| # taz.de -- Kolumne Pressschlag: Fußball-Liebe macht blind | |
| > Hierzulande ist der Fußball alles. Im Mutterland des Sports ist er | |
| > dagegen, das zeigte das deutsche Finale von Wembley, immer noch eine | |
| > Nebensache. | |
| Bild: Der Lieblingssport der Deutschen zieht nicht immer Massen an. Oma, Opa un… | |
| Die Deutschen haben es der Welt gezeigt. Der beste Fußball der Welt ist | |
| made in Germany. Auch in England staunt man über die Bundesliga, über die | |
| Leistungszentren in Deutschland, aus denen immer wieder die Talente in die | |
| Profimannschaften gespült werden. Man staunt über die 50+1-Regel, die dafür | |
| sorgt, dass selbst die profitorientierten Kommerzklubs immer noch von den | |
| guten oder weniger guten alten Vereinen regiert werden, weil Investoren | |
| nicht die Mehrheit der Stimmrechte besitzen dürfen. | |
| Man staunt in England, dem Traumland deutscher Fußballsehnsucht, auch über | |
| die Fankultur, die noch auf Stehplätzen zelebriert wird und derart | |
| ansteckend auch auf Sitzplatzkunden wirkt, dass das Wembey-Stadion am | |
| Samstag einen Sangeswettstreit erlebte, der seinesgleichen sucht in der | |
| Fußballgeschichte. | |
| Man wundert sich aber auch in England über den Fußballwahnsinn, der da auf | |
| die Insel hinübergeschwappt ist. Die Deutschen haben auch im Fußballfeiern | |
| neue Maßstäbe gesetzt. Lederhose und Liebe: über 50.000 Fans hatten sich | |
| ohne Karten auf den Weg nach London gemacht. Warum eigentlich? Und warum | |
| wurden in Dortmund und München riesige Fanareale gefüllt mit in | |
| Vereinsfarben gekleideten Menschen? | |
| Der Fußballwahnsinn ist zur Massenkrankheit in Deutschland geworden. | |
| Jahrelang haben sich Intellektuelle nicht getraut, zuzugeben, dass sie | |
| Fußballfans sind. Heute stellt sich ins gesellschaftliche Abseits, wer | |
| zugibt, dass er sich nicht für Fußball interessiert. | |
| Wie wohltuend ist da ein Ausflug nach England. Dort war das Finale das, was | |
| der Fußball auch in Deutschland einmal war: eine Nebensache. Die heimliche | |
| Hasshoffnung vieler Deutschen auf deutschenfeindliche Berichterstattung | |
| angesichts des deutschen Finales wurde nicht erfüllt. Es war eben doch nur | |
| ein Fußballspiel, das da in Wembley ausgetragen wurde. „Ich interessiere | |
| mich eher für Cricket“, sagt ein älterer Herr, auf dessen Fernseher zwei | |
| Tage lang der Test der englischen Auswahl gegen Neuseeland lief. In England | |
| gibt es tatsächlich noch andere Sportarten. In Deutschland gibt es nur | |
| Fußball, Fußball, Fußball und im Winter ein bisserl Biathlon. | |
| ## Merkel drückt auch Steuerhinterziehern die Hand | |
| Natürlich war auch die Bundeskanzlerin in London zugegen. Niemand weiß, ob | |
| es stimmt, wenn Angela Merkel (CDU) behauptet, dass sie Fußballfan ist. | |
| Aber jeder weiß, dass es bescheuert von ihr wäre, das nicht zu behaupten. | |
| Wenn Fußball ist, dann drückt die deutsche Kanzlerin auch einem die Hand, | |
| der den deutschen Staat um mehrere Millionen Euro beschissen hat. | |
| Dieser Staat gibt sich gerne selbst auf, wenn es um den Fußball geht. 2008 | |
| beschlossen die Finanzminister der Länder, bei internationalen | |
| Vereinswettbewerben auf die Besteuerung der Einkünfte zu verzichten. Der | |
| Fußball hatte die Politik erpresst: Wenn wir weiter Steuern zahlen müssen, | |
| dann wird so schnell kein internationales Finale mehr in Deutschland | |
| stattfinden. Die Erpressung hat funktioniert. Der Lohn: Ein Uefa-Cup-Finale | |
| 2010 in Hamburg, die Champions-League-Endspiele in München 2012 und Berlin | |
| 2015. Es geht ja um den Fußball, die große deutsche Liebe. Die hat längst | |
| blind gemacht. | |
| Die Tage von London haben gezeigt, dass es auch einen normalen Umgang mit | |
| dem Fußball geben kann. Am Montag findet das nächste große Spiel im | |
| Wembley-Stadion statt. Crystal Palace spielt gegen den FC Watford um den | |
| Aufstieg in die Premier League. Für englische Fußballfans ist das ein | |
| großes Spiel, für England kein Thema. Gut so. | |
| 26 May 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Rüttenauer | |
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