# taz.de -- Die Wahrheit: Kreuzfahrer aus Stahl | |
> „Wir halten auf der Full Metal Cruise ein bisschen die Thrash-Fahne | |
> hoch“: Als Kulturminister auf einer Heavy-Metal-Kreuzfahrt. | |
Bild: Der Heavy-Metal-Kreuzer trägt den selten dämlichen Namen „Mein Schiff… | |
Das ist schon ein selten dämlicher Name für einen Kreuzer der Luxusklasse: | |
„Mein Schiff 1“. Man kann keinen halbwegs vernünftigen Satz damit bilden. | |
„Na, wie war das Zanderfilet mit Brie-Basilikum-Kruste und kleinen | |
Grilltomaten auf der ’Mein Schiff 1‘?“ Wie klingt denn das? Ich hätte �… | |
Franziska“ vorgeschlagen. | |
Beim Einchecken bildete sich eine kilometerlange Schlange schwarzgewandeter | |
Menschen. Alle vor mir. Aber an einem mit großen „ARTIST“-Lettern | |
geschmückten Büdchen wartet Rettung. Auf irgendwelchen geheimen, kaum | |
nachvollziehbaren, sehr verschlungenen Wegen lotst mich eine freundliche | |
Dame vom Service direkt zum Check-in-Schalter. Na gut, im Grunde gehen wir | |
an dem schier endlos langen Metal-Lindwurm einfach so vorbei. Zwei, drei | |
aus der Menge wollen uns einen Haker stellen. Aber sie hat mich gewarnt. | |
Wir weichen den ausgestreckten Bikerstiefeln aus, und über die diversen | |
Verbalinjurien – „Vordrängler! Vordrängler!“ – lächeln wir charmant … | |
Und dann geht sie endlich los, die „Full Metal Cruise“, die Kreuzfahrt mit | |
harter Beschallung. Leider nicht durch die Karibik, die mir aus dem „Was | |
ist was“-Band „Piraten“ noch in so glorioser Erinnerung ist, sondern nur | |
schnell obenrum, durch den Kanal nach Southampton und wieder retour. Und | |
jetzt ratet mal, wer den Spaß- und Kulturminister an Bord geben darf? | |
Genau, euer freundlicher Metal-Literat aus der Nachbarschaft. | |
Ich schaue mir die „Himmel & Meer Lounge“ an, wo meine erste Lesung | |
stattfinden soll. Sie liegt ganz oben, auf Deck 12, und man hat eine schöne | |
Sicht vom Bug des Schiffes. Das Hafenpanorama ist alles andere als | |
malerisch, außer für Container-Maler, aber später gewinnt die Perspektive | |
enorm. Es kommen dann auch viele Metalheads her: zum Kuschelrocken und | |
Auspennen ihres Rausches. Und weil sie alle vor dem Hinfläzen auf den | |
Liegeflächen ihre Schuhe ausziehen müssen, riecht es sehr bald nach | |
Jungsumkleide. Ich fühle mich heimisch. | |
## „Klärchen“, rufen die Anwesenden | |
Allerdings weist nichts daraufhin, dass hier gelesen wird heute Nachmittag. | |
Also mache ich mich auf den Weg ins Produktionsbüro. Vor mir zwei Roadies, | |
die abklären, ob die Hunderter-Marshall-Stacks auch alle da sind, die | |
Ampeg-Amps für den Bass. Nicht zu vergessen das Drum-Kit von Pearl mit | |
Double-Bass … Es dauert eine Viertelstunde, bis alles geklärt ist, dann | |
komme ich irgendwann an die Reihe. „Hi, Mann, was brauchst du?“ – „Einen | |
Tisch und einen Stuhl. Und ein Mikro.“ Er legt mir eine Hand auf die | |
Schulter. „Das kriegen wir hin!“ | |
Beeindruckend sind auch die Walkie-Talkies der Produktionscrew, wie bei der | |
Highway Patrol. Das Mikrofon hängt ziemlich praktisch auf Höhe des | |
Schlüsselbeins, so dass man gleich hineinsprechen kann, wenn man den Kopf | |
dreht. Und schon geht’s los. Einer hat immer was zu funken. „Jörg für | |
Äi-ßi, Jörg für Äi-ßi. Äi-ßi, bidde kommen!“ Ein schon ziemlich | |
alkoholgebeutelter Metalhead spielt gleich mit. „13 auf 47, bitte 13 auf | |
47!“ | |
Und dann die Musik. Den maskulinen Seefahrer-Folk von Santiano lasse ich | |
mal aus. Es gibt Pfiffe, und die sind nicht alle als Ansporn gemeint. Mambo | |
Kurt gehe ich ebenfalls aus dem Weg. Den Mann, der an seiner Heimorgel noch | |
jeden Song zerdudelt und zerjölt, lieben viele in der Szene. Irgendwo barmt | |
sie immer seine Todestruhe. Ich gehe einfach bugwärts ins Theater, und | |
alles wird gut. Denn dort lassen sich Dew Scented von der halbleeren | |
Lokalität keineswegs den Spaß versauen: „Wir halten auf der Full Metal | |
Cruise ein bisschen die Thrash-Fahne hoch. Ist das okay für euch?“ – | |
„Klärchen“, rufen die Anwesenden. | |
## 32.000 Liter Bier sind es nach einer Woche | |
Die übrigen Kreuzfahrer müssen erst mal ankommen, die vielen Bars und | |
Theken ausprobieren oder sich von den Eleven, die sich mit Kühltruhen übers | |
Schiff verteilen, die eine oder andere bereits geöffnete Dose Bier reichen | |
lassen. Man hat ja Vollpension gebucht. Betonung liegt auf der ersten | |
Silbe. Nur für die avantgardistischeren Getränke wie „Lila Launebär“ muss | |
man zuzahlen. | |
Ein „betreutes Festival“ sei das, scherzt Holger Hübner, Initiator, Chef | |
und gute Seele der Kreuzfahrt, anderntags bei der Pressekonferenz. Den | |
Eindruck hat man in der Tat. Obwohl nicht nur die große skandinavische | |
Abordnung – „wi ßaggn ßlaraffenlaand zu Full Metal Cruise“ – akkurat | |
abpumpt, 32.000 Liter Bier sind es nach einer Woche, sieht man keine | |
Alkoholtoten in den Gängen, kein Gereihere am Pool, und nicht mal mit | |
Nahrung wird geworfen. Entweder man benimmt sich wirklich halbwegs gesittet | |
oder, und das ist meine Vermutung, an Bord wird Service tatsächlich ganz | |
groß geschrieben und jeder Problemfall von entsprechend geschultem Personal | |
persönlich ins Heiabettchen gebracht. | |
So gehen die Tage ins Land. Zur „Late-Night-Lesung“ kommt dann keine Sau, | |
aber die Vollpension macht alles wett. Am dritten Tag fällt mir ein | |
euphorischer Metalhead mit roter Nase in die Arme. Wie es ihm denn gefalle? | |
„Isch a Hämmerle!“ | |
17 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Frank Schäfer | |
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Die Wahrheit | |
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