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# taz.de -- Kolumne Wortklauberei: 9.21 Uhr – heute schon gefeiert?
> Der E-Mail-Newsletter von Hurtigruten stellt seltsame Fragen. Gegenfrage:
> Habt ihr „tierisch“ den kompletten Vollvogel?
Bild: „Tierisch“: Hase im Deutschen Hasenmuseum
„Heute schon gefeiert?“, fragt, so scheint es, allen Ernstes der
E-Mail-Newsletter von Hurtigruten am Mittwochmorgen um 9.21 Uhr. Ja, aber
sicherlich hab ich heute schon ausgiebig gefeiert. Wir sind schon am Boden
herumgekugelt vor Lachen, es gab Ringelpiez mit Anfassen und Bowle mit
Ananas und dazu einen Bommerlunder, weil: Was soll der Geiz?, und am Ende
eine Scharade, bevor wir kraftlos in die Kissen sanken.
Gegenfrage: Habt ihr den kompletten Vollvogel? Erstens mal, Hurtigruten:
Danke für die Infomail. Aber wenn ich mir bei nordischem Sauwetter den
Arsch abfrieren will, dann kann ich das auch sehr preisgünstig und, ohne
mich größerem Reisestress auszusetzen, an einem ganz normalen bayerischen
Frühlingstag tun.
Von Postbooten, ganz zu schweigen vom Postboten, hab ich auch heute schon
wieder den Kanal respektive den Flur voll – seit in aller Früh schon wieder
so ein Kurier des Zaren acht Kubikmeter Päckchen für die Nachbarn bei uns
hinterlegt hat. Und außerdem fragt man Leute, die man gar nicht kennt –
gut, außer man ist anstandsamputierter Talkmoderator im deutschen Fernsehen
– keine bescheuerten Sachen einfach so aus dem Stegreif.
Denn es könnte zum Beispiel sein, dass die Leute momentan gar nicht so viel
zum Feiern kommen oder gar nicht so viel zu feiern haben. Und dass sie
deswegen zur Steigerung ihres Wohlbefindens vielleicht nicht schon zwingend
in aller Herrgottsfrüh mit der Wahrnehmung konfrontiert werden müssen, dass
sie, wenn es nach dem Lebensgefühl von irgendwelchen hedonistischen
norwegischen Postboot-Heinis ginge, heute schon „tierisch“ einen abgefeiert
haben könnten, wenn sie nicht solche Depri-Trantüten mit
Zeitmanagementproblemen wären.
Da rückt diese Frage „Heute schon gefeiert?“ ganz schnell auf in eine
Preisklasse mit der allseits beliebten Aufforderung „Lach doch mal!“ und
natürlich dem unsterblichen Morgengruß von Terence Hill als Nobody: „Siehst
gut aus, Locke. Heute schon gekotzt?
## „Tierisch“ geht einfach nicht mehr
Eins noch zu „tierisch“. Das Wort „tierisch“, adverbial benutzt, das ge…
einfach nicht mehr. Das ist weder zeitgemäß noch auch nur mit einem Hauch
von Originalität behaftet, wenn heute irgendwo einem Typen vom einem, keine
Ahnung, Langnasenmakaken das Leben gerettet wird, und dann steht in der
Zeitung, dass der Typ „tierisch Glück gehabt“ hat. Oder wenn’s im Prospe…
heißt, dass es im Zoo „tierisch viel zu sehen“ gibt.
Ich bitte alle Verantwortlichen, von der weiteren Verwendung dieses Adverbs
abzusehen. Aber was helfen meine Aufrufe – der Reporter Steffen Simon sagt
ja auch immer noch unbeirrt „erster Durchgang“ zu einer ersten Halbzeit
eines Fußballspiels, was klarerweise eine Narretei ist.
Jetzt seh ich grad, da steht ganz unten in der Hurtigrutenmail: „Falls
Ihnen dieser Newsletter nicht korrekt angezeigt wird, klicken Sie bitte
hier“. Da schau her. Vielleicht wurde der Newsletter nur nicht korrekt
angezeigt, und da sollte eigentlich stehen: „Heute schon wieder mit dem
linken Fuß zuerst aufgestanden?“ Dann Entschuldigung.
29 May 2013
## AUTOREN
Josef Winkler
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