| # taz.de -- Kolumne Wortklauberei: Floskelei zum Frühstücksei | |
| > Wenn mal wieder „die Emotionen hochkochen“, würde „ein bisschen | |
| > Gelassenheit uns allen gut tun“. Für alle weiteren Fälle helfen dicke | |
| > Anführungszeichen. | |
| Bild: „Ich freu mich auf das Programm und die gute Laune vor allem.“ | |
| Haben sie heute schon einen emotionalen Moment gehabt oder gar erlebt? | |
| Vorhin, beim Frühstücksei, das gar so perfekt gelungen war, nicht zu hart | |
| und nicht zu weich, wobei natürlich jeder für sich wissen muss, was ihm zu | |
| hart und was zu weich ist, das ist quasi individuell, und weil ja | |
| bekanntlich kein Ei dem anderen gleicht, spielt auch noch der Zufall und – | |
| huch! – die Natur mit rein, und dann ist es freilich umso erhebender, | |
| wenn’s dann genau passt – ist es da emotional geworden bei Ihnen am | |
| Esstisch? | |
| Gut, klar, früher hätte man sich halt gefreut über das wohlgeratene | |
| Frühstücksei. Aber das reicht irgendwie nicht mehr. Man „wird“ jetzt immer | |
| öfter „emotional“, wenn was gut – oder, das ist das Praktische, auch mal | |
| schlecht – läuft, und wenn ein Fußballspiel gewonnen resp. verloren wurde, | |
| dann wird am nächsten Tag berichtet, „es“ sei gestern Abend noch „sehr | |
| emotional geworden“. | |
| Gerade lief im Radio ein Beitrag über ein Konzert der Popsängerin Zaz am | |
| Vorabend irgendwo im Niederbayerischen, und der Korrespondent begann seinen | |
| Bericht mit der packenden Schilderung der Stimmung „vor Ort“: „Schon im | |
| Vorfeld waren beim Publikum die Emotionen groß.“ | |
| Ein paar O-Töne illustrierten sogleich die überbordende Gefühlswallungen | |
| „im Vorfeld“ (auch schön) des Mittelklassepopevents: „Ich freu mich auf … | |
| Programm und die gute Laune vor allem.“ – „Das Ganze bei trockenem Wetter, | |
| eine tolle Sache.“ Es wäre nachzuprüfen, wie viel Emotion im Spiel ist, | |
| wenn jemand etwas für eine „tolle Sache“ befindet; der Niederbayer hat da | |
| vielleicht etwas andere Maßstäbe. | |
| Gleichwohl ist das doch komisch, oder? Sie und ich, wir zwei kämen | |
| natürlich nie auf die Idee, so eine abgelutschte Floskel in den Mund zu | |
| nehmen, und wenn, klar, dann nur ironisch mehrfachgebrochen mit dicken | |
| Anführungszeichen in der Betonung oder gar in die Luft gemalt. Warum? Weil | |
| wir nämlich eine Qualitätskontrolle haben beim Reden, so schaut’s aus! Nur | |
| die anderen und die Medien – vor allem diese Medien – scheinen da auf | |
| Durchzug geschaltet zu haben. | |
| Aber Hand aufs Herz, haben Sie sich nicht auch schon mal dahingehend | |
| geäußert, „der Wettergott“ (Waaah!) sei Ihnen bei ihrer letzten | |
| Vereinsgrillfeier nicht gewogen gewesen? Und für die diesjährige sei zwar | |
| auch wieder eine Regenwahrscheinlichkeit von „gepflegten“ 99,4 Prozent | |
| gemeldet, aber „die Hoffnung stirbt zuletzt“? (Aaaargh!) | |
| Und wenn, dann wird halt der Friesennerz ausgepackt, denn ja, das ist | |
| wichtig: dass man „sich selbst nicht allzu ernst nimmt“. Jedenfalls bloß | |
| nicht ärgern oder gar emotional werden, denn: „Ein bisschen Gelassenheit | |
| würde uns allen gut tun.“ | |
| Wie? Sie sagen, wer vorgibt, eine Gefühligkeit für Schwachgelaber zu haben, | |
| würde auch nie und nimmer „gar so perfekt“ schreiben, weil er natürlich | |
| wüsste, dass perfekt nicht steigerbar ist? Und dass man statt „natürlich“ | |
| natürlich „selbstverständlich“ sagt? Und „immer öfter“ geht auch gar… | |
| – und „geht gar nicht“ schon überhaupt gar nicht? Stimmt. Bevor sich hier | |
| noch mehr Fehlerteufel einschleichen (Brrrrr!), hör ich lieber mal auf. | |
| 27 Jun 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Josef Winkler | |
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