# taz.de -- Kulturelle Einflussnahme in Hamburg: Vattenfall-Kuratorin macht Dru… | |
> Die Organisatorin der Vattenfall Lesetage bedrängt Gäste der alternativen | |
> Lesetage. Sie machten sich mit Linksradikalen gemein. | |
Bild: Soll sich überlegen, ob er „Totengräber eines traditionsreichen Liter… | |
HAMBURG taz | Die Kuratorin der Vattenfall Lesetage hat versucht, die Gäste | |
der „Erneuerbaren Lesetage“ unter Druck zu setzen. Wie die Veranstalter | |
bestätigten, verschickte die Kultur-Promoterin Barbara Heine Briefe, in | |
denen sie Lesungsteilnehmern wie Roger Willemsen und Jakob Augstein ins | |
Gewissen redete. | |
Sie sollten es sich überlegen, ob sie zu Totengräbern eines | |
traditionsreichen Literaturfestivals werden und sich mit einem Veranstalter | |
mit Kontakten zur autonomen Szene gemein machen wollten. Außerdem hat | |
Vattenfall direkt versucht, die Öffentlichen Bücherhallen umzustimmen, die | |
sich entschieden hatten, an den Erneuerbaren Lesetagen statt an den | |
Vattenfall Lesetagen teilzunehmen. | |
„Lesen ohne Atomstrom – die erneuerbaren Lesetage“ gehört zu einer Reihe | |
von Alternativprogrammen zu den Vattenfall Lesetagen und wird von dem | |
städtischen Versorger Hamburg Energie unterstützt. | |
Allen Gegenprogrammen liegt eine Kritik an der Geschäftspolitik von | |
Vattenfall zu Grunde. Der Energiekonzern ist an den Atomkraftwerken | |
Brunsbüttel, Krümmel und Brokdorf beteiligt; er baut ein großes | |
Kohlekraftwerk in Hamburg Moorburg und betreibt Braunkohlekraftwerke, die | |
als besonders klimaschädlich gelten. | |
## „Völlig unabhängig und frei“ | |
Die Kritiker werfen Vattenfall vor, sich mit dem Sponsern von Ereignissen | |
wie dem Radrennen Cyclassics und den Lesetagen ein grünes Mäntelchen | |
umhängen zu wollen, also Greenwashing zu betreiben. Vattenfall verweist | |
darauf, dass die Lesetage auf die Zeit vor dem Verkauf der ehemaligen | |
Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) an Vattenfall zurückgingen und vom | |
Engagement besonders interessierter Mitarbeiter lebten. | |
Seit elf Jahren werden die Lesetage von Barbara Heine, Inhaberin der | |
Agentur „Heinekomm“, kuratiert. Die Agentur konzipiere „Formate für | |
Literatur und Medien“. In den Briefen, die Heine vor einigen Wochen | |
verschickte, spricht sie von einem „Herzensprojekt“. Vattenfall ermögliche | |
es, „völlig unabhängig und frei ein Festivalprogramm zu gestalten“. Dabei | |
müsse sie sich keinerlei Moden unterwerfen und auch nicht möglichst | |
publikumswirksame Events auf die Beine stellen. | |
Den Erneuerbaren Lesetagen wirft Heine vor, sie instrumentalisierten die | |
Kultur, um Kultur zu zerstören – „eine Kampfmethode, die in Deutschland | |
leider auf eine traurige Tradition zurückblickt“. Der Verein „Kultur für | |
alle“, Organisator der Erneuerbaren Lesetage, stehe der autonomen Szene | |
nahe, deren Vertreter auch Gewalt rechtfertigten. | |
„Alle diskreditierenden Behauptungen entbehren jeder Grundlage“, wehrt sich | |
Heiko Böttner, der Vorsitzende des Fördervereins. Dieser habe rechtliche | |
Schritte gegen Heine eingeleitet. Der Kulturmäzen Frank Otto spricht von | |
„an Erpressung grenzenden Übergriffen gegen Künstler und Förderer“. Die | |
Verleumdung des Kulturvereins sei beschämend und inakzeptabel. | |
## Nicht im Auftrag Vattenfalls? | |
Hella Schwemer-Martienßen, die Direktorin der Öffentlichen Bücherhallen | |
(HÖB), wundert sich über die Kritik an den Erneuerbaren Lesetagen. „Wir | |
haben nie die Konfrontation gesucht“, sagt sie. Innerhalb der Initiative | |
hätten unterschiedliche Meinungen ihren Platz. Sie verstehe nicht, warum | |
versucht werde, dieses Projekt zu diskreditieren. | |
Die Entscheidung zu wechseln, sei aufgrund der Stimmung in der Belegschaft | |
gefallen und von Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos) anerkannt | |
worden. „Auf mich ist kein politischer Druck ausgeübt worden“, versichert | |
Schwemer-Martienßen. Allerdings sei Vattenfall mit einer fünfköpfigen | |
Delegation erschienen, um die HÖB umzustimmen. Auch habe Vattenfall über | |
den SPD-Fraktionschef Andreas Dressel vorgefühlt, ob an der Entscheidung | |
etwas zu ändern sei. „Ich habe keinen Druck ausgeübt“, versichert Dressel. | |
Die Firma Vattenfall beteuert, sie habe bis vor Kurzem nichts von Heines | |
Briefen gewusst. Sie seien nicht im Auftrag Vattenfalls verfasst worden und | |
widersprächen auch dem Standpunkt des Unternehmens: „Wir betrachten die | |
anderen Literaturfestivals als Bereicherung“, sagt Firmensprecher Stefan | |
Kleimeier. Vattenfall habe lange mit den HÖB zusammengearbeitet. Daher sei | |
es normal, in einem Gespräch nach einer Basis für eine weitere Kooperation | |
zu suchen. | |
18 Apr 2013 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
## TAGS | |
Hamburg | |
Vattenfall | |
Rote Flora | |
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