# taz.de -- Lokalpatriotismus in der ARD: Blut-und-Boden-Kunde | |
> Mit „Lust auf Deutschland“ will die ARD Regionalität fördern. Dabei | |
> mündet der öffentlich-rechtliche Auftrag in kritiklosen | |
> Jubelpatriotismus. | |
Bild: Die Doku schwelgt in der „Vielfalt und Bandbreite, die unsere Heimat ze… | |
Fernsehen wirkt manchmal wie Bierwerbung. „Deutschland ist schön“, schwelgt | |
eine aus Erding, „seine Landschaften sind typisch, die Bauwerke | |
weltberühmt.“ So klingt es auch oft, wenn das Öffentlich-Rechtliche seine | |
Tage füllt. So klingt es auch, wenn die ARD ab Dienstag um 16.10 Uhr den | |
Standort im Ganzen zum Dokutainment-Schauplatz macht. | |
„Lust auf Deutschland“ heißt die neue Blut- und Bodenkunde zur Kaffeezeit | |
und lässt je „fünf bekennende Nord- und Südlichter“ sechs Wochen lang | |
täglich „Vielfalt und Bandbreite, die unser Heimatland bietet“ entdecken. | |
Darauf erst mal ein Weißbier. Denn wie im Rausch werden die Flachländer | |
André, Jasmina, Jürgen, Frank und Diana wie ihre Gebirgsrivalen Peter, | |
Konny, Gege, Hans und Daniela auf einer Rallye zwischen Glücksburg und | |
Bodensee, Eifel und Eisenhüttenstadt nix als tolle Menschen in tollen | |
Gegenden erleben. | |
In dreiviertelstündigen Etappen gilt es für beide Teams richtig Weißwurst | |
oder Austern zu essen, bergzusteigen oder wattzuwandern, Klischees und | |
Vorurteile mithin so zu verinnerlichen, dass sie im Wochenquiz irgendwelche | |
Quizfragen über Land und Leute beantworten können. | |
## „Heimatkunde zum Wohlfühlen“ | |
Es geht also um die schönen Seiten unserer fehlerlosen Werbespotrepublik. | |
Denn Rassismus, Armut, Verfall, auch nur lange Gesichter werden dem | |
Publikum garantiert nirgends zugemutet. Schließlich ist das Format aus | |
Sicht Birgitta Kaßeckerts vom verantwortlichen BR „ein Stück Heimatkunde | |
zum Wohlfühlen“. Und weil das ein Strukturprinzip derartiger Unterhaltung | |
ist, gewinnt man oft den Eindruck, ARD und ZDF seien von | |
Fremdenverkehrsämtern gestaltet. | |
Dafür reicht ein Blick aufs Wochenende: Nach der zünftigen ZDF-Show „Immer | |
wieder sonntags“ am Morgen kriegen vor allem die Zuschauer der Dritten eine | |
Wurzelbehandlung. | |
Im NDR feiert „Mein schöner Land TV“ den Norden, und beim RBB der | |
„Musikantendampfer“ den Osten, das BR-Magazin „Bergauf-Bergab“ besingt … | |
Süden, und „Das große Hessenquiz“ den Westen, während der Trachten- und | |
Ostalgie-Kanal MDR quasi 24 Stunden vom 14. Thüringentag schwärmt. | |
Bei so viel Lokalpatriotismus im modernisierten Sound der Fünfziger fragt | |
sich allerdings, ob das noch Bundesvaterlandsliebe ist oder schon | |
Kleinstaatsnationalismus. | |
## Loblieder gegen globale Entwurzelung | |
Bayerns Rundfunk, 1964 als erstes Drittes auf Sendung, prügelt seine | |
Doktrin schließlich schon mal live von der Großdemo gegen das | |
Kruzifix-Verbot unters Publikum. Dabei hat das Loblied auf die eigene | |
Scholle in Zeiten globaler Entwurzelung ja durchaus seine Gründe. | |
Die Dritten, sagt Patricia Schlesinger, sollen Bewohnern „Heimat im | |
positiven Sinne“ bieten. „Lokal fühlen, global denken“, lautet das Credo | |
der NDR-Kulturchefin. Aber muss regionales TV gleich an den | |
Baedeker-Katalog „Garmisch-Partenkirchen“ erinnern? | |
„Ob Sommer oder Winter“, deliriert es zu Beginn von „Lust auf Deutschland… | |
aus dem Off, „die Bergwelt rund um die Zugspitze ist zu jeder Jahreszeit | |
eine Reise wert.“ Dass das vor 70 Jahren dann doch nicht für jeden galt, | |
muss man den Zuschauer am Nachmittag ja nicht auch noch erzählen. | |
4 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Jan Freitag | |
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