# taz.de -- Umstrittener Star Heinrich George: Im Dienste der Macht | |
> Am Montagabend strahlt Arte die filmische Biografie von Heinrich George | |
> aus. Aus diesem Anlass blickt unsere Autorin auf die Karriere des | |
> Schauspielers. | |
Bild: Sohn Götz spielt den Vater. Heinrich George hat ein äußerst umstritten… | |
Heinrich George war eine wuchtige Erscheinung, ein Mannsbild von | |
korpulenter Statur, das die Leinwand mit geballten Fäusten, mächtigem | |
Löwenhaupt und blitzend hellen Augen für sich beanspruchte. Männer der Tat | |
prägten sein Rollenfach in 70 Filmen und zahllosen Theaterinszenierungen. | |
Rainer Werner Fassbinder nahm sich seine kerlige Verletzlichkeit zum | |
Vorbild, als er Georges Darstellung des Franz Biberkopf in Phil Jutzis | |
„Berlin Alexanderplatz“-Verfilmung als Vorbild für seine eigene Adaption | |
nahm. | |
An Heinrich George kommt niemand vorbei, der sich mit der Film- und | |
Theatergeschichte des 20. Jahrhunderts auseinandersetzt. Zu Beginn seiner | |
außerordentlichen Karriere, als nach dem Ersten Weltkrieg das Stummfilmkino | |
expandierte, mimte der junge Kerl in den eskapistischen Groß-Melodramen – | |
etwa jenen des österreichischen Regisseurs Richard Oswald und des | |
ukrainischen Regisseurs Viktor Tourjansky – den Typ des | |
Renaissance-Höflings oder königlichen Kapitäns, spielte Athleten und | |
Gangster, Matrosen und Proletarier. Daber gab er immer den Kraftprotz mit | |
Herz, der sein Publikum lieber expressiv überwältigen als intellektuell | |
überfordern wollte. | |
So einer musste romantische Schwäche fürchten, weil sie seine Männlichkeit | |
infrage stellen sollte; in der Wedekind-Verfilmung „Erdgeist“ zum Beispiel | |
unterliegt er der Nymphe Asta Nielsen hilflos. Heinrich George war die | |
ideale Besetzung für Rollenbilder, die Platzhirsch-Aura und sentimentales | |
Tremolo versprachen. Seine virile Gefälligkeit wirkte als Gegenpol zu all | |
den dämonischen Wahnsinnigen des expressionistischen Films, in dem sich die | |
finster-brüchige Zeitstimmung nach dem Ersten Weltkrieg indirekt spiegelte. | |
Mit seinem ganzen Gewicht entwickelte sich George zu einem volkstümlichen | |
Star, einem, der mit Bert Brecht und Erwin Piscator am Theater arbeitete, | |
den linken Volksfilmverband unterstützte und als Sympathisant der | |
Kommunisten galt. | |
## Kehrtwende als Karrieresicherung | |
Doch „Metropolis“, Fritz Langs düster-monumentales Science-Fiction-Epos, | |
wirkte 1927/1928 bereits wie ein Menetekel auf Georges fatale Bereitschaft, | |
seine Karriere in den Dienst der Macht zu stellen. Er verkörpert darin | |
Werkmeister Groth, der den Massen vorsteht, die wie Sklaven die | |
„Herzmaschine“ des Metropolis-Reiches bedienen. Als Flugzettel zu geheimen | |
aufrührerischen Treffen kursieren, händigt er diese seinem Arbeitgeber aus. | |
Und das demagogische Treiben des synthetischen Roboters Maria weiß der | |
Arbeiterführer nicht durch solidarische Aktionen zu bekämpfen, vielmehr | |
lenkt er den Volkszorn auf die „Hexe“ Maria und sichert die Macht der | |
Obrigkeit durch den Rekurs auf mittelalterliche Lynchjustiz. Georges | |
politische Naivität, seine Blindheit für den Terror, den die Nazis offen | |
zum Gleichschaltungs- und Herrschaftsprinzip erhoben, führte den 1893 | |
geborenen Sohn eines Seeoffiziers im Jahr 1933 nach kurzem Spielverbot in | |
