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# taz.de -- Bundeskunsthalle auf neuen Wegen?: Herr der blauen Hörner
> Der Niederländer Rein Wolfs steuert seit April das Bonner
> Kulturflaggschiff „Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik
> Deutschland“.
Bild: Rein Wolfs vor den blauen Hörnern der Bundeskunsthalle in Bonn.
„Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland“ – in winzig…
Bronzelettern steht der umständliche Titel neben dem altägyptisch
anmutenden Hochportal des riesigen weißen Kulturflaggschiffs im Bonner
Süden. Wer nicht genau hinschaut, könnte ihn fast übersehen.
Der zurückhaltende Minimalismus ist keine Designmarotte, sondern
politisches Programm. Wenn der Bund schon mit einem Drei-Sterne-Kunsttempel
auftrumpfen darf, so dachte man bei der Eröffnung des markanten Baus 1992,
dann muss man ihn wenigstens nominell „klein“reden.
Die Bundeskunsthalle ist das Gestalt gewordene Symbol für das komplizierte
Verhältnis von Ästhetik und Demokratie in Deutschland. Die verdruckste
Mischung aus imposanter Architektur und zurückhaltender Symbolik steht für
den Vorbehalt gegenüber jedem staatlichen Versuch, sich – wie im NS-System
– zu einem mythischen Gesamtkunstwerk zu inszenieren.
## Das Bedürfnis nach nationaler Kulturpolitik
Gleichzeitig steht das Haus für das Bedürfnis, nationale Kulturpolitik
machen zu wollen. Eigentlich auch zu müssen. Es dann aber doch nicht
richtig zu dürfen. Denn wie zur Mahnung, dass die berühmte „Kulturhoheit“
in Deutschland bei den Ländern liegt, stehen vor dem abweisenden Flachbau
sechzehn große, künstlich patinierte Metallsäulen, die die deutschen
Bundesländer symbolisieren.
Der neuen Kunsthalle verbot man sogar, eine eigene Sammlung aufzubauen, die
denen in München, Dresden oder Hamburg Konkurrenz hätte machen können.
Die drei großen, schon von weitem sichtbaren, mit blauer Majolica belegten
Lichtkegel, die das Dach des Hauses krönen und die Künste Architektur,
Malerei und Skulptur symbolisieren, sind da nur ein schwacher Ersatz für
die Königsdisziplin jedes Museums. Und wirken heute wie Symbole für einen
reichlich veralteten Kunstbegriff.
## Die Zukunft scheint wieder offen
Auch wenn er also seine Nachteile hat – es lohnt sich, an diesen föderalen
Vorbehalt zu erinnern, jetzt, wo mit dem neuen Intendanten, dem
Niederländer Rein Wolfs, die Zukunft des Hauses wieder offen scheint. Doch
auch ein so exzellenter Kurator wie der bisherige Chef des Kasseler Museums
Fridericianum kann wenig daran ändern, dass aus der Bonner die Berliner
Republik wurde.
Unendliche Geschichte Bundeskunsthalle: Seit dem Oktober 1949 hatte eine
überparteiliche Bürgerinitiative für eine eigene „Kunsthalle in Bonn“
getrommelt.
Doch nach dem Mauerfall 1989, spätestens aber mit dem Umzug der Regierung
zehn Jahre später, übernahmen an der Spree ein Dutzend Häuser die
ursprüngliche Funktion dieser Halle, die schmucklose Westrepublik mit einer
Art National Gallery zum Kulturstaat zu adeln – allen voran der
Martin-Gropius-Bau.
## Schon früh großartige Ausstellungen
Während die Halle in Bonn ins Schlingern geriet, weil ihr plötzlich der
politische Resonanzboden fehlte. Zwar gab es immer wieder großartige
Ausstellungen: In der Bundeskunsthalle gab es schon eine riesige
Gerhard-Richter-Retrospektive, als in der Berliner Nationalgalerie noch
keiner daran dachte, zum Jahreswechsel 1993/1994 nämlich.
