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# taz.de -- Die Wahrheit: Im Rausch der Maschine
> Teil 4 der großen Wahrheit-Sommerserie „Ympäri Suomen – Rund um
> Finnland“. Heute: Geniales Uusikaupunki
Bild: Die große Eiderenten-Schreckmaschine im Bonk-Museum.
Im vergangenen Jahr erschien das Buch „Finne dich selbst“ von Bernd
Gieseking. Ein Jahr später will der Wahrheit-Autor überprüfen, ob auch
alles noch seine Richtigkeit hat, was er seinerzeit über das seltsame Suomi
geschrieben hat. Deshalb umrundet er nun einen Sommer lang für die
Wahrheit, die sonst Umrundungen aller Art strikt ablehnt, Finnland.
Ich stehe im wahrscheinlich wichtigsten Museum des Landes, im Bonk-Museum
in Uusikaupunki. Als Erstes muss ich üben, den Ortsnamen fehlerfrei
auszusprechen. Ich brauche 37 Minuten. Dann bekomme ich eine Führung.
Das Bonk-Museo befindet sich im ehemaligen Umspannwerk von Uusikaupunki. Es
ist nur von Juni bis Ende August geöffnet. Im Winter ist es geschlossen.
Das Bonk-Museum zeigt Gründerjahre, Firmengeschichte, Innovationen und
Erfolge der Bonk-Dynastie, die mit ihrer Firma Bonk Inc. mittlerweile
weltweit führend in der Herstellung nutzloser Maschinen ist.
Präsentiert wird die unglaubliche und erfolgreiche Firmengeschichte. Alles
fußt auf den ersten technischen Entwicklungen, die Firmengründer Pär Bonk
fast sämtlich auf der Insel bei Uusikaupunki gelungen sind, die tatsächlich
Helgoland heißt.
Pär Bonk stammte aus einer einfachen Fischerfamilie und sagte in seiner
Gründungsrede im Jahr 1893: „Ich werde Maschinen bauen, die Menschen
glücklich machen!“
Der Einstieg und Aufstieg begann mit dem „Anchovies Oil Applicator“, dem
„Sardellen Öl Automat“. Anchovis, also Sardellen, waren damals zu nichts
nutze, sie schmeckten schlecht und waren ölig. Und genau das brachte Pär
Bonk auf die Idee. Er entwickelte den „Anchovies Oil Applicator“ und ließ
die Fische darin schwimmen und reproduzierte so erstens das römische Gewürz
Garum.
Die Maschine entzog den Fischen zweitens auch das Öl, als Nebenprodukt, und
Pär Bonk gewann „Polar Oil“. Man konnte es unter anderem als Radöl
benutzen, und dieses „Polar Oil“ wurde der Schmierstoff in der aufkommenden
finnischen und nordeuropäischen Industrialisierung für tausende Maschinen.
Aber durch Zufall inhalierte Pär Bonk Teile des Garum als Dampf und
bemerkte eine ganz andere, zusätzliche Wirkung. „Finnisches Opium“,
flüstert mir Joona zu, mein Museumsguide. Pär Bonk expandierte, besonders
nach Russland. Die Russen bedampften zunächst nur einzelne Räume, dann auch
ganze Fabriken mit Garum und bekamen so tausende zufriedene Arbeiter. Es
gab sogar einen russisch-orthodoxen Priester, der nicht länger Wein
ausschenkte, sondern die Gemeinde beim Gottesdienst mit Garum bedampfte.
Die plötzlich immense Nachfrage nach Garum bedeutete aber auch eine baldige
Rohstoffverknappung. Die Anchovis waren schnell überfischt. Pär Bonk hatte
beim Anchovisfang außerdem große Konkurrenz durch Eiderenten, die sich von
Anchovis ernährten. Deshalb erfand er die Eiderenten-Schreckmaschine mit
einer Reichweite von 20 Kilometern, die im Museum zu besichtigen ist. Im
Außengelände befindet sich noch die „Große Eiderenten-Schreckmaschine“ m…
100 Kilometer Reichweite, erklärt Joona. Joona ist Bonk-Spezialist, ein
wandelndes Lexikon.
Pär Bonk führte schließlich die „Peruvian Gigantic Anchovy“ (Peruanische
Riesen-Sardelle) ein, elektrifizierte mit ihr Wasser, baute erste
Kraftwerke („Anchovies Power Plant“, ein Sardellen-Kraftwerk) und versorgte
so eine Zeit lang ganz Finnland mit Energie.
Der Platz reicht hier bei weitem nicht für die gesamte Firmengeschichte,
die im Jahr 1908 einen Markstein erlebte: Bei einer großen Explosion kam
Pär Bonk ums Leben. Sein Cousin fand später bei einer aufwendigen
Suchaktion nur noch seinen linken Schuh, der im Museumsmausoleum zu
besichtigen ist.
Pärs Sohn Pärre führte die Firma genauso weiter wie sein Enkel Barry, der
vor allem in Amerika reüssierte, unter anderem mit einer „Cosmic Therapy“,
aber auch weiterhin mit nutzlosen Maschinen. Außerdem stieg er in die
Filmindustrie ein („Anchovis from outer space“ unter der Regie von Roger
Cormann, mit Jack Nicholson, das Original-Plakat ist ausgestellt).
Vom Enkel Barry Bonk stammen Maschinen wie der „Freakwavetransformer“ und
der „Gnagg Booster ’45“. Das Besondere an der neuesten Generation von
Bonk-Maschinen ist, anders noch als die Eiderenten-Schreckmaschine, dass
all diese Maschinen tatsächlich keine Funktion haben. Es genügt, dass sie
existieren. Sie müssen nicht funktionieren. Niemand muss lernen, sie zu
bedienen. Keiner ist von ihrer Funktionsweise überfordert. Tausende
Arbeiter in Bonks Firmen sind begeistert.
Zu guter Letzt besuche ich das Bonk-Mausoleum und beschaue mir Pär Bonks
linken Schuh. Ein fast religiöser Moment, der erst unterbrochen wird, als
das Museum schließt. Danach breche ich auf. Morgen geht es zum nächsten
Reisehöhepunkt, zu einer der sieben Weltkulturerbestätten der Finnen in
Rauma – und weiter Richtung Polarkreis …
(Fortsetzung nächsten Dienstag)
22 Jul 2013
## AUTOREN
Bernd Gieseking
## TAGS
Finnland
Maschine
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