| # taz.de -- Mobil in der Stadt heute: Um die Wette durch die Stadt | |
| > Wie kommt man schneller ans Ziel: mit dem Stadtrad, dem Car2Go oder mit | |
| > S- und U-Bahn? Ein Test im morgendlichen Berufsverkehr Hamburgs. | |
| Bild: Dauerte am längsten: Mit der U-Bahn ins Büro. | |
| HAMBURG taz| RAD Puh, Glück gehabt. Nur noch zwei Stadträder stecken vor | |
| der U-Bahn-Station Mundsburg an den Sicherheitsbügeln – die Stadtrad-App | |
| zeigt mir sogar nur eins an. Also schnell auf „Entleihen“ klicken, „klack… | |
| macht’s und die Sicherung springt auf. Es ist 7.59 Uhr. Sattelhöhe | |
| einstellen, Bremsentest und ab. Ich komme gerade mal zehn Meter weit bis | |
| zur ersten Ampel. Rot. Menno. | |
| AUTO 729 Meter sind es bis zum nächstgelegenen Leihauto in der Ulmenau. | |
| Schnell via Car2Go-App reservieren und los. Ich muss nur aufpassen, dass | |
| ich nicht renne, sobald die anderen aus dem Blickfeld sind. So habe ich es | |
| früher gemacht, wenn wir herausfinden wollten, welcher Weg am schnellsten | |
| von der Grundschule nach Hause führt. Kaum außer Sichtweite rannte ich los | |
| bis kurz vorm Ziel, um dann um die Ecke geschlendert zu kommen: „Ich? | |
| Gerannt? Nicht doch! Mein Weg ist wirklich kürzer.“ Das mache ich nun | |
| natürlich nicht, im Normaltempo gehe ich zu meinem Auto. Einsteigen, | |
| einloggen, ein paar Fragen auf dem Display zum Zustand des Autos | |
| beantworten, Harkortstraße 81 ins Navigationsgerät tippen. Um 8.09 Uhr | |
| drehe ich den Zündschlüssel. | |
| BAHN Ich bin nicht die einzige, die um kurz nach acht die | |
| U-Bahn-Haltestelle Mundsburg betritt, um eine Fahrkarte zu lösen. Leider | |
| habe ich kein Kleingeld parat, muss mit einem Zehner zahlen und die vielen | |
| Wechselgeldmünzen machen mein Portemonnaie schwer. Als ich den Bahnsteig | |
| der U3 Richtung Schlump betrete, fährt auch gleich die Bahn ein. Mit vielen | |
| anderen Fahrgästen dränge ich mich in den ersten Waggon, sitzen kann ich | |
| nicht. Unten auf der Straße sehe ich die Autos. Wie schön es wäre, zu | |
| sitzen. | |
| AUTO Rechts, rechts, links abbiegen und schon bin ich an der Alster, hier | |
| joggen sie schon zahlreich um diese Uhrzeit. Es ist ein bisschen kühl, ich | |
| mache das Fenster lieber wieder zu – toll, elektrische Fensterheber. Es | |
| geht langsam, aber stetig voran. Um diese Uhrzeit sind auf der | |
| Amsinckstraße ja immer drei Fahrspuren für den Weg in die Innenstadt | |
| freigegeben, stadtauswärts geht’s aber nur einspurig. Igitt, in der | |
| Beifahrertür steckt irgendwas. | |
| RAD Bei rund zehn Grad und wolkigem Himmel ist es angenehm kühl, ich sollte | |
| also nicht sofort ins Schwitzen kommen. Die Ampel schaltet auf Grün: auf in | |
| Richtung Alster, hin zum Ausblick über das Wasser! Grüne Welle an der | |
| Mundsburger Brücke und auch noch am Schwanenwik. Mit einem Grinsen schwenke | |
| ich auf den Alster-Radweg ein und flitze in Richtung Kennedy-Brücke. Es | |
| rüttelt ordentlich: Die Reifen meines Stadtrads sind prall aufgepumpt und | |
| jede Erhebung auf dem Radweg überträgt sich direkt ins Rückenmark. Kein | |
| Vergleich zum Komfort eines Auto- oder S-Bahn-Sitzes. | |
| AUTO Auf der Kennedy-Brücke bin ich mehr mit Bremsen als mit Gasgeben | |
| beschäftigt. Dann eben die hübsche Außenalster anschauen und mal sehen, was | |
| das Radio so sagt. Mh, ob ich an dieses Bündel in der Beifahrertür komme? | |
| Nee, zu kurze Arme. | |
| RAD Auf dem Uferweg entlang der Alster trete ich kräftig in die Pedale und | |
| überhole ein paar andere Radfahrer. Der enge Radweg schlängelt sich um | |
| Bäume, Jogger und Fußgänger kreuzen meinen Weg. Zum Glück ist es jetzt noch | |
| nicht so voll wie abends, wenn hier die halbe Stadt Joggingrunden dreht. | |
| Auf der Kennedy-Brücke entspanne ich mich, atme frische Alsterluft ein, | |
| schaue übers Wasser – neben mir die Blechlawine. | |
| BAHN Vier Stationen und sieben Minuten später komme ich am Hauptbahnhof Süd | |
| an, steige aus der Bahn und bewege mich in einem zäh fließenden | |
| Menschenstrom Richtung Rolltreppe. Als ich den Bahnsteig betrete, fährt die | |
| S-Bahn ein: S11 Richtung Altona steht auf der Anzeigetafel. Ich bin | |
