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# taz.de -- Blog stürzt Chinas Vizeminister: Das Web wirkt
> In China verschiebt sich die Medienmacht. Blogs werden von den
> Entscheidern beachtet. Nun hat erstmals ein Blogger einen Vizeminister
> gestürzt.
Bild: Die chinesische Führung enthob Liu Tienan, Vizechef der mächtigen Planu…
Da behaupte noch einer, Blogs würden eh nichts nützen. Zumindest im
autoritär regierten China übernehmen sie inzwischen die Aufgabe, die in
Ländern mit Pressefreiheit die herkömmlichen Medien wahrnehmen. Erstmals in
der Geschichte Chinas hat ein Blogger in diesen Tagen [1][einen
Vizeminister gestürzt].
Die chinesische Führung enthob am Dienstag Liu Tienan, Vizechef der
mächtigen Planungskommission, wegen „schwerer Disziplinarverstöße“ von
seinem Posten. Er ist der bislang ranghöchste Parteifunktionär, der durch
eine Enthüllung im Internet stürzt.
Luo Changping, stellvertretender Chefredakteur des Wirtschaftsmagazins
[2][Caijing], hatte im vergangenen Dezember in seinem Blog über
Machtmissbrauch und Korruption berichtet und Liu Tienan in diesem
Zusammenhang namentlich genannt. Blogger Luo warf dem Parteifunktionär vor,
lukrative Geschäfte von Familienmitgliedern qua Amt gefördert und sich auch
selbst bereichert zu haben.
Die Nationale Kommission für Reform und Entwicklung, deren Vizechef Liu
war, ist eines der wichtigsten Ministerien der Volksrepublik. Sie
entscheidet über alle großen Industrie- und Infrastrukturprojekte in dem
riesigen Land. Und Liu stand auch der Nationalen Energiebehörde vor.
## Brisantes lieber im Blog
Das Interessante an der Enthüllung: Luo veröffentlichte sie nicht in der
Printausgabe des Wirtschaftsmagazins, dem er vorsteht. Er schrieb darüber
in seinem Privatblog. Dabei ist Caijing eine der wenigen Zeitschriften, die
nicht in staatlicher Hand sind und damit der Zensur weniger ausgesetzt als
die staatlichen Zeitungen und Magazine.
Den Wirtschaftstiteln hat die chinesische Führung vor einigen Jahren mehr
Freiraum gegeben, um Korruption aufzudecken. Genau darauf hat sich Caijing
auch spezialisiert. Doch die Verfehlungen eines Spitzenfunktionärs
aufzugreifen – das war auch Caijing offensichtlich zu heikel. Der
stellvertretende Chefredakteur Luo zog seinen Blog vor.
Journalisten in China wissen häufig mehr, als sie in den staatlich
kontrollierten Medien schreiben dürfen. Das Mitteilungsbedürfnis ist
dennoch hoch. Selbst Mitarbeiter der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua
geben die von ihnen recherchierten Informationen oft bereitwillig an
ausländische Journalisten weiter.
Vieles davon wird inzwischen jedoch mittlerweile auch gebloggt. Denn ehe
die Zensur die Einträge gelöscht hat, sind sie auf Plattformen wie etwa dem
chinesischen Twitter-Pendant Sina Weibo bereits weitergereicht worden.
## Angst vor Bestrafung
Wirkliche Folgen aus der Korruptionsaufdeckung übers Internet gab es
bislang jedoch nur für lokale Parteisekretäre oder kleinere Beamte.
Spitzenfunktionäre betraf es nicht. Und wenn es zu Enthüllungen im Netz
kam, verpufften sie. Zu groß schien die Gefahr, der Zentralregierung könnte
die Aufdeckung von Skandalen in den eigenen Reihen dann doch zu weit gehen,
und sie könnte die Blogger bestrafen statt der korrupten Funktionäre.
Das scheint sich nun zu ändern. Nach diversen Skandalen im vergangenen Jahr
hat Chinas seit März amtierender Staatspräsident Xi Jinping die
Korruptionsbekämpfung zur Chefsache erklärt. Dass dem nun zum ersten Mal
ein so hohes Parteimitglied zum Opfer fällt, signalisiert: Anders als seine
Vorgänger nimmt Xi Blogger ernst.
16 May 2013
## LINKS
[1] /Wirtschaftsplaner-in-China-entlassen/!116205/
[2] http://english.caijing.com.cn/
## AUTOREN
Felix Lee
## TAGS
China
Blogger
Netzpolitik
Zensur
Schwerpunkt Pressefreiheit
China
Blog
Journalist
China
Schwerpunkt Korruption
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den Fall gebloggt.
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