Goebbels’ Arme. | |
Groteskes Zeugnis seiner Kehrtwende ist der Film „Hitlerjunge Quex“, in | |
welchem er einen proletarischen Kommunisten verkörpert, der den Sohn mit | |
der Peitsche zwingt, die Internationale zu singen, um dann selbst mit | |
derselben berserkerhaften Verve, für die ihn die führungswilligen Deutschen | |
verehrten, im Lauf des Propagandastücks zu den Nazis überzulaufen. | |
Vater-Tyrannen, Staatslenker, Künstlergenies markieren Georges zynische | |
Rollenbilder bis zum Ende des Dritten Reiches. | |
Für den Selbstdarsteller, der als junger Soldat im Ersten Weltkrieg | |
angesichts des Tötens fast den Verstand verloren hätte und nach einer | |
Verletzung alles daransetzte, in den Schauspielerberuf zu wechseln, | |
bedeutete die Karrieresicherung im Schlagschatten des NS-Kulturapparats den | |
Aufstieg zum Staatsschauspieler, Theaterintendanten des Schiller-Theaters | |
und Kunstfunktionär. | |
Immer wieder stellt sich George für Propaganda-Auftritte zur Verfügung. | |
Goebbels berichtet in seinem Tagebuch, dass der Mime „besoffen“ auf das | |
Brimborium des Reichsparteitags in Nürnberg 1937 reagiert habe. Herrische, | |
wenngleich volksnah berlinernde Despoten werden in den Filmen dieser Zeit | |
zu seiner Spezialität. In „Unternehmen Michael“ gibt er 1937 einen an | |
Hindenburg erinnernden General; auch in „Heimat“, einem Melodram von Detlef | |
Sierck, verkörpert er einen wilhelminischen Oberst, der seine Tochter – | |
Zarah Leander als Sängerin mit unehelicher Tochter – in eine standesgemäße | |
Ehe zwingen will. Immer monumentaler werden die Rollen des massigen Stars, | |
dessen Stimme ein daueralkoholisiertes bellendes Timbre angenommen hat. | |
## Vielbeschäftigt mit Propagandarollen | |
Heinrich George ist ein NS-Prominenter, der mit seiner Frau, der | |
Schauspielerin Berta Drews, und den beiden 1931 und 1938 geborenen Söhnen | |
Jan und Götz in einer Wannsee-Villa lebt und vielbeschäftigt zwischen | |
Berlin und Babelsberg pendelt. Einer der Höhepunkte seiner Propagandarollen | |
ist Veit Harlans Hetzfilm „Jud Süß“, in dem George den württembergischen | |
Herzog spielt, dessen Genusssucht vorgeblich Jud Süß’ Karriere befördert. | |
Auch in Harlans gigantischer Großproduktion „Kolberg“, die anhand einer | |
Episode aus den Napoleonischen Kriegen den verzweifelt-masochistischen | |
Untergang einer Stadt heroisiert, ist George in der Rolle des | |
Bürgermeisters zu sehen, der die Wahnidee unterstützt. | |
Heinrich George kehrte nach der Produktion seines letzten, unvollendeten | |
Ufa-Films („Das Leben geht weiter“) in sein Haus nach Berlin-Wannsee zu | |
seiner Familie zurück, um unmittelbar nach Kriegsende im Mai 1945 die | |
Fühler für eine Wiedereröffnung des Schiller-Theaters unter seiner | |
Intendanz auszustrecken. Die sowjetische Militäradministration und ihre | |
diversen Geheimdienste nahmen ihn jedoch mehrmals zu Verhören in Haft und | |
brachten ihn, zum Teil auf der Grundlage ungerechtfertigter Denunziationen, | |
im Juli 1945 in eines ihrer berüchtigten Speziallager, das sie im | |
ehemaligen KZ Sachsenhausen errichtet hatten. Dort starb George im | |
September 1946, vermutlich an Entkräftung. | |
21 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Claudia Lenssen | |
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