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# taz.de -- Aufgehobenes Vergewaltigungsurteil: Zahlreiche Ungereimtheiten
> Heidi K. bezichtigt ihren Kollegen der Vergewaltigung. Nach der Haft
> beweist er seine Unschuld. Nun ist das vermeintliche Opfer angeklagt.
Bild: Heidi K. vor Gericht.
DARMSTADT taz | Wäre Horst Arnold nicht tot, hätte ihn der 28. August 2001
jetzt zum dritten Mal eingeholt. An diesem einen Sommertag habe der
Studienrat an einer Odenwälder Schule seine Kollegin vergewaltigt, befand
2002 das Darmstädter Landgericht und verhängte fünf Jahre Haft über den
damals 43-Jährigen.
Die Strafe saß er ab, bevor er 2011 seine Unschuld bewies und der
urteilende Richter das vermeintliche Opfer eine „Erfinderin aberwitziger
Geschichten“ nannte. Heidi K., nun angeklagt der Freiheitsberaubung, sitzt
am Donnerstag im Landgericht Darmstadt – und die Lehrerin bleibt dabei:
„Arnold hat mich vergewaltigt.“
Mit dieser unerwarteten Aussage hat die suspendierte Biologielehrerin einen
bizarren Prozess losgetreten. Der durchs Kasseler Landgericht ergangene
Freispruch für Arnold wird seine vom Bundesgerichtshof bestätigte
Rechtskraft nicht verlieren, die erst im vergangenen Dezember an die
Tochter des verstorbenen Lehrers überwiesene Haftentschädigung wird die
junge Frau nicht zurückzahlen müssen. Und doch wird die behauptete
Vergewaltigung jetzt zum dritten Mal verhandelt.
Es müsse erneut nachgewiesen werden, dass die Tat nie geschah, sagt ein
Sprecher der Darmstädter Staatsanwaltschaft. „Denn für die der
Freiheitsberaubung angeklagte Lehrerin muss in diesem Strafprozess die
Unschuldsvermutung gelten.“ Unter ihrer roten Langhaarperücke berichtet
Heidi K., was in einem Vorbereitungsraum der Schule geschehen sein soll.
„Arnold trat und boxte mich, drängte mich an einen Labortisch“, sagt die
48-Jährige. „Dann vergewaltigte er mich anal.“
## Wenig Wahrhaftiges in der Biografie
Weil er die Tat stets bestritt, musste der verurteilte Pädagoge die
Haftzeit ganz absitzen. Erst nach seiner Entlassung 2006 vermutete die
Frauenbeauftragte des Odenwälder Schulamts – zuvor eine engagierte
Unterstützerin von Heidi K. –, dass ihr die Lehrerin viel, aber wenig
Wahrhaftiges aus ihrer Biografie berichtet hatte. Totgeglaubte lebten noch,
einem Expartner wurde nie in den Kopf geschossen, Krankheitsgeschichten
stürzten in sich zusammen – so das Resümee der Schulamtsangestellten. Sie
bat ihren Bruder Hartmut Lierow, Anwalt in Berlin, um Hilfe.
Lierow förderte noch mehr Ungereimtes zutage und erreichte 2008 die
Wiederaufnahme des Falls. „Arnold hat immer gewartet“, sagte der Anwalt am
Mittwoch der taz. „Auf die Freiheit, auf die Wiederaufnahme, auf die nicht
ausgezahlte Haftentschädigung, auf einen neuen Job, auf die Anklage gegen
die Lehrerin.“
Arnold erlitt im Sommer 2012 einen tödlichen Herzinfarkt. Warum die
Staatsanwaltschaft die Lehrerin erst jetzt anklagte, ist dem Anwalt ein
Rätsel. „Wenn sie es jetzt können, konnten sie auch 2008.“ Lierows herbes
Fazit: „Arnold würde ohne das Geschehene noch leben.“
Zu den auch vom Darmstädter Gericht am Donnerstag angesprochenen
Ungereimtheiten zählt, dass Heidi K. fünf Wochen nach der von ihr
angezeigten Vergewaltigung der Polizei mitteilte, Arnold habe sie auf dem
Marktplatz von Michelstadt im Odenwald bedroht. „Ich krieg dich noch“, habe
er gerufen. Die Lehrerin war in Begleitung ihrer Eltern, alle drei
identifizierten Arnold noch auf der Wache in einer Fotomappe. Der
Sportpädagoge war jedoch einen Tag zuvor in Untersuchungshaft gekommen. „Es
muss ein Verwandter von ihm gewesen sein“, erklärte Heidi K. nun bei der
gestrigen Verhandlung.
Auf die Aussagen des angeblichen Opfers sei beim besten Willen kein
Verlass, befand das Kasseler Gericht im zurückliegenden
Wiederaufnahmeverfahren. Wie Heidi K. gestern dem Gericht berichtete,
gleiche ihr Leben seit zwölf Jahren einem Spießroutenlauf. „Sie erfährt“,
sagte ihr Verteidiger, „was eine solche Anzeige für eine Frau bedeuten
kann.“ Wie es ihm nach dem einen Sommertag ergangen ist, kann Arnold nicht
mehr erzählen. Wenn das Gericht eine Vergewaltigung nicht ausschließen
kann, wird die Lehrerin freigesprochen.
26 Apr 2013
## AUTOREN
Stefan Höhle
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