| # taz.de -- Film „The Broken Circle“: Bluegrass in der flämischen Provinz | |
| > Das Schicksal spielt den Figuren übel mit, aber glaubt man's? Der Film | |
| > „The Broken Circle“ beschränkt sich darauf, Kulissen zu behaupten. | |
| Bild: Die nicht verblassenden Tattoos sind bei Weitem nicht das Einzige, was ma… | |
| Tätowierungen verändern sich mit den Jahren. Die Farben verlieren an Kraft, | |
| die Linien werden breiter. Das hat verschiedene Gründe – die Alterung der | |
| Haut, die UV-Strahlung, das Zellwachstum. | |
| Merkwürdig, dass Elise (Veerle Baetens), Betreiberin eines Tattoo-Studios | |
| und eine der Hauptfiguren in [1][„The Broken Circle“], von dieser Regel | |
| ausgenommen ist. Die Schmetterlinge, die Totenschädel, Schriftbänder und | |
| Adlerschwingen auf dem Körper der jungen Frau leuchten in kräftigen Farben, | |
| die Linien sind wunderbar scharf, obwohl der Film einen Zeitraum von etwa | |
| acht Jahren umfasst. Das Einzige, was sich in dieser Zeit auf Elises Haut | |
| ändert, ist, dass ab und zu ein neues Tattoo hinzukommt oder ein altes | |
| übertätowiert wird. | |
| „The Broken Circle“ stammt von dem belgischen Regisseur [2][Felix van | |
| Groeningen], der zuvor „Die Beschissenheit der Dinge“ gedreht hat, und war | |
| ein Publikumsliebling bei der Berlinale. Im Mittelpunkt stehen Elise und | |
| ihr Partner Didier (Johan Heldenbergh), ein Bluegrass-Aficionado, der Banjo | |
| spielt und auf seinem etwas heruntergekommenen Anwesen davon träumt, ein | |
| Cowboy zu sein. | |
| Mit dem roten Pick-up, den Pferden und Rindern auf der Weide und den | |
| Hühnern im Garten scheint die Anverwandlung der flämischen Provinz an den | |
| US-amerikanischen Westen denn auch zu glücken, es erstaunt höchstens ein | |
| bisschen, dass man kaum je sieht, wie sich Didier um seine Ranch kümmert. | |
| ## „I'm only going over home“ | |
| Kaum hat es zueinander gefunden, bekommt das junge Paar ein Kind. Das Kind | |
| bekommt, als es sechs Jahre alt ist, Krebs, und als es stirbt, ist aus dem | |
| Off der Folksong „I am a Poor Wayfaring Stranger“ zu hören: „I’m only … | |
| over Jordan / I’m only going over home“. Der Song ist wunderbar, weniger | |
| wunderbar ist, dass die Lyrics das Geschehen auf der Leinwand schlicht und | |
| einfach verdoppeln. | |
| „The Broken Circle“ gibt sich viel Mühe, Attraktivität aus seinem | |
| subkulturell-proletarischen Setting zu gewinnen. Was den Einsatz von Musik | |
| anbelangt, klappt das, von den Doppelungen abgesehen, ganz gut, die | |
| Konzerte von Elise, Didier und ihrer Band haben etwas Mitreißendes. Doch | |
| statt sich wirklich auf das Milieu einzulassen und es dementsprechend | |
| glaubwürdig in Szene zu setzen, beschränkt sich der Film darauf, es als | |
| Kulisse zu behaupten. | |
| Die nicht verblassenden Tattoos sind bei Weitem nicht das Einzige, was man | |
| dieser Fiktion nicht abnimmt. Das ist umso bedauerlicher, als man sich auf | |
| Geschichten von existenzieller Not umso besser einlassen kann, je tiefer | |
| sie in der konkreten Materialität von Lebensumständen verankert sind. Auf | |
| Genauigkeit zu beharren, ist weder Fühllosigkeit noch Beckmessertum, | |
| vielmehr wünscht man sich die Wertschätzung der physischen Gegebenheiten | |
| und Treue gegenüber dem Material. Wenn ein Film dazu nicht imstande ist, | |
| wie soll er dann den Schmerz und das Leid der Figuren respektieren? | |
| Hinzu kommt noch etwas: Ist der dramaturgische Knoten erst einmal so | |
| festgezurrt wie nach der Hälfte von „The Broken Circle“, ist es so gut wie | |
| aussichtslos, einen Ausgang aus der Erzählung zu finden. Eine Lösung gibt | |
| es, aber die hat etwas Mechanisches: Die erste Katastrophe wird durch eine | |
| zweite überboten. | |
| 25 Apr 2013 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://brokencircle.pandorafilm.de/ | |
| [2] http://de.wikipedia.org/wiki/Felix_Van_Groeningen | |
| ## AUTOREN | |
| Cristina Nord | |
| Cristina Nord | |
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