| # taz.de -- Roman „Türkischer Honig“: Ein moderner Klassiker | |
| > Als Jan Wolkers’ Roman „Türkischer Honig“ 1969 erschien, löste er ein… | |
| > Skandal aus. Nun gibt es eine Neuübersetzung. | |
| Bild: Hier in der essbaren Variante: türkischer Honig. | |
| Erik lernt Olga beim Trampen kennen. Der mittellose Bildhauer steht | |
| irgendwo bei Roermond an der Straße und streckt den Daumen raus; sie hält | |
| an und nimmt ihn mit. Die beiden sind sich sympathisch, und so schlägt Erik | |
| vor, „an den Straßenrand zu fahren, um zu vögeln“. | |
| Die beiden kennen sich gerade mal sieben Seiten lang, da haben seine Finger | |
| auch schon „freies Spiel in ihrer feuchten Spalte“, und sie streichelt | |
| zielsicher „das Stück Hartgummi im Schritt seiner Jeans“. | |
| Als Jan Wolkers’ Roman 1969 erschien, löste er einen Skandal aus. Heute ist | |
| er ein Klassiker der niederländischen Literatur und wird als literarischer | |
| Beitrag zur sexuellen Revolution geschätzt, betonte der Niederlandist Jan | |
| Konst am Freitag in Berlin, als die exzellente Neuübersetzung des Romans | |
| von Rosemarie Still im Beisein von Jan Wolkers’ Witwe Karina Wolkers und | |
| dem Autor Arnon Grünberg in der schmucken Buchhandlung „Uslar & Rai“ in | |
| Berlin vorgestellt wurde. | |
| ## Erfolgreichster Film des niederländischen Kinos | |
| Die Verfilmung des Romans von Paul Verhoeven („Türkische Früchte“, 1973) | |
| wurde sogar zum erfolgreichsten Film in der Geschichte des niederländischen | |
| Kinos. | |
| In der Neuübersetzung heißt der Roman nun „Türkischer Honig“, und es geht | |
| darin nicht nur um Sex, sondern auch um die ganz große Liebe. Erik liebt | |
| die rothaarige Olga über alles, und sie zieht zügig bei ihm ein. Die beiden | |
| berauschen sich Tag und Nacht aneinander und leben – ganz romantisches | |
| Idealpaar – einige Jahre traut zu zweit in Eriks Atelier. | |
| Olga steht für Erik Modell, zaubert aus einfachsten Zutaten schmackhafte | |
| Gerichte und verdient etwas Haushaltsgeld hinzu. Ihr heimisches Glück | |
| scheint perfekt, doch weil bruchlose Geschichten nicht erzählenswert und | |
| Eros und Thanatos stets Hand in Hand gehen, verlässt Olga Erik nach einigen | |
| Jahren. | |
| ## Olga steht für Erik Modell | |
| Sie sagt, sie habe sich von ihm bedrängt gefühlt, doch offenbar hat auch | |
| ihre Mutter sie davon überzeugen können, lieber auszusorgen und sich mit | |
| einem tüchtigen Geschäftsmann zusammenzutun. Glücklich wird Olga nicht, und | |
| nach wenigen Jahren bekommt sie Krebs. Es ist Erik, der bis zum Schluss an | |
| ihrem Krankenhausbett sitzt. | |
| „Türkischer Honig“ erzählt in kurzen, kraftvollen Kapiteln die | |
| herzzerreißende Geschichte von Eriks Liebe zu Olga. Man durchlebt mit Erik | |
| seinen quälenden Liebeskummer und ist am Ende wie er entkräftet, verheult | |
| und zerzaust. Die vitale Kraft des Romans entspringt seiner betont | |
| männlichen Erzählperspektive und seiner sprachlichen Rauheit. | |
| ## Stilistisch gepriesen | |
| Stilistisch wird der Roman bis heute zu Recht gepriesen, doch liegt in | |
| seiner Stilistik auch seine erzählerische Grenze. Denn da Erik vor allem | |
| von Olgas körperlicher Schönheit hingerissen ist, lernt man sie nicht als | |
| komplexe Figur kennen und kann sich daher auch die Gründe für ihr Weggehen | |
| – wie Erik – nur zusammenreimen. | |
| Sie selbst fügt aber das Ihrige hinzu, wenn sie, die als Frau offenbar | |
| keinen Beruf erlernt hat, vor allem zu Hause sein und nähen und kochen | |
| möchte. In diesen Details zeigt „Türkischer Honig“ fast biedermeierliche | |
| Züge, und darin gelangt dieser herrlich freizügige Roman auch an seine | |
| revolutionäre Grenze. | |
| Jan Wolkers: „Türkischer Honig“. Aus dem Niederländischen von Rosemarie | |
| Still. Mit einem Essay von Onno Blom und einem Nachwort von Arnon Grünberg. | |
| Alexander Verlag, 240 Seiten, 17,90 Euro | |
| 8 Jun 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Katharina Borchardt | |
| ## TAGS | |
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