| # taz.de -- Kolumne Wortklauberei: Wer den Hirnschaden hat … | |
| > Gibt es eine richtige Moderation im Falschen? Gedanken über Sonja Zietlow | |
| > und diesen Typ mit dem Dreitagebart und der „frech“ verrubbelten | |
| > Hornbrillenfrisur. | |
| PÄNG! Silvester ist schon eine Zeit lang her. An einem Dienstagvormittag um | |
| halb elf latscht ein erwachsener Mann, Typ Erkan und/oder Stefan, an der | |
| Seite einer älteren Dame im Anorak, schätzungsweise die Frau Mutter, | |
| langsam die Straße hinauf und wirft – PÄNG! – im Gehen pausenlos Böller | |
| neben sich auf das Trottoir und in die Hauseingänge, wo sie mit speziell um | |
| diese Tageszeit höchst irritierender Lautstärke explodieren. | |
| PÄNG! Ich frage den Mann über die Straße hinweg, ob er sich vorstellen | |
| könne, zeitnah mit dem Scheiß aufzuhören, er erwidert etwas in der | |
| Richtung, ich Spacken solle ihn in Ruhe lassen, worauf ich vorschlage, er | |
| möge respektive im Gegenzug mich in Ruhe lassen mit seinem debilen | |
| Geböller. Zur Antwort lässt er noch zwei fahren, PÄNG! PÄNG! | |
| Ich hake – aus schierem Interesse, ich interessiere mich einfach für | |
| Menschen – nach, ob er vielleicht einen Hirnschaden habe, worauf er mir | |
| bescheidet, ich könne „ja herkommen“, was freilich keine befriedigende | |
| Antwort auf meine doch präzise formulierte Frage darstellt. Gleichwohl will | |
| ich nicht tiefer in ihn dringen; mit einem unverbindlichen „Leck mich | |
| doch!“ wünsche ich ihm einen erfolgreichen Tag, und stumpf vor sich hin | |
| böllernd verschwindet das Paar langsam am Horizont. PÄNG! | |
| Es sind funkensprühende Dialoge wie dieser, die nur das Leben schreibt und | |
| die dem Alltag jene Würze verleihen, für die andere mühsam und im Schweiße | |
| ihres Arschgesichts Dschungelcamp glotzen müssen. Zuletzt las ich gleich an | |
| mehreren Stellen feuilletonistische Anmerkungen dahingehend, man könne ja | |
| von jener eklen Promiverheize halten, was man wolle, aber die Dialoge des | |
| Moderatorenduos Sonja Zietlow und diesem anderen Typ seien für diese Art | |
| des widerwärtigen Verrohungsentertainments ja doch hübsch pfiffig und | |
| doppelbödig „gescripted“, wenn auch nicht mehr ganz so hinreißend wie zu | |
| Zeiten des seligen Dirk Bach. | |
| Das machte mich stutzig. Ich stutzte dreimal. War ich doch in früheren | |
| Jahren ein paar Mal zappend an Dschungelmoderationsblocks hängen geblieben | |
| und erinnere mich nur an hämisch-menschenverachtendes Mistgeschwätz auf | |
| Mobbingattackenniveau mit dem humoristischen Gehalt eines | |
| Schulhofzickenkränzchens, dem, so mutmaßte ich, nur geistig-moralisch | |
| Minderbemittelte eine unterhaltsame oder gar erheiternde Komponente würden | |
| abgewinnen können. | |
| Hatte ich alles falsch verstanden oder in der Zwischenzeit was verpasst? | |
| Und konnte es das überhaupt geben: eine richtige Moderation im Falschen? So | |
| hielt ich inne, als ich am Wochenende spätnachts zufällig am Dschungel | |
| vorbeikam. Und da saßen die Zietlow und dieser Typ mit dem Dreitagebart und | |
| der „frech“ verrubbelten Hornbrillenfrisur, und seitdem bin ich nicht mehr | |
| sicher, ob wir nicht vielleicht alle miteinander einen Hirnschaden haben. | |
| Jedenfalls gut zu wissen, dass dafür nicht mein Rundfunkbeitrag draufgeht. | |
| Der fließt stattdessen in „Das Ernste“. Haben Sie's gesehen, wie die | |
| Pilotfolge des neuen ARD-Humorformats einmal mehr die bange alte Frage | |
| aufwarf: Was darf Satire? Darf sie zum Beispiel so wahnsinnig beschissen | |
| sein? | |
| 24 Jan 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Josef Winkler | |
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