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# taz.de -- Jon Savage über die „Eiserne Lady": „Thatcher hat Außenseiter…
> In den Achtzigern gab es zahlreiche Anti-Thatcher-Songs, aber manche
> davon, so Popautor Jon Savage, haben ihre Werte auch gefeiert. Der Hass
> auf die Frau ist nachhaltig.
Bild: „Ja, das ist misogyn“: Feiernde im Londoner Stadtteil Brixton.
taz: 74 Jahre später feiern die Briten den Tod ihrer langjährigen
Premierministerin mit „Ding-Dong! The Witch Is Dead“. Was ist da los?
Jon Savage: Als ich von ihrem Tod hörte, habe ich tatsächlich überlegt, ob
ich das Lied nicht meinen Freunden schicken sollte. Das zeigt, wie diese
Frau polarisiert hat, entweder man liebte sie, oder man hasste sie.
Woher kommt dieser persönliche Hass, der Furor?
Sie hat das Land gespalten, man wünscht ja niemandem den Tod, aber sie war
so eine undurchsichtige Domina, eine viktorianische Figur. Wenn du in den
Achtzigern so warst wie wir, dann warst du der innere Feind. Ich bin
politisch nicht einverstanden mit Cameron, aber ich verabscheue ihn nicht,
Thatcher schon.
Ronald Reagan nannte Thatcher „Englands besten Mann“. Wäre einem Mann für
die selbe Politik ebenso viel Hass entgegengeschlagen?
Weil sie eine Frau war, musste sie das Machotum der Männer überbieten –
„She had to outmacho the men.“ Ich glaube nicht, dass der Hass misogyne
Motive hat, sie wurde gehasst, als die Frau, die sie nun mal war, als
Schuldirektorin, als rechthaberische Matrone. Und dieses Gerede von
Feminismus, sie ist doch keine Feministin, sie hat nichts getan für Frauen.
Aber hat das nicht misogyne Züge, wenn jetzt der Tod der witch gefeiert
wird – oder der bitch?
Ich sage sowas nicht. Ja, das ist misogyn. Aber wenn du es vergleichst, mit
dem was Thatcher angerichtet hat, dann ist es eine Petitesse. Ich würde das
ernster nehmen, wenn sie wirklich Feministin gewesen wäre. Eigentlich denke
ich bei Mrs.Thatcher gar nicht an eine Frau, weil sie sich in einen Macho
verwandeln musste, um zu tun, was sie getan hat. Ein Symptom ihrer Zeit,
aber auch ihrer selbst.
Die Premierministerin war gelernte Chemikerin, die deutsche Bundeskanzlerin
war Physikerin. Wird Angela Merkel in England mit Thatcher verglichen?
Komischerweise nicht, ich finde den Gedanken interessant, aber die Briten
sind Idioten was Europa angeht.
In den Achtzigern gab es Dutzende von Anti-Thatcher-Songs, was ist Ihr
Favorit?
The Beat, „Stand down Margaret“, aber „Gold“ und „True“ von Spandau…
waren Pro-Thatcher.
Warum?
Du kannst Thatcherist sein, wenn du die vorherrschenden Werte deiner Zeit
repräsentierst, den Konsumismus, das Elitäre.
Heute gelten die Achtziger als Blütezeit des politischen Pop. Die Krise als
Geburtshelfer der Kunst?
In gewisser Weise ja, aber es hatte auch mit der Energie des Punk zu tun.
Ein großer Teil der Musik war Opposition, für mich ist der größte Moment
„The Queen is dead“ von den Smiths, das Album ist nicht explizit politisch
und dreht sich doch um die ganze britische Gesellschaft. „The Queen is
dead“ ist nicht so albern wie die späteren Songs von Morrissey, „Margaret
on the Guillotine“, das ist bescheuert.
Wie sind die Reaktionen auf Morrisseys aktuelle Tiraden?
Morrissey wird nicht ernst genommen, er hat keine Autorität mehr.
Warum?
Weil er keine Musik mehr macht und nur noch mit kontroversen Statements
Aufmerksamkeit sucht.
Thatcher habe einen Krieg gegen Acid House und gegen die Rave-Kultur
geführt, stimmt das?
Sie hat Außenseiter produziert, immer mehr Gruppen ausgegrenzt, das ist das
Problem der Tories, sie sind exklusiv. Und wenn du immer mehr Leute
ausgrenzt, dann werden die irgendwann zur Mehrheit, genau das ist in den
späten Achtzigern passiert, es gab dann mehr Ausgegrenzte als konservative
Wähler. Acid House und Rave war eine Bewegung für Freiheit, sie haben keine
politische Sprache benutzt, aber sie waren implizit politisch, weil sie
Räume außerhalb der Politik gesucht haben. Rave war eine unbewusste
Reaktion auf den Zusammenbruch der Politik unter Thatcher. Regierungen
wollen Kontrolle ausüben und Rave hat sich der Kontrolle entzog. Viele Acid
House-Aktivisten waren 1990 bei den Poll Tax Riots gegen die Kopfsteuer
beteiligt, das war der Anfang von Ende des Thatcher-Regimes.
13 Apr 2013
## AUTOREN
Klaus Walter
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Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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