# taz.de -- Wimbledon-Premiere: Einmal ist besser als kein Mal | |
> Der deutsche Tennisprofi Bastian Knittel ist erstmals bei dem | |
> prestigeträchtigsten Turnier der Welt dabei. Diese Chance musste er sich | |
> erst einmal verdienen. | |
Bild: Spiel, Satz, Siegesaussichten: Bastian Knittel, hier am Hamburger Rothenb… | |
LONDON taz | Sie haben alle ihre Geschichten, die 128 Tennisspieler, die am | |
Montagmittag diesjährig in Wimbledon starten. Es sind Geschichten des | |
Erfolgs, wie die von Roger Federer, der seit 2003 schon sieben Mal an der | |
Church Road die Trophäe in die Höhe hielt. Es sind Geschichten großer | |
Comebacks, wie jene von Tommy Haas, der, von Verletzungen geplagt, viele | |
Jahre nur als Zuschauer erlebte. Allerdings ist Haas nun im Alter von 35 | |
Jahren der Senior im Feld und noch einmal auf der Höhe seiner Kunst | |
angelangt. Es sind Geschichten von Mitläufern, von neuen und ewigen | |
Talenten, von Favoriten und Underdogs. | |
Und da wäre noch die Geschichte von Bastian Knittel, 29 Jahre, aus dem | |
schwäbischen Ditzingen. Hinter seinem Namen in der Liste der | |
Wimbledon-Starter steckt die ungewöhnlichste Wimbledon-Geschichte dieses | |
Jahres: Bastian Knittel hat zehn Jahre nach seinem Start im professionellen | |
Tourgeschäft erstmals und nach endlosen vergeblichen Anläufen den Sprung | |
ins Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers geschafft. | |
Er hat mit seinen bereits gesicherten 27.500 Euro Preisgeld für drei | |
überstandene Qualifikationsmatches und die Mitmach-Erlaubnis für die erste | |
Runde bereits mehr Geld verdient als in so mancher Saison zuvor. „Natürlich | |
ist das ein Traum für mich. Der größte Augenblick meiner Karriere“, sagt | |
Knittel. Am Montag spielt der Linkshänder an der Church Road zu | |
Turnierbeginn gegen den Argentinier Juan Monaco, einen Weltklassemann, der | |
allerdings seine Stärken eher in den Sand-Kästen der Tenniswelt hat. | |
Mit seinem späten Grand-Slam-Debüt rückt mit Knittel ein Profi, aber auch | |
eine ganze Berufsspieler-Gruppe in den seltenen Fokus des Interesses – jene | |
Abenteurer, Vagabunden und Zirkusleute, die in den Niederungen des | |
Welttennis herumziehen und immer noch von einer großen Karriere träumen. | |
Viel Idealismus ist da im Spiel, die Lust am Leben aus dem Koffer, die | |
Neugier auf fremde Länder und Menschen. | |
Das Geld jedenfalls kann es nicht sein, auch nicht bei Knittel, der seit | |
2003, dem Jahr von Federers erstem Wimbledon-Sieg übrigens, insgesamt | |
224.000 Dollar Preisgeld eingestrichen hat. Auch in diesem Jahr, bis zur | |
Wimbledon-Qualifikation, sah es bei seinen Einkünften eher bescheiden aus – | |
19.500 Dollar. Ohne Bundesliga-Verträge und andere Engagements im Ausland | |
würde das nicht einmal reichen, um die Reisen und die Hotels zu bezahlen. | |
## Ausdauer zahlt sich aus | |
Vor ein paar Jahren hatte Knittel, auch mit Blick auf seine finanzielle | |
Lage, gesagt, mit 28 wolle er nicht mehr auf Platz 200 der Welt stehen. Nun | |
ist er 29, steht auf Rang 206. Er ist trotzdem noch dabei. Kann nicht | |
lassen von diesem Beruf, der ihn in alle möglichen Winkel der Welt treibt. | |
Immer wieder hat er es in den letzten Jahren versucht, hat sich für die | |
Qualifikationsturniere eingeschrieben. | |
Lange ist Knittel früher oder später gescheitert. Leicht ist das alles | |
nicht gewesen für Knittel, die Niederlagen, das Stagnieren, die | |
vergeblichen Hoffnungen, die geplatzten Träume, auch die Verletzungen, die | |
ihn zurückwarfen. | |
Manche der DTB-Profis, die heute viel weiter vor ihm in der Weltrangliste | |
stehen, hat Knittel schon geschlagen – auf kleineren Bühnen. Auch einen wie | |
Daniel Brands, der zu den Besten dieser Saison gehört. Ihn bezwang Knittel | |
in seinem bisher wohl besten Tennismoment, vor zwei Jahren im Finale des | |
hochkarätigen Challenger-Turniers von Heilbronn. Der große Durchbruch kam | |
danach nicht. | |
Erst vier Spiele auf der großen Tour hat er bestritten, bei ATP-Turnieren, | |
zwei in Stuttgart und zwei in Hamburg. Sonst spielt er an exotischen | |
Schauplätzen, ob nun in Finnland, Kasachstan oder auch im Iran. Challenger- | |
oder Future-Turniere sind, auch wegen des oft spartanischen Ambientes, | |
Lichtjahre vom Glanz und der Faszination der großen Centre Courts entfernt. | |
Ein Leben des Verzichts war es für Knittel oft, aber auch ein Leben, das | |
ihm trotz aller Rückschläge viel Spaß machte und gefiel. | |
„Ich habe wichtige Erfahrungen für mein Leben nach dem Tennis gesammelt“, | |
sagt Bastian Knittel. Doch nun will er Wimbledon genießen, sein Rendezvous | |
mit dem großen Tennis. Einmal, sagt sich Spätzünder Knittel, ist besser als | |
kein Mal. | |
24 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Jörg Allmeroth | |
## TAGS | |
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