# taz.de -- Favoritensturz in Wimbledon: Das Ende des glorreichen Schattens | |
> Roger Federer scheitert in Wimbledon bereits in der zweiten Runde an | |
> Sergej Stachowski. Für den Schweizer endet damit eine neun Jahre | |
> andauernde Serie. | |
Bild: Nicht mehr unantastbar: Roger Federer. | |
LONDON taz | „Ciao“, sagte Roger Federer, nickte zum Gruß, stand auf und | |
verschwand. Es war das letzte Wort eines Tages, wie ihn Wimbledon lange | |
nicht erlebt hatte, mit einer Serie von Ausfällen, Unfällen, Absagen und | |
Ausrutschern. | |
Und dann lag so eine Ahnung in der Luft, dass am Ende nicht einfach nur die | |
Sonne hinter den Hügeln Wimbledons verschwinden würde. Als sie am nächsten | |
Morgen wieder aufging, lagen die Zeitungen in den Auslagen, und bei | |
diversen Aufmachungen hätte man meinen können, ein Staatsmann sei | |
gestorben. „Farewell Federer“ stand auf der Titelseite des Daily Telegraph, | |
darunter ein halbseitiges Foto. | |
Nie seit seinem ersten Triumph in Wimbledon vor zehn Jahren verlor der | |
Maestro so früh bei einem Grand-Slam-Turnier, und das an dieser Stelle, im | |
Hain seiner größten Siege. Er scheiterte an einem Ukrainer, der in der | |
Weltrangliste vor Beginn des Turniers nicht zu den besten hundert gehörte, | |
der ihn aber mit Serve & Volley alter Klasse besiegte (6:7, 7:6, 7:5, 7:6). | |
Es geht also doch noch auf diese Art, wie man zu Beginn des ereignisreichen | |
Tages schon beim Sieg von Dustin Brown gegen Lleyton Hewitt gesehen hatte. | |
## Immer wieder im Viertelfinale | |
Für Federer endete eine Serie, die so bald niemand wiederholen dürfte; neun | |
Jahre, in denen er bei jedem Grand-Slam-Turnier mindestens das | |
Viertelfinale erreicht hatte, eine unglaubliche Konstanz auf höchstem | |
Niveau. Er konnte nicht erklären, warum es ihm nicht gelungen war, die | |
Aufgabe zu lösen, die ihm Sergej Stachowski präsentierte. „Das | |
Selbstvertrauen war eigentlich da“, meinte er, „aber vielleicht hab ich’s | |
mir eingeredet, vielleicht war’s nicht so.“ | |
Er machte kein Drama aus dieser Niederlage, er akzeptierte sie wie fast | |
immer mit Stil, und er war weit entfernt vom Bild der Verzweiflung wie | |
einst Pete Sampras nach dem letzten Auftritt vor elf Jahren im All England | |
Club. Auch der große Amerikaner hatte an einem 26. Juni als siebenmaliger | |
Sieger in Runde zwei verloren, kuriose Duplizität. | |
Doch im Gegensatz zu Sampras, der damals schon das Ende seiner Karriere vor | |
Augen hatte und sich dann nach dem letzten Hurra mit dem Sieg bei den US | |
Open tatsächlich zurückzog, versichert Federer immer wieder, er habe noch | |
lange nicht genug von diesem Spiel. | |
Die Frage ist nur, wie das aussehen wird. Und darauf gab Stachowsky eine | |
aufschlussreiche Antwort. Wenn man in Wimbledon gegen Federer spiele, dann | |
habe man zwei Gegner vor sich, sagt er. Zum einen die real existierende | |
Person, aber zum anderen die Aura des legendären Siegers. Und wenn man den | |
einen ausspiele, dann sei immer noch der andere da und man frage sich: Kann | |
es wirklich sein, dass ich gegen den gewinne, hab ich die Kraft dazu? | |
Nun, er hatte die Kraft, und er besiegte sie beide. Natürlich ist der | |
Schweizer nach wie vor ein unvergleichlicher Künstler, aber inzwischen ist | |
es so, dass auch Spieler, die nicht Djokovic, Murray oder Tsonga heißen, | |
ihre Chance wittern und wahrnehmen. | |
## Kein Favorit in Flushing Meadows | |
Federer sagt, normalerweise brauche er nicht allzu lange, um die | |
Enttäuschung schwerer Niederlagen loszuwerden. Seine traditionellen Ferien | |
nach dem Abschied aus London werden nun früher beginnen als geplant, er | |
wird die gewonnene Zeit auch zum Training nutzen. Erst nach den US Open, | |
sagt er, sei es sinnvoll, eine Art Bilanz zu ziehen. Als Favorit wird er | |
dort nicht an den Start gehen, aber was heißt das schon bei seiner Klasse? | |
In Wimbledon werden die anderen nun ohne ihn weiterspielen, innerhalb | |
weniger Tage unter völlig anderen Voraussetzungen, denn in der unteren | |
Hälfte des Tableaus ist nun auf einmal viel Luft und Platz. Federer und | |
Rafael Nadal sind nicht mehr dabei, auch Jo-Wilfried Tsonga (Nr. 6) nicht, | |
der zu den Verletzten des denkwürdigen Tages gehörte, dafür als nominell | |
stärkster Verfolger für Andy Murray der Spanier Nicolas Almagro (Nr. 15), | |
der bisher nie über die dritte Runde hinausgekommen war. | |
Keiner ist unersetzlich, der gelbe Ball fliegt weiter. Aber es fällt | |
dennoch nicht leicht, sich die Championships ohne den Mann vorzustellen, | |
dessen Name sieben Mal auf der polierten Tafel der Sieger steht. Vielleicht | |
werden die anderen in Zukunft tatsächlich nicht mehr gegen zwei antreten | |
müssen, wenn sie gegen Federer spielen. Nur noch gegen den Mann, aber nicht | |
mehr gegen dessen glorreichen Schatten. | |
27 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Doris Henkel | |
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