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# taz.de -- Justiz in Ägypten: Hosni Mubarak erneut vor Gericht
> Am Samstag beginnt das Revisionsverfahren gegen den Ex-Präsidenten. Es
> geht um seine Rolle beim Tod von 800 Demonstranten während des
> Aufstandes.
Bild: Hosni Mubarak während des ersten Verfahrens im Januar vergangenen Jahres.
KAIRO taz | Erscheint Hosni Mubarak diesmal im Rollstuhl statt liegend auf
einer Bahre im Gerichtssaal? Das ist eine der Fragen rund um den neuen
Prozess gegen den gestürzten ägyptischen Präsidenten, dessen
Revisionsverfahren am Samstag in Kairo beginnen wird.
Zusammen mit seinem Innenminister Habib El-Adli und sechs hohen
Polizeioffizieren muss sich der 84jährige erneut vor Gericht verantworten.
Mubarak und sein Innenminister waren im vergangenen Juni in einem ersten
Verfahren zu einer lebenslangen Hafstrafe verurteilt worden, weil sie für
den Tod von über 800 Demonstranten während des 18tägigen Aufstandes gegen
Mubarak mitverantwortlich gemacht wurden. Die sechs Polizeioffiziere wurden
freigesprochen. Sowohl die Staatsanwaltschaft, als auch die Verteidigung
legten Berufung ein.
Im ersten Verfahren gab es zahlreiche Vorwürfe wegen schlampiger
Ermittlungen und dem Verschwinden von Beweismitteln, die die damaligen
Befehlsketten nachweisen sollten. Mubarak und Adli wurden nach 250 Stunden
Prozesszeit nicht dafür verurteilt die Befehle gegeben zu haben auf
Demonstranten zu schießen, sondern dies nicht verhindert zu haben. Ersteres
hätte die Todesstrafe zur Folge gehabt.
In dem Berufungsverfahren kann sich die Staatsanwaltschaft nun auf einen
Bericht eines Untersuchungsausschusses stützen, der 2012 von Präident
Muhammad Mursi ins Leben gerufen worden war, um die damaligen Ereignisse
aufzuarbeiten. Der Bericht ist bisher nicht der Öffentlichkeit zugänglich,
allerdings sind Teile davon an die Medien durchgesickert.
## Drohung des Verteidigungsministers
Danach wird der Armee eine Mitschuld am Tod von Demonstranten während des
Aufstandes gegeben. Zivilisten, die an Militär-Straßensperren verhaftet
worden waren, tauchten nie wieder auf. Der Bericht präsentiert auch
Beweise, dass die Armee Demonstranten in dem dem Tahrir-Platz benachbarten
Ägyptischen Museum gefoltert hat. Bisher lautet die offizielle Version,
dass nur die Polizei für den Tod von Demonstranten verantwortlich sei und
die Armee sich neutral verhalten haben soll.
In einer ersten Reaktion stieß der Verteidigungsminister und Chef des
obersten Militärrates Abdel-Fattah El-Sisi eine unverhohlene Drohung aus:
"Präsident Mursi versteht die Konsequenzen, die es hat, wenn jemand den Ruf
des ägyptischen Militärs beschädigt", lies er verlauten und stritt ab, dass
das Militär damals für den Tod eines einzigen Demonstranten verantwortlich
gewesen sei.
Mursi steckt in einem Dilemma: Er hat versprochen die damaligen Umstände
endlich aufzuarbeiten, zögert aber sich direkt mit der Armee anzulegen.
Dies ist möglicherweise ein Grund, warum der Bericht bisher unter
Verschluss gehalten wird. Dort finden sich laut Medienberichten auch
weitere Details über die damalige Vorgehensweise der Polizei, die danach in
Alexandria und in Suez mit scharfer Munition auf Demonstranten geschossen
haben soll.
Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch forderte
am Freitag die sofortige Veröffentlichung des Berichtes. Mursi solle die
Geheimniskrämerei beenden. Die Familien der umgekommen Demonstranten hätten
ein Recht auf die Wahrheit, heißt es in einer Erklärung der Organisation.
Der neue Richter im Berufungsverfahren, Mustafa Hassan Abdallah, ist
derselbe Richter der im sogenannten "Kamelschlacht"-Prozess alle 24
Angeklagten freigesprochen hatte. Am 2. Februar 2011 hatte das Regime mit
Knüppeln und Schwertern bewaffnete bezahlte Schläger auf Kamelen und
Pferden auf den Tahrir-Platz geschickt, um diesen zu räumen. Mindestens elf
Menschen kamen an diesem Tag ums Leben. Der Richter hatte die Zeugen als
nicht vertrauenswürdig eingestuft.
Die ägyptischen Medien räumen dem neuen Verfahren gegen Mubarak
überraschend wenig Platz ein. Die meisten Ägypter sind scheinbar mehr mit
ihrer gegenwärtigen politischen und wirtschaftlichen Krise beschäftigt, als
damit zurückzublicken. Ein möglicher Freispruch Mubaraks würde allerdings
vor allem bei den Familien der Opfer für Aufruhr sorgen. Das Gericht hat
zugestimmt, dass der Beginn des Berufungsverfahrens live im ägyptischen
Fernsehen übertragen wird.
13 Apr 2013
## AUTOREN
Karim Gawhary
Karim El-Gawhary
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