| verwirrt. Ich hatte mir vor dem Start über die HVV-App meine Route | |
| rausgesucht, von der S11 war da nie die Rede. Na egal, ich steige mal ein. | |
| Wieder muss ich stehen, aber bereits im Dammtorbahnhof lichten sich die | |
| Sitzreihen. | |
| AUTO Ich brauche ewig, um am Dammtorbahnhof vorbeizukommen. Baustelle, | |
| Verkehr, wirr kreuzende Fußgänger und Radler und dann noch | |
| Baumfällarbeiten, die eine ganze Fahrspur blockieren. Geht das mal weiter | |
| hier? Nervig. Gibt’s eigentlich ’ne Hupe? Und irgendwo hatte ich doch ein | |
| Franzbrötchen. | |
| BAHN Damit die Müdigkeit, die in mir hochkriecht, nicht die Oberhand | |
| gewinnt, bleibe ich stehen und schaue hinaus. Ich beobachte einen | |
| Radfahrer, der sich durch den Verkehr schlängelt und freue mich, dass ich | |
| nicht draußen, sondern hier im warmen Bahnwaggon bin. Auch wenn es etwas | |
| stickig ist. | |
| RAD Unter der S-Bahn-Strecke durch rolle ich auf die Esplanade. Es hat gut | |
| geklappt bis hierher: Nur zweimal musste ich kurz an Ampeln warten. Auf dem | |
| Gorch-Fock-Wall strample ich an Planten un Blomen entlang, der Radweg ist | |
| hier keinen Meter breit. Keine Chance, die Langsamfahrerin vor mir zu | |
| überholen. Nach ewigen 500 Metern kann ich endlich überholen. Und dann geht | |
| gar nichts mehr: Beim Sievekingplatz stehe ich gefühlte fünf Minuten an der | |
| Ampel, weil ich zweimal die Straße kreuzen muss. Ätzend. | |
| BAHN Zwölf Minuten später fährt die S11 im Bahnhof Altona ein. Von hier | |
| geht es nun zu Fuß weiter. Nur, welcher Ausgang? Links oder rechts? Ich | |
| entscheide mich für links, fahre mit der Rolltreppe hinauf und tauche an | |
| der Ottenser Hauptstraße auf. Kalte Luft schlägt mir entgegen. Ich ziehe | |
| meinen Schal enger und marschiere los – immer an den Bahngleisen entlang. | |
| RAD Über die Feldstraße geht’s nach St. Pauli, und hier erlebe ich den | |
| klassischen Straßen-Krieg: Lastwagen kreuzt Radfahrerin, sie fühlt sich | |
| bedroht, wedelt mit den Händen, keift. Er brummelt, winkt ab, fährt weiter. | |
| Ich weiche dem Konflikt über den Bürgersteig aus. | |
| AUTO Das Navigationsgerät will mich am Schlump links herum schicken, an | |
| sich schon der richtige Weg. Bloß: Baustelle, hier kann ich nicht abbiegen. | |
| Also weiter geradeaus auf der Fruchtallee, später links in den | |
| Doormannsweg, dann rechts abbiegen, vorbei an der Riesen-Postfiliale am | |
| Kaltenkirchener Platz, die Stresemannstraße gekreuzt und schon bin ich in | |
| der Zielgeraden. Wahnsinn, wie dieses Alsterradio nervt, da muss es doch | |
| was anderes geben. | |
| RAD Auf dem letzten Kilometer durch den Kiez nehme ich etwas Tempo raus. | |
| Jetzt schwitze ich ein wenig und spüre meine Beine. Und wo stelle ich bloß | |
| das Rad ab? Ich will gerade mein Smartphone hervorkramen, als ich kurz vor | |
| der Max-Brauer-Allee auf die Stadtrad-Station an der Chemnitzstraße stoße. | |
| Ich stöpsle das Rad wieder ein: „Abgabe erfolgreich“ steht auf dem Display. | |
| AUTO Da bin ich schon und kann direkt vor der Redaktion parken. Eben noch | |
| schnell im Display auf „Miete beenden“ klicken. Exakt 20 Minuten hat die | |
| Fahrt gedauert. So, und was steckt jetzt da drüben im Fach der | |
| Beifahrertür? Och nee, was da in der Plastiktüte steckt sieht verdächtig | |
| nach altem Döner in Alufolie aus. Spitze Finger und in die Mülltonne damit, | |
| ich geh schon mal einen Kaffee kochen für die Rad- und Bahn-Schnecken, die | |
| kommen sicher auch bald. | |
| RAD Von der Stadtrad-Station sind es noch fünf Minuten zu Fuß bis zur | |
| Redaktion. Das geht ja fix. | |
| BAHN Mir ist kalt, ich wünsche mich zurück in die S-Bahn. Um Punkt 8.40 Uhr | |
| bin ich da. Ich habe ein gutes Gefühl, bestimmt bin ich die erste. Aber vor | |
| der Tür parkt ein blau-weißer Smart. Um sicher zu gehen, dass der eben erst | |
| abgestellt, fühle ich die Motorhaube – sie ist noch warm. | |
| 10 May 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Ilka Kreutzträger | |
| Adrian Meyer | |
| Maren Meyer | |
| ## TAGS | |
| Carsharing | |
| Verkehr | |
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