# taz.de -- Kommentar USA nach Boston: Das 9/11-Déjà-Vu | |
> Wie 2001 sind die Amerikaner überrascht, dass „so etwas“ bei ihnen | |
> passieren kann. Ein Signal scheint genug, um die Supermacht im Chaos | |
> versinken zu lassen. | |
Wer US-amerikanischen Exzeptionalismus sucht, wird in dieser Woche wieder | |
reichlich fündig. Es beginnt mit dem Umgang mit den Bomben von Boston. Es | |
führt weiter über die erneute Serie von Gift-Briefen an Spitzenpolitiker in | |
Washington. | |
Und es kulminiert mit der Entscheidung des Senats, als Konsequenz aus den | |
jüngsten Massakern an Schulen, Kinos und Tempeln mit Schusswaffen einfach | |
so weiter zu machen wie bisher: ohne ein Verbot von halbautomatischen | |
Kriegswaffen, ohne einen Verkaufsstopp für Hochkapazitäts-Magazine und ohne | |
obligatorische Backgroundchecks für sämtliche Schusswaffendeals. | |
Wie schon oft zuvor – am dramatischsten am 11. September 2001 – zeigen die | |
Reaktionen auf die Bomben von Boston, wie selbstreferenziell der Blick von | |
US-Amerikanern auf ihr Land ist. Wie wenig sie sich als Teil der restlichen | |
Welt verstehen. Wieder einmal ist da dieses ungläubige Staunen darüber, | |
dass „so etwas“ in den USA passieren kann. Als wären Bomben das alleinige | |
Privileg anderer Länder. | |
Und als wären die USA – mit ihren extremen Gewaltverhältnissen und sozialen | |
Ungerechtigkeiten sowohl im Inneren als auch im Äußeren – eine Insel des | |
Friedens und des Glücks. Auch die Rizin-Briefe, die aus Mississippi nach | |
Washington gingen, wo sie zum Glück abgefangen wurden, bevor ihr Inhalt | |
töten konnte, sorgen für ein Déjà-Vu. Sie erinnern an die Welle von | |
Anthrax-Attentaten, die auf die Anschläge von 2001 folgten. Damals wie | |
heute scheint es, als genüge ein Signal, damit die Supermacht im Chaos | |
versinkt. | |
Die Krönung des Exzeptionalismus ist die Entscheidung des Senats, bei den | |
Schusswaffen alles beim Alten zu lassen. Gegen jeden gesunden | |
Menschenverstand und gegen den Willen der überwältigenden Mehrheit der | |
eigenen Bevölkerung gewähren die Senatoren der Schusswaffenlobby weiterhin | |
freie Hand. | |
Das sind beunruhigende Signale aus einem verunsicherten und realitätsfernen | |
Land. Wo ein beträchtlicher Teil jener, die in Politik und Medien das Sagen | |
haben, eher in die Vergangenheit schauen, als in die Zukunft und schon gar | |
nicht über den nationalen Tellerrand hinaus. | |
Bislang sind die Reaktionen auf die Bomben von Boston deutlich umsichtiger | |
als jene nach früheren Anschlägen. Das hat Barack Obama aus den Fehlern | |
seines Vorgängers gelernt. Aber das Beharrungsvermögen von Washington ist | |
groß. Und der Schoß, aus dem nach 2001 Einschränkungen der individuellen | |
Freiheiten, Kriege und Folter gekommen sind, ist weiterhin fruchtbar. | |
18 Apr 2013 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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