Sie zeigte Sigmar Polkes grandiose Schau „Die sieben Lügen der Malerei“
1997. Oder im selben Jahr Renzo Pianos Architektur. Trotzdem erinnerte das
Haus spätestens seit Ende der neunziger Jahre manchmal an das schwere
Nashorn aus Federico Fellinis Film „Schiff der Träume“, das in einem
winzigen Nachen auf dem Meer dümpelt.
Aus der Not der Randlage ließe sich freilich eine Tugend machen. Dann
nämlich, wenn man dieses Haus von der Bürde befreite, als das
„geistig-kulturelle Zentrum des Bundes“ zu dienen, das die Künstler Joseph
Beuys, Jörg Immendorff und Otto Herbert Hajek einst in einer Denkschrift an
den damaligen Bundespräsidenten Karl Carstens gefordert hatten.
## Gegengewicht zum Berliner Kulturzentralismus
Und sie nicht nur den „geistigen und kulturellen Reichtum der
Bundesrepublik Deutschland angemessen darstellen“ müsste, wie es in einer
Selbstbeschreibung der Halle heißt. Stattdessen sollte sie eine Wende der
Kulturpolitik befördern helfen – Föderalismus und Europa, das müssten die
Stichwörter der Stunde sein.
Mit ihrem 16-Millionen-Etat könnte die Bundeskunsthalle ein dringend
notwendiges Gegengewicht zu dem bedenklich an Drive gewinnenden Berliner
Kulturzentralismus setzen.
Ein Zeichen dafür, dass man nicht immer unbedingt in die Bundeshauptstadt
reisen muss, um an „großer Kunst“ teilzuhaben. Warum sollen nicht auch die
Menschen in der Provinz an den Schätzen der Weltkunst partizipieren? Unter
diesem Motto ließe sich in Bonn auch die immer etwas zu repräsentativ
abgefeierte Serie „Die großen Sammlungen und Museen der Welt“ relaunchen.
## Kulturpolitischer Dialog
Wohl gemerkt, die Bundeskunsthalle kann und darf nicht der verlängerte Arm
des Kulturstaatsministers oder der Länderkulturminister sein. Aber mit
ihrem Programm könnte sie zum Katalysator eines weiteren
Kulturverständnisses werden.
In einer der größten Krisen Europas müsste sie sich auch dringend auf den
vergessenen Programmauftrag besinnen, den Dialog zwischen Kultur und
Politik und den kulturellen Austausch mit dem Ausland zu intensivieren.
Aus der „Denkfabrik der Bundeskunsthalle“, wie der gefeuerte Direktor
Wenzel Jacob einmal ihr „Forum“ nannte, war aber schon lange nichts mehr
Wegweisendes zu vernehmen – weder zur Krise der Demokratie noch zu der in
Europa, weder zum Ende der Kunst noch zur Zukunft im Netz.
## Zivilisatorisch-ökologische Grundlagenforschung
Dabei hatte es gerade dort so ambitioniert begonnen. Mit der neuartigen
Schau „Erdsicht. Global Change“ und einer groß angelegten Konferenzserie
zur „Zukunft der Sinne“ und den „Vier Elementen“ hatte der Thinktank der
Bundeskunsthalle eine Art zivilisatorisch-ökologische Grundlagenforschung
begonnen, die so plötzlich versandete, wie sie begonnen hatte.
Global Change ist heute womöglich noch mehr angesagt denn damals. In dieser
Situation muss sich die Bundeskunsthalle also mehr trauen, als die ewige
Diva Kleopatra zu zelebrieren, wie sie es in ihrer nächsten Ausstellung ab
Ende Juni tun will. Bei der Eröffnung im Sommer 1992 nannte ausgerechnet
der konservative Bundeskanzler Helmut Kohl sie doch tatsächlich einen
„Freiraum für künstlerische Experimente“.
## ■ Ab 28. Juni bis 6. Oktober: „Kleopatra. Die ewige Diva“,
Bundeskunsthalle, Bonn
19 Jun 2013
## AUTOREN
Ingo Arend
## TAGS
Kunst
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Deutsche Bank
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