# taz.de -- Regisseur Uli Jäckle über Laiendarsteller: „Der Kick ist das Un… | |
> Bei den Heersumer Sommerspielen zeigen 130 Laiendarsteller ein selbst | |
> geschriebenes Stück im Freien. Reichen die schauspielerischen | |
> Fähigkeiten? | |
Bild: Man muss nur die richtige Rolle finden: Laienschauspieler und ein Profi p… | |
taz: Bei den jährlichen Heersumer Sommerspielen stemmen immer über 100 | |
Laien aus allen Altersschichten zusammen ein drei- bis vierstündiges Stück | |
samt Bühnenbild und Kostümen. Geht es dabei um den Arbeitsprozess oder um | |
das Ergebnis? | |
Uli Jäckle: Um das Ergebnis. Wir haben jedes Jahr 500 Zuschauer pro | |
Vorstellung, die Eintritt bezahlen und dafür etwas kriegen wollen. Auf der | |
anderen Seite ist für die Leute, die mitspielen, natürlich der Prozess | |
wichtig. Aber die Mitwirkenden haben den Ehrgeiz, etwas zu zeigen. Darum | |
ist es für sie dann ein guter Prozess, wenn er ein gutes Ergebnis hat. | |
Können die Laien ausreichend gut schauspielern? | |
Was ist das, „schauspielern“? Jeder schauspielert den ganzen Tag, immer. | |
Jeder ist im Spielen seiner Welt immer Experte, ist Profi in seiner | |
Selbstdarstellung. Man muss einfach die richtige Rolle finden für die | |
einzelnen sogenannten Laiendarsteller. Es muss etwas mit ihrer Lebenswelt | |
zu tun haben. Dann wird es auch nicht peinlich. | |
Gehört nicht etwas mehr dazu? | |
Die Figurenbehauptung funktioniert bei Laien immer über ein Kostüm oder | |
über den Text. Sie müssen sich nicht unbedingt in etwas hineinfühlen. Der | |
Charme ist die Ehrlichkeit, mit der sie da stehen und ein Statement | |
abgeben. | |
Reicht es den Zuschauern, charmante Darsteller zu sehen? | |
Das Wichtige ist, dass die Zuschauer sich selbst auf der Bühne sehen. Dass | |
sie sehen: Das könnte ich auch. Jeder, der kommt, kann mitmachen. Ich mache | |
kein Casting. | |
Was bedeutet das für Ihre Arbeitsweise? | |
Ich muss mich auf die Leute einlassen, die mitspielen wollen. Das heißt: | |
Wenn die nur einmal pro Woche zwei Stunden proben können, dann müssen wir | |
in dieser Zeit etwas hinkriegen. Insofern ist man latent unterprobt. Aber | |
das ist der Charme der Sache. | |
Für die Dramaturgische Gesellschaft haben Sie Regeln zum Landschaftstheater | |
aufgestellt. Welche ist die wichtigste? | |
Wir suchen eine Landschaft oder einen Ort, der eine Aura hat, etwas | |
Spektakuläres oder eine Größe. Der Ort entlastet die Laien von dem | |
Darstellungsdruck. Es ist anders als auf einer Bühne, auf der erst mal | |
Neutralität herrscht. Außerdem ist es total wichtig, dass die Zuschauer von | |
einem Spielort zum nächsten wandern. Dass sie sich während des Stückes | |
unterhalten können, baut Druck ab. Wichtig ist, dass man die Leute von den | |
Sehgewohnheiten eines normalen Theaterstücks trennt. | |
Was wird dieses Jahr der Ort sein, auf dessen Aura Sie setzen? | |
Dieses Jahr ist es eine verlassene Graupenmühle in Rhene. Rhene ist ein | |
kleines Dorf zwischen Holle und Baddeckenstedt, 20 Kilometer östlich von | |
Hildesheim. Dort gibt es die Innerste und die Sage vom Hakelmann. Mit | |
dieser Figur haben früher die Eltern ihren Kindern Angst gemacht: Sie | |
sollen nicht in die Nähe von einem Fluss gehen, sonst zieht sie der | |
Hakelmann rein. Dieser Hakelmann haust in der Mühle und wird von James Bond | |
gejagt. Die Mühle taugt für einen James Bond-Showdown. Wir haben diesmal | |
wieder ein echtes Flugzeug dabei. | |
James Bond jagt den Hakelmann? | |
In dem Stück stellt sich heraus, dass James Bond eine riesige Familie hat. | |
Von allen Geliebten der letzten 50 Filme hat er Kinder. Also muss der | |
Hakelmann, der Kinder entführt, gejagt werden von Bond. Es ist seine letzte | |
Mission, bei der er auch auf seinen Nachfolger 008 trifft. | |
Heersum bedeutet immer einen Kraftakt: Die vielen Darsteller, der große | |
Aufwand bei Ausstattung und Kostümen, die Abhängigkeit vom Wetter: Warum | |
machen Sie das? | |
Der Kick ist das Unwägbare. Der Kick ist die Rest-Anarchie, die in unseren | |
Stücken steckt. Sich selbst Kleine-Jungs-Träume zu erfüllen. Leute zum | |
ersten Mal spielen zu sehen. Zu sehen, dass sie etwas tun, was sie noch | |
ihren Enkeln erzählen werden. Leute zu sehen, die so aus sich rausgehen, | |
wie sie noch nie aus sich rausgegangen sind. Das ist Sinn stiftend: Für die | |
Darsteller, für mich als Regisseur und für die Zuschauer. | |
## Aufführungen: 10./11./17./18./24./25./31. August, 1. September, jeweils | |
samstags um 15 Uhr und sonntags um 10 Uhr; Karten: ☎ 05062 / 89 38 0 oder | |
per E-Mail: | |
15 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Klaus Irler | |
## TAGS | |
Schauspieler | |
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