# taz.de -- Sprachtests für PflegerInnen: Dekubitus statt Grimms Märchen | |
> Bayern senkt die sprachlichen Hürden für PflegerInnen aus dem Ausland. | |
> Sie dürfen als Fachkräfte anfangen – auch wenn sie noch nicht fließend | |
> Deutsch sprechen. | |
Bild: Neben der Arbeit Deutsch büffeln: nach einem halben Jahr muss ein Sprach… | |
BERLIN taz | Im Seniorenstift Entenbach in München werden die Pflegerinnen | |
von den fitteren Patientinnen mitunter in der Heimatsprache begrüßt: „Dobar | |
dan“ (Guten Tag) schallt es ihnen am Morgen auf kroatisch entgegen oder | |
auch „Buna seara“ (Guten Abend) auf rumänisch zu später Stunde. Es ist ein | |
Scherz zwischen Bewohnerinnen und dem ausländischen Personal: Den Spieß mal | |
umdrehen. Denn normalerweise büffeln die Pflegerinnen deutsche Vokabeln, um | |
sich zurecht zu finden. | |
Bayern will die sprachlichen Hürden für examiniertes Pflegepersonal aus dem | |
Ausland jetzt absenken, um mehr Fachkräfte in die örtlichen Pflegeheime und | |
Krankenhäuser zu holen. Ausländische Krankenschwestern können dann sofort | |
in Kliniken und Heimen als Fachkraft anfangen, auch wenn sie sich noch | |
nicht fließend auf Deutsch verständigen können. „Pflegekräfte mit einer | |
hohen Qualifikation profitieren durch diese Möglichkeit angemessener | |
Beschäftigung von Anfang an“, erklärt ein Sprecher des Bayerischen | |
Arbeitsministeriums. | |
Bisher fingen gelernte Krankenschwestern aus Rumänien oder Tschechien in | |
Bayern oftmals als Hilfskräfte auf den Stationen an, weil sie das | |
geforderte Sprachzertifikat mit dem „B2-Level“ nicht vorweisen konnten. | |
Dieses Niveau setzt eine fließende Verständigung voraus. Berufsbegleitend | |
lernten die Hilfspflegerinnen dann Deutsch. Erst nachdem sie einen | |
Sprachtest auf „B2“-Niveau bestanden hatten, konnten sie auch als | |
examinierte Pflegerinnen etwa Wunden versorgen und Spritzen geben und | |
rückten damit in eine höhere Gehaltsgruppe auf. | |
Nach der neuen Regelung, die ähnlich auch schon in einigen anderen | |
Bundesländern gilt, fangen die Krankenschwestern gleich als Fachkräfte an. | |
Sie müssen allerdings den B2-Test spätestens nach einem halben Jahr | |
ablegen. Diese Zeit sei zu knapp, rügt Joachim Görtz, Leiter der | |
Landesgeschäftsstelle Bayerns im Pflegeverband bpa. „Nicht jeder wird es | |
schaffen, die notwendigen sprachlichen Fortschritte in vollem Umfang zu | |
erreichen.“ | |
## „Für den Alltag irrelevant“ | |
Görtz bemängelt zudem, dass die Sprachtests, die man etwa im | |
Goethe-Institut ablegen kann, zuwenig auf die berufliche Situation | |
zugeschnitten seien. So werden beispielsweise in einer Prüfungsaufgabe | |
Fragen zur Biographie der Gebrüder Grimm gestellt. „Grimm ist für den | |
Pflegealltag irrelevant“, so Görtz, „die Pflegerinnen müssen eher wissen, | |
was Sturzprophylaxe bedeutet und Dekubitus 1. Grades“. | |
Manche der Fachkräfte bringen das „B2-Zertifikat“ schon aus dem Heimatland | |
mit und haben die Prüfung bei einem dortigen Sprachinstitut absolviert. | |
Dies machen vor allem Ärzte aus dem Ausland, denn sie bekommen ohne | |
B2-Zertifikat in Deutschland keine Approbation. | |
„Die Latte bei den Sprachinstituten hängt allerdings unterschiedlich hoch“, | |
sagt Benjamin Kühn, dessen Agentur „medaf“ in Göttingen einen | |
online-Sprachtest für medizinisches Personal entwickelt hat. Kühn hat den | |
Fall eines Arztes erlebt, der zwar einen B2-Test bestanden, aber trotzdem | |
in der deutschen Klinik noch vor Ablauf der Probezeit wieder weggeschickt | |
wurde, weil er sich mit den Patienten nicht ausreichend verständigen | |
konnte. | |
## „Ein großes Geschäft“ | |
Einige Krankenschwestern bewarben sich mit sogenannten A2-Zertifikaten von | |
polnischen Sprachschulen, die zwar ein geringeres Niveau als B2 haben, aber | |
immerhin eine Kommunikationsfähigkeit belegen sollten. Anhand von Kühns | |
online-Sprachtest stellte die betreuende Personalagentur jedoch schon aus | |
der Ferne fest, dass ihr Deutsch in keinem Fall ausreichte. | |
„Die Sprachschulung und die Zertifikate sind in diesen Ländern auch ein | |
großes Geschäft“, sagt Kühn. Auch er sieht die allgemeinsprachliche | |
B2-Zertifizierung kritisch, schließlich bräuchten die Ärzte und | |
PflegerInnen Fachvokabular in allen Varianten. „Man muss als Arzt schon | |
wissen, dass man einen Mutterkuchen nicht in der Bäckerei kauft“, sagt | |
Kühn. | |
Sprecherin Michaela Krem von der Regierung von Oberbayern weiß aber auch | |
von Arbeitgebern, die bei der Approbationsbehörde darum baten, „auf den | |
Nachweis eines B2-Zertifikats zu verzichten, da sie die Sprachkenntnisse | |
des Arztes oder der Ärztin für ausreichend halten“. | |
20 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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