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# taz.de -- Bauern setzen Zeitung unter Druck: Güllesturm gegen Pressefreiheit
> In Hannover will die Interessenvertretung der Bauern eine Redakteurin
> dazu bewegen, sich für einen kritischen Kommentar zu entschuldigen. Ihre
> Mitglieder sollen ihrer „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ mit
> massenhafter Abo-Kündigung drohen.
Bild: Dicke Kartoffeln aus Niedersachsen: Die HAZ verärgerte das Landvolk.
HAMBURG taz | Was über sie in der Zeitung stehen soll, möchte das
Hannoveraner Landvolk gerne selbst entscheiden. Die Interessenvertretung
von rund 3.000 Bauern in der Region hat seine Mitglieder aufgefordert, der
Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) damit zu drohen, ihr Abo zu
kündigen – wenn sich die Autorin eines kritischen Kommentars nicht
entschuldigt.
In einem Rundschreiben verschickte Landvolk-Sprecherin Lisa Johannes gleich
den Vordruck eines Beschwerdebriefes an ihre Mitglieder. Adressiert an den
HAZ-Chefredakteur Matthias Koch hat sie darin Sätze der Empörung
vorformuliert. Etwa diesen: „Ich fühle mich von der Zeitung, deren Abonnent
ich seit vielen Jahren bin, in völlig unberechtigter Art und Weise
öffentlich diffamiert und bloßgestellt.“ Grund dafür sei ein Text der
Wirtschaftsredakteurin Carola Böse-Fischer, in dem sie die Reform der
europäischen Subventionspolitik kommentiert. „Um mehr Erträge zu erzielen,
pressen die Landwirte den Äckern das Letzte ab“, schreibt sie dort und
kritisiert „verseuchte Böden, belastete Gewässer, zerstörte Lebensräume�…
50 bis 60 dieser Briefe seien mittlerweile bei Chefredakteur Koch
eingegangen, sagt der. Dass hinter den identischen Beschwerden das Landvolk
steckt, deckten niedersächsische Bürgerinitiativen auf, die sich gegen
industrielle Landwirtschaft engagieren. Auf der Webseite ihres
Landesnetzwerks veröffentlichten sie die E-Mail des Verbands. Für ihren
Sprecher Michael Hettwer zeuge es von einem „erheblichen Defizit an
demokratischem Grundverständnis“, wenn das Landvolk versuche, Journalisten
durch „ökonomischen Druck“ zu beeinflussen.
Koch hat Statements beider Seiten auf der Leserbriefseite seiner Zeitung
veröffentlicht. Von der kritischen Linie seiner Berichterstattung wolle er
wegen der Kündigungsdrohung der Landvolk-Kunden aber nicht abweichen. „Dann
würden wir Abonnenten verlieren, die uns gerade deswegen bestellen“, sagt
er. Doch er „bedauere“, wenn der Kommentar seiner Autorin jemanden verletzt
habe.
Landvolk-Sprecherin Johannes sagt, Böse-Fischers Kommentar sei zwar der
Auslöser für die Kampagne gewesen – doch die Artikel der
Wirtschaftsredakteurin störten den Verband schon lange.
Böse-Fischer schreibt seit den 80er-Jahren kritische Artikel über
Niedersachsens industrielle Landwirtschaft. Und dass, obwohl man auf den
Dörfern so viel für die positive Öffentlichkeitswirkung der Betriebe tue,
mit einem Tag der offenen Tür etwa. „Es ist eine Beleidigung, wenn das
nicht wahrgenommen wird“, sagt Johannes. Generell habe das Landvolk nichts
gegen die Meinungsartikel in der Zeitung. Doch es sei „fragwürdig, dass
solche Kommentare an so prominenter Stelle stehen müssen“. Sie steht zu der
Aktion: Die Mitglieder, die nun fleißig die Vordrucke an die HAZ
weiterleiten, beweisen Johannes nun, „dass wir den richtigen Weg
eingeschlagen haben“.
Bereits im vergangenen Herbst hatte der niedersächsische Landesverband des
Landvolks einen ähnlichen Aufruf gestartet. Damals bat man die Mitglieder
anlässlich des Erntedankfestes, sich die Namen von kritischen Pfarrern und
Pastoren zu notieren: „Wenn es seitens der Kirchen ebenfalls
ungerechtfertigte und überzogene Kritik gegeben hat“, solle man dies dem
Verband melden, hieß es in einer Mitteilung.
„Die Verbände stehen schwer unter Druck“, sagt HAZ-Journalistin
Böse-Fischer: „Die Medien und die Öffentlichkeit werden zunehmend
kritischer und die Verbände haben keine Gegenstrategie.“ Sie werde weiter
über die Bauern berichten.
4 Jul 2013
## AUTOREN
Kristiana Ludwig
## TAGS
Landwirtschaft
Schwerpunkt Pressefreiheit
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