Seine | |
Farbe sei so flüssig, sie würde das aufrecht gestellte Bild mit ihren | |
Laufspuren ruinieren, sagt er. | |
## Tupfen, wischen, kratzen, klecksen | |
Also kniet sich George Baselitz auf den Boden, um seine Farbe aufzubringen. | |
Man sieht, wie er tupft, wischt, kratzt, kleckst, die ganze Nummer eben, | |
die zum Bild des Malers im Atelier gehört. Die Schwierigkeit, sagt er, wenn | |
man die Leinwand auf den Boden legt, bestehe darin, das große Format im | |
Auge zu behalten, das Ganze zu überblicken und sich nicht im Detail zu | |
verfangen. Baselitz ist dafür berühmt, dass seine Bilder auf dem Kopf | |
stehen. Man kann das als eine Marotte betrachten und liegt damit vielleicht | |
gar nicht so falsch. | |
Aber hätte er die Bilder nicht auf den Kopf gestellt, wäre er nie der große | |
Maler, der internationaler Künstlerstar geworden. Diese Entscheidung, so | |
sagt er in Evelyn Schels Dokumentation, habe ihm seine Befangenheit | |
genommen. Das war Ende der sechziger Jahre. Zehn Jahr zuvor war Baselitz | |
nach Westberlin gekommen, nach seinem Rauswurf aus der Kunsthochschule in | |
Ostberlin. | |
Baselitz tat sich auch im Westen schwer. Gegen die herrschende Abstraktion | |
entwickelte er mit den dreckigen Farbresten seiner Malerkollegen einen | |
rohen Figurenrealismus. 1962 machte seine pornografisch-expressive | |
Masturbationsszene „Die große Nacht im Eimer“ Skandal. Berühmt wurde er | |
aber erst 1980 durch seine Teilnahme an der Biennale von Venedig. Da | |
stiegen die Amerikaner ein, sagt sein Galerist Michael Werner, der sehr | |
anschaulich berichtet, wie sich Baselitz ihm einst, zusammen mit seinem | |
Malerfreund Eugen Schönebeck, auf genial-unverschämte Art charmant | |
aufgedrängt hatte. | |
## Eine gelungene Ehe | |
Doch nicht so sehr der Einblick in eine erfolgreiche Künstlerkarriere | |
berührt an Evelyn Schels ästhetisch unauffälliger Fernsehdokumentation als | |
vielmehr der in ein gelungenes Leben. Denn Baselitz geht nicht nur darin | |
auf, begehrte Kunst zu machen. Er ist auch der Mann, der in Zeiten des | |
trophy wife auf eine gelungene Ehe schaut. Über 50 Jahre sind sie | |
verheiratet und 24 Stunden am Tag zusammen – und immer, so sagt seine Frau | |
Elke, freuen sie sich, wenn sie sich im Haus begegnen. Zwei wohlgeratene | |
Söhne arbeiten heute erfolgreich als Galeristen in München (Daniel Blau) | |
und in New York (Anton Kern). | |
Baselitz’ Leben ist beständig und abwechslungsreich zugleich. Einerseits | |
erreichen ihn Einladungen und Ausstellungsangebote, andererseits kann er | |
sich auf zwei großartige Anwesen am Ammersee und an der Riviera | |
zurückziehen. Dass ihm die Welt dabei ein bisschen abhanden gekommen ist, | |
wie sein Spiegel-Interview kürzlich zeigte, nun ja, das ist eben der – doch | |
eher geringe – Preis für ein beneidenswert unkompliziertes Leben. | |
## „Georg Baselitz“. Buch und Regie: Evelyn Schels, Deutschland 2013, 105 | |
Min. | |
11 Apr 2013 | |
## AUTOREN | |
Brigitte Werneburg | |
## TAGS | |
Malerei | |
Turner-Prize | |
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