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# taz.de -- Nach dem Einsatz am Neptunbrunnen: Ein Schuss wirft Fragen auf
> Die Debatte um Elektroschocker für Polizisten flammt neu auf. Experten
> bezweifeln, dass der Schütze in Notwehr handelte.
Bild: Schon wieder eine Aufschrift mit "Warum" am Alexanderplatz
Das Wasser aus dem Neptunbrunnen ist abgelassen. Am Sonntag stehen vor dem
Brunnen Grablichter, daneben hängt in einer Klarsichthülle ein weißer Bogen
Papier. Ein einziges Wort steht darauf: „Warum?“
Am Freitag war in dem Brunnen vor dem Roten Rathaus ein mit einem Messer
bewaffneter nackter Mann von einem Polizeibeamten erschossen worden. In den
Medien und Politik hat am Wochenende die Diskussion über die
Verhältnismäßigkeit der Schussgabe und alternative Einsatzmittel begonnen.
Innensenator Frank Henkel (CDU) sprach sich dafür aus, Streifenbeamte mit
Elektroschock-Pistolen, so genannten Tasern, auszustatten. Bis jetzt ist
nur das Spezialeinsatzkommando (SEK) damit ausgestattet. Unterstützung
erhält Henkel von den beiden Polizeigewerkschaften und dem seit 2005 in
Ruhestand befindlichen früheren Leiter des SEK, Martin Textor.
## Drei Tote durch Polizisten
Seit August 2011 sind in Berlin drei Menschen von Polizisten erschossen
worden. In allen Fällen, den aktuellen Fall eingeschlossen, handelte es
sich bei den Opfern um mutmaßlich geistig verwirrte Personen, die jeweils
mit Messern bewaffnet waren. „Mit dem Taser hätte es diese drei Toten nicht
gegeben“, sagte Textor am Sonntag der taz. Das sei aber nicht als Kritik an
den Schützen zu verstehen, betont er. In allen drei Fällen sei von einer
Notwehrsituation auszugehen.
Was den Vorfall vom Freitag angeht, gehen die Interpreationen indes weit
auseinander. Im Internet kursiert ein Video von der Tat. Man sieht, wie ein
Polizist mit erhobener Pistole im Neptunbrunnen steht und sich ein großer
nackter Mann mit einem Gegenstand in der Hand auf ihn zu bewegt. Es ertönt
der Ruf: „Messer weg. Messer weg“. Der Mann geht weiter auf den Beamten zu.
Der weicht zurück, bis er an den Brunnenrand stößt und nicht mehr weiter
kann. Der Mann ist ungefähr zwei Armlängen von dem Beamten entfernt, da
knallt ein Schuss. Unmittelbar nach dem Knall stolpert der Beamte in einer
Halbdrehung über den Rand nach draußen. Der Getroffene stockt, macht noch
zwei Schritte nach vorn, bleibt stehen, taumelt zurück, versucht sich an
einer der Bronzefiguren festzuhalten. Dann sackt der Körper ins Wasser.
Weit über 200.000 User haben das Video bei Youtube bis zum
Sonntagnachmittag geklickt. Bei Facebook wurde der Film über 7.500 Mal
geteilt. „Die ganze Situation hätte man auch anderes lösen können“, ist …
überwiegende Meinung der Kommentatoren. So schrecklich die Bilder sind –
die Öffentlichkeit versetzen sie in die Lage, sich ein eigenes Bild von den
Vorgängen zu verschaffen. Der CDU-Medienexperte Michael Kretschmer indes
forderte Facebook auf, das Video aus dem Netz zu nehmen. „So etwas darf
nicht gepostet werden“ sagte Kretmscher.
Innensenator Henkel und die Polizeigewerkschaften verteidigten am
Wochenende das Vorgehen des Beamten. „Vieles spricht dafür, dass er in
Notwehr gehandelt hat“, sagte Henkel. Zunächst gelte es aber den Ausgang
der Ermittlungen abzuwarten. Heftige Kritik an dem Vorgehen der Polizei
übte ein nicht namentlich genannter Polizeirechtler gegenüber dem
Tagesspiegel: Bei dem Einsatz seien zahlreiche schlimme Fehler gemacht
worden. „Letzlich hat der Beamte die Notwehrsituation selbst
herbeigeführt“, zitiert das Blatt den Mann.
Der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Dirk Behrendt, fragt sich, warum
die Beamten nicht den Sozialpsychatrischen Dienst hinzugezogen haben. Man
hätte den Mann auch mit einem Schuss ins Bein stoppen können, meint er.
Henkels Forderung nach Einführung des Tasers kommentierte Behrendt mit den
Worten: „Das Blut ist noch nicht aus dem Brunnen, da holt Henkel schon
seine ganzen alten Sicherheitsforderungen aus der Schublade.“
30 Jun 2013
## AUTOREN
Plutonia Plarre
## TAGS
Polizei
Neptunbrunnen
Taser
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