| # taz.de -- Arbeitsbedingungen in der Pflanzenzucht: Blumen für einen Hungerlo… | |
| > Eine Firma aus Nordrhein-Westfalen verkauft hierzulande Millionen | |
| > Geranien. Arbeiterinnen in El Salvador erhalten dafür angeblich nur 30 | |
| > Cent pro Stunde. | |
| Bild: Was so hübsch auf dem Geranienmarkt in Celle blüht, ist eventuell unter… | |
| BERLIN taz | Frühjahrszeit ist Pflanzzeit. Aber können deutsche Verbraucher | |
| Geranien bedenkenlos pflanzen? Dem alten Herrn Dümmen geht die Sache wohl | |
| an die Ehre. Bereits kurz vor Weihnachten hat sich der 71-Jährige in den | |
| Zug gesetzt, um seine Kritiker zu besuchen – die Christliche Initiative | |
| Romero in Nürnberg. | |
| Dort hat Maik Pflaum harte Worte gefunden für die Art, wie Günter Dümmens | |
| Pflanzenzuchtfirma ihr Geld verdient. Der Vorwurf: Dümmen lasse in El | |
| Salvador Hunderte Frauen für Löhne arbeiten, mit denen man eigentlich nur | |
| verhungern kann. | |
| Dümmen ist Christ. Er gehört einer evangelischen Freikirchengemeinde an. | |
| Die Firma der Familie, die jetzt unter dem Namen des Sohnes läuft, bekennt | |
| sich zu ihrer „Verantwortung vor Gott“. So steht es auf der Internetseite | |
| unter der Überschrift „Vision“. | |
| Ist die Firma Dümmen ein weiteres Beispiel dafür, wie deutsche Unternehmen | |
| mit gnadenlos schlechten Arbeitsverhältnissen in Entwicklungsländern einen | |
| guten Schnitt machen? Pflaum sagt: „Ja, so ist es.“ Bei Dümmen im | |
| nordrhein-westfälischen Rheinberg weist man die Vorwürfe dagegen von sich. | |
| ## Millionen Stecklinge | |
| Was stimmt? Maik Pflaum spricht bestens Spanisch. In Zusammenarbeit mit | |
| Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen war der 43-Jährige schon | |
| häufig in Lateinamerika. Lange hat er persönlich mit Arbeiterinnen der | |
| Dümmen-Plantage Las Mercedes in El Salvador geredet. Für das deutsche | |
| Unternehmen pflegen, beschneiden und verpacken sie kleine Pflanzen, die | |
| unter anderem von hiesigen Gärtnereien und Baumärkten verkauft werden. Wer | |
| jetzt Geranien in seinen Blumenkasten pflanzt, hat gute Chancen, welche aus | |
| Dümmens Treibhäusern zu bekommen. | |
| Millionen Stecklinge produzieren die 1.000 meist weiblichen Beschäftigten | |
| in Las Mercedes pro Jahr. Pflaums Angaben zufolge erhalten viele 3,50 | |
| US-Dollar am Tag, was auf etwa 40 US-Cent pro Stunde hinausläuft. Das | |
| entspricht 2,69 Euro beziehungsweise 30 Eurocent. Der Lohn für einen Monat | |
| summiere sich auf 105 Dollar brutto, bei hoher Akkordleistung auch auf 150 | |
| Dollar. | |
| El Salvador ist ein armes Land. Aber auch dort kostet das Leben Geld. Den | |
| Grundbedarf einer vierköpfigen Familie bezifferte die staatliche | |
| Statistikbehörde für 2009 auf 762 Dollar pro Monat. Wenn also die Mutter | |
| mit Vollzeitarbeit bei Dümmen höchstens ein Fünftel dieses Betrags | |
| erwirtschaftet, müsste der Vater einen sehr gut bezahlten Job haben – in | |
| vielen Fällen unrealistisch. | |
| ## Durchschnittlich 140 Dollar | |
| Die Firma Dümmen stellt die Angelegenheit mithilfe der von ihr engagierten | |
| Kommunikationsfirma Steinkühler-Com so dar: In der Tat betrage „das | |
| Basisgehalt 105 Dollar“. Mit Zuschlägen würden die Beschäftigten jedoch | |
| „durchschnittlich 140 Dollar“ erhalten. Im Übrigen verwende Kritiker Pflaum | |
| den falschen Maßstab. Das offizielle „Existenzminimum in El Salvador“ | |
| betrage gegenwärtig „pro Familie 126 Dollar“. Der Lohn der Arbeiterinnen | |
| würde insgesamt also deutlich über dieser Grenze liegen. | |
| „Falsch“, entgegnet Pflaum. Der Warenkorb, den Dümmen heranziehe, | |
| beschreibe kein Existenzminimum, sondern nur die notwendigen Kosten für | |
| wenige Grundnahrungsmittel. Der erweiterte Warenkorb von über 700 Dollar | |
| hingegen enthalte auch die für Unterkunft, Gesundheit, Kleidung und Bildung | |
| nötigen Ausgaben . | |
| Mittlerweile hat das Familienunternehmen Dümmen gemerkt, dass es so nicht | |
| weitergeht. Kommunikationsexperte Karl-Heinz Steinkühler erklärt, dass eine | |
| unabhängige Gutachterin nach Las Mercedes gereist sei, um die Verhältnisse | |
| vor Ort zu recherchieren. Die Ergebnisse würden „zurzeit intern | |
| ausgewertet“. | |
| 7 May 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Hannes Koch | |
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