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# taz.de -- Prozess gegen Pfarrer Lothar König: Video belegt Polizeigewalt
> Filmaufnahmen zeigen die Brutalität der Ordnungskräfte in Dresden. Dies
> lässt die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen Pfarrer Lothar König
> weiter zerbröckeln.
Bild: Sympathiebekundungen vor dem Dresdner Amtsgericht.
DRESDEN taz | Bis zu vier Jahre Haft drohen Lothar König, sollte er
verurteilt werden. Das ist die längste Strafe, die das Amtsgericht Dresden
verhängen kann. Die Vorwürfe sind also schwerwiegend. Aber die
Anklageschrift ist an vielen Stellen ziemlich vage gehalten.
Laut Staatsanwaltschaft Dresden ist der Jenaer Stadtjugendpfarrer zwar
irgendwie verantwortlich dafür, dass es am 19. Februar 2011 in Dresden
Nazi-Gegner Polizeisperren durchbrochen haben sowie Steine und Flaschen auf
Polizisten geworfen haben. [1][Was ihm genau vorgeworfen wird, wird nicht
immer deutlich].
In einigen Punkten wird die Staatsanwaltschaft aber sehr konkret. So soll
König versucht haben, einem Steinewerfer bei der Flucht vor der Polizei zu
helfen. Die Szene, in der Anklageschrift die letzte Tat, Ziffer 5.2,
spielte sich am Nachmittag jenes Samstages vor mehr als zwei Jahren ab. Der
junge Mann rannte auf Königs Lautsprecher-VW-Bus zu, sprang auf und fuhr
außen auf dem Trittbrett mit. Polizisten liefen hinter dem Auto her. Laut
Staatsanwaltschaft versuchten zwei von ihnen, den Flüchtenden aus dem
Fahrzeug zu ziehen.
König habe das mitbekommen und sei trotzdem weiter gefahren, heißt es in
der Anklageschrift, „wissend, dass er ihm dadurch zur Flucht verhelfen
kann“. Den Polizeibeamten sei es dann „mit vereinten Kräften“ gelungen, …
aus dem „fahrenden PKW VW T4 herauszuziehen und vorläufig festzunehmen“. Er
wurde inzwischen zu einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt.
Königs Verteidiger Johannes Eisenberg argumentiert: Hätte König ihm
wirklich zur Flucht verhelfen wollen, hätte er einfach Gas geben müssen. Er
fuhr aber so langsam weiter, dass die Polizisten das Auto zu Fuß einholen
konnten. Als Zeuge der Anklage tritt am Mittwochnachmittag Bert E. auf, er
war damals als Führer einer Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit im
Einsatz. Er war der Vorgesetzte der beiden Bereitschaftspolizisten, die den
Steinewerfer festnahmen. Zum Gerichtstermin kommt der 38-Jährige im
schwarzen Jackett und Krawatte.
## Keine Erinnerung an Schlagstöcke
Er habe die Situation damals gut beobachten können, berichtet er. Er sei ja
wenige Meter hinter den Kollegen her gerannt. Ob die beiden Beamten
Schlagstücke in der Hand hatten, daran könne er sich nicht erinnern. Er
habe nicht darauf geachtet. Helme hätten Sie aufgehabt, das habe er
gesehen.
Ob er gehört habe, dass die Person, die festgenommen werden sollte, von den
Polizisten angesprochen wurde, fragt Anwalt Eisenberg. Der Polizist bejaht,
er wisse nicht, welche Worte gefallen seien. Ob er die Ansage selbst gehört
habe, will Eisenberg wissen. „Es hat auf jeden Fall Ansagen gegeben“, sagt
E. „Aber an den genauen Wortlaut kann ich mich nicht erinnern.“
Nach mehrmaligem Nachhaken zieht sich der Polizist dann auf die Aussage
zurück, dass er sich sicher sei, dass seine Kollegen natürlich eine Person
zunächst ansprächen, bevor sie sie festnehmen. Die Verteidigung hat als
Beweismittel ein Video in den Prozess eingebracht, das vom Dach des
VW-Busses aufgenommen wurde.
Zwei Polizisten in voller Montur rennen dem blauen VW-Bus hinterher und
holen ihn bald ein. Einer der Polizisten schlägt dem jungen Mann mehrfach
mit dem Schlagstock auf Kopf und Rücken, bis er vom fahrenden Auto auf die
Straße fällt. Ein Raunen geht durch den Gerichtssaal, ein paar Zuschauer
schreien erschrocken auf.
Königs Verteidiger fragt den Zeugen: „War das die Festnahme, die Sie
gesehen haben?“
Zeuge: „Ja.“
Verteidiger: „Haben Sie einen Schlagstock gesehen?“
Zeuge: „Habe ich damals nicht wahrgenommen.“
Verteidiger: „Haben Sie eine Ansprache gehört?“
Zeuge: „Die war akustisch nicht wahrnehmbar.“
Verteidiger: „Haben Sie eine gehört?“
Zeuge: „Ich habe nichts gehört.“
Es kommt zu einem lauten Wortgefecht zwischen dem Anwalt und dem
Polizisten. Die Verhandlung wird unterbrochen. Vor dem Saal bietet
Eisenberg dem Polizisten an, das Video zur Verfügung zu stellen. Zu
Schulungszwecken. Schon am Mittwoch hatte die Verteidigung die Dresdner
Staatsanwaltschaft vorgeführt, deren Anklage von Verhandlungstag zu
Verhandlungstag weiter zerbröckelt. Richter Ullrich Stein musste zugeben:
„Das war sehr aufschlussreich, was Sie uns da gezeigt haben.“
Denn die Videos geben ein völlig anderes Bild wieder als das, was die
Polizisten aussagten. Weder belegen Sie die angebliche Aufforderung „Deckt
die Bullen mit Steinen ein!“ noch ist die große gewaltbereite Menschenmenge
zu erkennen, von der die Polizisten sprachen. Auch geben Sie eine plausible
Erklärung, warum König in einer Situation mit seinem VW-Bus gebremst hat
und leicht nach links zog: Er wich einer Person aus, die auf die Straße
lief. Die Polizisten hatten behauptet, König habe eines ihrer Fahrzeuge
ausbremsen wollen. Die Person hat [2][angeblich keiner der Polizisten
bemerkt].
## Keine Verhandlungsgrundlage mehr
Königs Verteidiger stellten im Prozess schon die Frage, wieso überhaupt
noch verhandelt wird. Klar ist: der Prozess wird länger dauern als geplant.
Der Termin am heutigen Donnerstag wurde abgesagt und vier weitere
Prozesstage sind dann angesetzt. Nächster Termin ist der 20. Juni, am 5.
Juli soll das Urteil gefällt werden.
Der Angeklagte Lothar König selbst verfolgt das Geschehen im Gerichtssaal
zusehend genervt. Was er persönlich empfinde, sei gar nicht so wichtig,
sagt er. „Ich mache mir Sorgen um die, die demonstrieren und kein
Videomaterial haben, das sie entlastet.“
30 May 2013
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## AUTOREN
Sebastian Erb
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Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
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