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# taz.de -- Herausgeber über erotische Literatur: „Erotik auf Platt hat’s …
> Erotisches fristet im plattdeutschen Literaturbetrieb ein Nischendasein.
> Herausgeber Carl-Heinz Dirks weiß, warum.
Bild: Liebesleben: Das Plattdeutsche hat im erotischen Bereich noch Luft nach o…
taz: Herr Dirks, warum gibt kaum erotische Literatur auf Plattdeutsch?
Carl-Heinz Dirks: Natürlich gibt es das Interesse an Sexualität auch bei
den Plattdeutschen, aber ich denke, dass plattdeutsch zu schreiben nicht
jedermanns Sache ist. Das Plattdeutsche ist 200 Jahre lang keine
Schriftsprache gewesen, danach haben hauptsächlich Lehrer und Pastoren
plattdeutsche Texte geschrieben. Kein Wunder, dass diese Texte, was
Sexualität angeht, sehr zurückhaltend waren.
Was halten die Plattdeutsch-Wörterbücher an einschlägigem Vokabular bereit?
In denen fehlen ganz viele Begriffe aus dem Bereich Sexualität. Die, die da
zu finden sind, sind oft negativ besetzt: Hure beispielsweise, leichtes
Mädchen, mannstolle Frauen ... Aber es gibt auch nettere Beispiele. So den
Satz “Dat is ’n slechten Kater, de blot vör een Gatt musen deit“ im
Wörterbuch von Otto Buurman. Auf Hochdeutsch: „Ein schlechter Kater, der
nur vor einem Loch am Mausen ist.“
Hat die mündliche Überlieferung über die Jahrhunderte nicht funktioniert?
Mündlich gibt es schon einiges. Aber auch in der gesprochenen Sprache ist
die Frage: Inwieweit reden die Leute über sexuelle Themen? Es ist ja auch
schon im hochdeutschen Bereich schwierig, aber im Plattdeutschen noch
schwieriger.
Welchen Anspruch hat plattdeutsche erotische Literatur?
Erotische Literatur auf Plattdeutsch geht ganz schnell in den Bereich
„sexuelle Anregung“. Oder in den Bereich „Unterhaltung“ wie beim
plattdeutschen Theater: Da ist Sexualität oft negativ besetzt oder als
Klamauk integriert. Der Opa in Unterhosen zum Beispiel. Und immer wieder
gerne die überraschend auftauchende uneheliche Tochter und sehr
vordergründige St.-Pauli-Abenteuer.
Sie sind Mitherausgeber der plattdeutschen Literaturzeitschrift „Diesel“.
Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht, erotische plattdeutsche
Literatur zu publizieren?
Wir hatten im Diesel vor 19 Jahren eine Geschichte von Hans-Hermann Briese.
Da haben wir unglaublich viele Leserbriefe gekriegt. Es ging um ein junges
Mädchen, das sich erhängt im Hause der Eltern. Sie hatte masturbiert mit
einer Cola-Flasche und kriegt die nicht mehr raus. Anstatt sich den Eltern
anzuvertrauen, bringt sie sich um. Wir hatten damals 200 Abonnenten und
dachten, vielleicht kündigen jetzt 30 das Abo. Aber es war nicht so. Wir
kriegten weit über 30 Briefe und Anrufe und die meisten Leute sagten:
„Toll, dass ihr mal sowas gebracht habt.“
Kommt die unterdrückte Sexualität häufig vor in plattdeutscher erotischer
Literatur?
Wir haben im Schrieverkring Weser-Ems immer wieder Texte, die von
Missbrauchsfällen handeln. Das scheint also ein Thema zu sein. Es muss
nicht sein, aber oft muss man vermuten, dass die Autoren selbst betroffen
sind. Aber es gibt natürlich genauso Geschichten, die mit der Freude am Sex
zu tun haben. Gerd Spiekermann beispielsweise hat das Buch „Kiek mol’n
beten to“ herausgegeben. Da hat er auch erotische Geschichten
veröffentlicht – meist auf einer sehr vorsichtigen Ebene. Da ist eine
schöne dabei, in der ein Mann in einen Fahrstuhl steigt. Es steigt eine
Frau zu, die nach einer Seife riecht, die den Mann an seine erste Freundin
erinnert
Sie selbst haben die Anthologie „Unner de Buukreem“ veröffentlicht. Wie
haben die Leser reagiert?
Die Leser sind skeptisch. Genauso, wie sie nicht gesehen werden wollen,
wenn sie einen Sex-Shop besuchen, möchten sie nicht gesehen werden mit
einem Buch mit plattdeutschen Geschichten über Erotik.
Müsste es für plattdeutsche Erotik nicht eigentlich einen riesigen Markt
geben?
Müsste eigentlich. Aber einen plattdeutschen Playboy oder so was gibt es
nicht. Plattdeutsch kommt beim Leser nur bedingt an, besser funktioniert es
beim Hörer, der plattdeutsche Literatur vorgelesen bekommt. Das Problem
ist, dass Plattdeutsch bis heute eine gesprochene Sprache ist. Wir sind
seit 25 Jahren dabei, es zur Schriftsprache zu machen.
Was kann das Plattdeutsche auf dem Feld der Erotik, was das Hochdeutsche
nicht kann?
Es ist auf Hochdeutsch schwierig, zwischen medizinischer Sprache und
ordinärer Sprache einen Mittelweg zu finden. Das geht auf Plattdeutsch
leichter, weil es eben keine Bürokratensprache ist. “Lecker as Zucker up
Titt“ geht nur auf Plattdeutsch.
29 Apr 2013
## AUTOREN
Klaus Irler
Klaus Irler
## TAGS
Literaturbetrieb
Plattdeutsch
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