# taz.de -- Präsidentschaftskandidaten im Iran: Ratlos vor den Wahlen | |
> Nach dem Ausschluss zahlreicher Kandidaten bleibt Reformern nur der Weg | |
> des Boykotts. Die Sicherheitskräfte sind schon in Alarmbereitschaft. | |
Bild: Revolutionsführer Chamenei inmitten von Revolutionsgardisten. | |
BERLIN taz | Nach der massiven Disqualifizierung zahlreicher Kandidaten für | |
die Präsidentschaftswahl am 14. Juni herrscht im Iran eine gespenstische | |
Atmosphäre. Alle fragen sich, wie es weitergehen soll. Viele hatten ihre | |
Hoffnungen auf Expräsident Haschemi Rafsandschani gesetzt, der zwar als | |
korrupt, machtbesessen und brutal, aber doch als pragmatischer Macher gilt. | |
Vor allem der Mittelstand hatte die Hoffnung, Rafsandschani werde die | |
Wirtschaft ankurbeln, im Atomkonflikt Kompromisse eingehen und damit die | |
Sanktionen beenden. | |
Einer nicht veröffentlichten, aber durchgesickerten Umfrage des | |
Informationsministeriums zufolge hätte Rafsandschani im Falle seiner | |
Kandidatur bis zu 75 Prozent der Stimmen für sich buchen können. Dies habe, | |
vermuten politische Beobachter, den Ausschlag für Rafsandschanis Ablehnung | |
gegeben. | |
Denn gestützt auf eine starke Rückendeckung, hätte er Vollmachten verlangt, | |
die für Revolutionsführer Ali Chamenei erhebliche Einschnitte in seine | |
Befugnisse bedeutet hätten. Chamenei aber will kein Stück seiner Macht | |
abgeben. Er will den bisherigen radikalen, ideologisch verbrämten Weg um | |
jeden Preis fortsetzen, auch um den eines Krieges. | |
## Der Revolutionsführer will keine starken Präsidenten | |
Aus demselben Grund wurde der Wunschkandidat von Präsident Mahmud | |
Ahmadinedschads, Rahim Maschai, abgelehnt. Auch Maschai hätte als Präsident | |
die Position Chameneis gefährden können. Denn er propagiert den | |
Nationalismus und einen vermeintlich modernen, mit der alten iranischen | |
Kultur verschmolzenen Islam, der sich gegen die konservative Geistlichkeit | |
richtet. | |
Rafsandschani sagte zu seiner Ablehnung, er habe genau gewusst, dass es | |
besser gewesen wäre, wenn er nicht kandidiert hätte. Denn „niemand kennt | |
diese Leute besser als ich. Was mich dennoch quält, ist, dass sie nicht | |
wissen, was sie tun“. | |
Sechs der acht zugelassenen Kandidaten gehören der treuen Gefolgschaft | |
Chameneis an, keiner von ihnen hat ausreichende Kenntnisse über Wirtschaft. | |
Alle sechs sind zu schwach, um nach einem Wahlsieg auf abwegige Gedanken zu | |
kommen. | |
## Reformer spricht vom Raub der freien Wahlen | |
Die letzten beiden Kandidaten, Mohammed Resa Aref und Hasan Rohani, die | |
zwischen den Konservativen und Reformern stehen, haben keine Chance, | |
gewählt zu werden. Im Gegensatz zu Aref ist Rohani für das Amt des | |
Präsidenten qualifiziert. Er gehört dem Kreis um Rafsandschani an und war | |
früher Chefunterhändler im Atomkonflikt. Ihm wird aber vorgeworfen, zu sehr | |
zu Zugeständnissen an den Westen bereit zu sein. | |
Aber die Wahlen werden auch dieses Mal so manipuliert werden, dass der | |
Wunschkandidat Chameneis als Sieger hervorgeht. Das Einzige, was die Clique | |
um ihn befürchtet, ist, dass die Wahlbeteiligung beschämend gering | |
ausfällt. Tatsächlich fragen sich viele, warum sie noch wählen sollen, wenn | |
die Wahl bereits entschieden ist. | |
Der führende Reformer Mostafa Tadschsadeh, der seit den Unruhen von 2009 | |
wie zahlreiche seiner Weggefährten im Gefängnis sitzt, schrieb, der | |
absolute Herrscher habe „die freien Wahlen geraubt. Wir haben keine andere | |
Wahl, als die Wahlen zu boykottieren.“ | |
## Die soziale Lage ist destaströs | |
Doch die Wähler warten auf Veränderungen. Der Alltag wird zunehmend | |
unerträglicher. Die rapide Teuerung, das Fehlen von bestimmten Gütern, vor | |
allem von Medikamenten, die sich ausbreitende Arbeitslosigkeit, die Angst | |
vor einem Krieg und nun dieses Desaster bei den Wahlen bringen sie schier | |
zur Verzweiflung. Sie warten, dass etwas geschieht, hoffen auf ein Wunder. | |
Wird Ahmadinedschad auf den niederschmetternden Schlag reagieren? Wird er, | |
wie oft angekündigt, geheime Unterlagen über Korruption, Verbrechen und | |
unlautere Machenschaften der Leute um Chamenei offenlegen? Wird es zu | |
größeren Unruhen kommen? Die Sicherheitskräfte und Revolutionswächter | |
stehen jetzt schon in Alarmbereitschaft. | |
29 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Bahman Nirumand | |
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