| # taz.de -- Zwischenlager für Atommüll in Brunsbüttel: Dornenreiche Debatten | |
| > Schleswig-Holsteins Grüne ringen sich unter Schmerzen dazu durch, ein | |
| > Zwischenlager für Atommüll in Brunsbüttel mitzutragen. | |
| Bild: Demonstrativ: Der grüne Landesverband sitzt beim Parteitag in Neumünste… | |
| Sie brauchten noch eine Pause vor der Entscheidung. Hitzig debattiert hat | |
| der schleswig-holsteinische Landtag am Mittwoch die Frage, ob | |
| Schleswig-Holstein dem Endlagersuchgesetz zustimmen soll – und damit ein | |
| Zwischenlager für Atommüll in Brunsbüttel zulassen. Das hatte | |
| Landesumweltminister Robert Habeck (Grüne) angeboten. | |
| Immerhin: Die Abgeordneten der Koalition aus SPD, Grünen und SSW standen | |
| geschlossen hinter der Landesregierung – daran hatte es vorab Zweifel | |
| gegeben. Die Koalition hat nur eine Stimme mehr als die Landtagsopposition. | |
| Über den Antrag selbst war bei Redaktionsschluss noch nicht abgestimmt | |
| worden: Es liefen noch Abstimmungsgespräche zwischen den Fraktionen über | |
| die Möglichkeit eines gemeinsamen Antrags von Opposition und Koalition. | |
| Es gehe darum, „ein deutliches Signal aus Schleswig-Holstein an den Bund zu | |
| senden“, so der CDU-Fraktionsvorsitzende Johannes Callsen. Ziel wäre, die | |
| Bedingungen festzulegen, unter denen das Land bereit ist, einen Teil der 26 | |
| Castor-Behälter mit strahlendem Müll zu nehmen, der ab 2015 aus den | |
| Aufbereitungsanlagen in britischen Sellafield und im französischen La Hague | |
| nach Deutschland zurückkommt. | |
| Der wichtigste Punkt, den auch Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) in | |
| seiner Regierungserklärung betont hatte: Es gehe nicht darum, Gorleben | |
| gegen Brunsbüttel zu tauschen, also alle Castoren am Nord-Ostseekanal zu | |
| lagern. „Das wäre nicht fair“, sagte Albig. Er sei sicher, dass andere | |
| Länder sich bewegen würden, wenn Schleswig-Holstein voran ginge. Das | |
| bekräftigte Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU): „Es werden weitere | |
| Bundesländer in die Verantwortung gehen“, sagte er dem Norddeutschen | |
| Rundfunk. „Es ist ein Gemeinschaftswerk.“ | |
| Die Opposition bezweifelte das: „Da andere nicht blöd sind, werden die | |
| sagen: Schleswig-Holstein darf alle Castoren nehmen“, warnte etwa Wolfgang | |
| Kubicki (FDP) im Landtag – und kritisierte Habeck: Dem Grünen-Minister sei | |
| es ausschließlich um die politische Debatte um das Zwischenlager Gorleben | |
| gegangen. | |
| ## Schwere Entscheidung | |
| Wie schwer gerade die Grünen sich mit der Frage tun, hatte am Dienstagabend | |
| ein Sonderparteitag in Neumünster gezeigt. Zwar fiel die Entscheidung für | |
| das Zwischenlager mit großer Mehrheit. Anträge aus den betroffenen Kreisen | |
| Steinburg und Dithmarschen, die Zahl der Castoren zu begrenzen, | |
| scheiterten. Doch der Weg dorthin war dornig: Fast alle, die da ans | |
| Rednerpult traten, erzählten von ihren Demo-Erfahrungen gegen | |
| Atomkraftwerke und deren Müll. Die Versammlungsleitung saß demonstrativ | |
| unter einem Anti-Atom-Banner. | |
| Da tat es weh, dass Jochen Stay vom Bündnis „ausgestrahlt“ infrage stellte, | |
| ob die Grünen noch „MitstreiterInnen“ seien und mahnte, Transporte erst zu | |
| erlauben, wenn ein Endlager feststehe. Dirk Seifert von Robin Wood fügte | |
| hinzu: „Wir haben schon vier Standorte in Schleswig-Holstein, die im Müll | |
| absaufen.“ Brunsbüttel sei nicht sicher, so Seifert unter dem Beifall der | |
| Zuhörer, während die Delegierten in den vorderen Reihen still blieben. | |
| „Wir brauchen einen Konsens für die Endlagersuche, aber das einzige Land, | |
| das einen Schritt macht, fordert ihr auf, den wieder zurückzunehmen – das | |
| kriege ich nicht rund“, erklärte Habeck. Und er setzte seiner Partei die | |
| Pistole auf die Brust: Der Landesverband werde „Geschichte schreiben“, denn | |
| am Ja aus Schleswig-Holstein hänge es, ob „das letzte Kapitel der Atomkraft | |
| in Deutschland“ geschrieben werde – oder ob sich das „Fenster schließt u… | |
| die Chance, aus Gorleben auszusteigen, vertan ist“. Aber Habeck zeigte auch | |
| Reue: Er entschuldigte sich für die „Fehler in der Kommunikation“ – den | |
| Vorstoß, der auch für seine Partei überraschend gekommen war. | |
| Die Gegner antworteten mit Argumenten und immer wieder Gefühlen: „Wir haben | |
| mit Atomkraft, Sondermüllverbrennung, Chemiefabriken schon ganz viel Gift“, | |
| zählte eine Grüne auf. „Wir sind keine Kirchturmpolitiker, aber es geht | |
| nicht um abstrakte Politik, sondern um unser Leben.“ Sie erinnerte an die | |
| Krebsfälle im Ort Wewelsfleht und bat: „Redet mit uns, stoppt das | |
| Eilverfahren.“ Jürgen Ruge, der die Anträge aus Steinburg vortrug, | |
| kritisierte er den „Druck, der auf uns ausgeübt wurde“. | |
| Als spät am Abend der Antrag des Grünen-Landesvorstands glatt durchging, | |
| gab es Proteste und Zwischenrufe aus der Gruppe aus Dithmarschen und | |
| Steinburg. So fühlte sich Habeck, der mehr erschöpft als triumphierend | |
| hinten im Saal stand, nicht als Sieger des Abends. Er fürchtete vielmehr um | |
| den Zusammenhalt der Landespartei: „Dies hat eine Wunde geschlagen. Die | |
| Debatte ist nicht vorbei.“ | |
| 24 Apr 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Esther Geisslinger | |
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