# taz.de -- Katastrophe in Spanien: Dutzende Tote bei Zugunglück | |
> In der nordspanischen Region Galicien ist ein Personenzug entgleist. 78 | |
> Menschen starben, Hunderte wurden verletzt. Der Zug warn wohl viel zu | |
> schnell. | |
Bild: Am Stadtrand von Santiago de Compostela entgleiste der Zug. | |
MADRID taz | Mari hing gerade Wäsche in ihrem Garten in Angrois auf, als | |
„ein Torpedo aus Lärm und Staub auf mich zuraste“. So erlebte die junge | |
Frau am Mittwochabend das Zugunglück mit bislang 78 Toten und 140 teilweise | |
schwer Verletzten wenige Kilometer vor der spanischen Pilgerstadt Santiago | |
de Compostela. | |
Erst beim zweiten Hinsehen erkannte sie, dass ein Waggon des Zugs aus | |
Madrid auf sie zuraste. Der Waggon schleuderte regelrecht durch die Luft | |
und landete schließlich auf der fünf Meter höher gelegenen Straße. | |
„Überhöhte Geschwindigkeit“ steht für viele darum als Unfallursache fest. | |
Die spanische Tageszeitung El País berichtet von einem Tonbandmitschnitt | |
zwischen dem Lokführer und der Zugleitstelle. Darin sagt der Lokführer, der | |
mit 218 Reisenden besetzte Zug sei mit 190 Stundenkilometer auf die enge | |
Kurve zugerast, für die 80 Stundenkilometer vorgeschrieben sind. | |
Das Gespräch mit der Leitstelle fand laut El País nach dem Unglück statt, | |
als der Lokführer im Zug eingeschlossen war und das Ausmaß der Katastrophe | |
noch nicht kannte. „Wenn es Tote gibt, habe ich sie auf dem Gewissen“, | |
sagte er. | |
## Überhöhte Geschwindigkeit | |
Die Behörden gehen ebenfalls von überhöhter Geschwindigkeit als Ursache | |
aus. Auf einem Video einer Überwachungskamera ist zu sehen, wie der Zug | |
schnell in die Kurve einfährt, und dann nicht die Lok, sondern die Waggons | |
aus den Gleisen springen. | |
Manuel Nicolás, Sprecher der Eisenbahner im Gewerkschaftsverband Comisiones | |
Obreras, warnte vor voreiligen Rückschlüssen. Selbst wenn der Lokführer | |
eine viel zu hohe Geschwindigkeit zugegeben habe, bedeute dies nicht, dass | |
er seine Schuld eingestehe, sagt er. | |
Die Sicherheitssysteme schlössen im Grunde aus, dass eine einzige Ursache | |
solche Folgen haben könne. Weitere Erkenntnisse könne nur die Blackbox | |
liefern. Die hat der Ermittlungsrichter als Beweismittel gesichert. | |
Allerdings ist das hochmoderne Sicherheitssystem, das hätte eingreifen | |
können, zwar im Zug installiert, aber nicht an den Gleisen in dieser | |
gefährlichen Kurve. Dabei hätte der Zug kurz vor dem Unglück von 200 auf 80 | |
Stundenkilometer abbremsen müssen. Das European Rail Traffic Management | |
System (ERTMS) hätte die Bremsen selbstständig auslösen können. | |
## Älteres Kontrollsystem an der Unglücksstelle | |
Doch ausgerechnet vor der Unglücksstelle wird es durch ein älteres | |
Kontrollsystem ersetzt, das lediglich Warnhinweise ausgibt. Die | |
flächendeckende Einführung des ERTMS hatte die EU-Kommission bereits 2005 | |
beschlossen. Es soll den grenzüberschreitenden Zugverkehr erleichtern. | |
Allerdings ist dafür eine Zeitspanne von bis zu zwölf Jahren vorgesehen. | |
In Spanien gehört das Streckennetz schon seit 2005 nicht mehr der | |
staatlichen Eisenbahngesellschaft Renfe, sondern dem öffentlichen | |
Unternehmen Adif, um den Wettbewerb im Personen- und Warenverkehr zu | |
fördern. | |
Derzeit werden 1.786 Kilometer der Schienen mit dem modernen ERTMS | |
kontrolliert, Adif zufolge mehr als in jedem anderen europäischen Land. Zur | |
ausgebliebenen Installation an der fraglichen Stelle wollte das Unternehmen | |
jedoch nicht Stellung beziehen. | |
Das Zugunglück vom Mittwoch ist das drittschwerste in der Geschichte der | |
spanischen Eisenbahn. 1944 kamen weit über 100 Menschen ums Leben, als ein | |
Personenzug mit einer Rangierlok in einem Tunnel bei León zusammenstieß. | |
Das Franco-Regime sprach damals von 78 Toten. 1972 starben 86 Menschen bei | |
einem Zusammenstoß auf der Strecke Sevilla–Cádiz. | |
Zuletzt entgleiste in Spanien 2006 ein Intercity in der Nähe der Stadt | |
Valencia. Sieben Menschen verloren dabei ihr Leben. | |
25 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Hans-Günter Kellner | |
## TAGS | |
Spanien | |
Zugunglück | |
Real Madrid | |
Italien | |
Europa | |
Zugunglück | |
Zugunglück | |
Deutsche Bahn | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Busunglück in Italien: Tödliches Ende einer Pilgerreise | |
Ein voll besetzter Reisebus rast auf einer Autobahn in der Nähe von Neapel | |
in ein Stauende und stürzt von einer Brücke. Mindestens 38 Menschen kommen | |
ums Leben. | |
Nach dem Zugunglück in Spanien: Fahrn fahrn fahrn mit der Eisenbahn | |
Der Zugunfall in der Nähe von Santiago de Compostela erinnert an die | |
ICE-Katastrophe von Eschede. Wie sicher ist der Schienenverkehr in Europa? | |
Zugunglück in Spanien: Keiner will es gewesen sein | |
Über die genauen Ursachen der Katastrophe bei Santiago de Compostela mit 78 | |
Toten wird immer noch gerätselt. Der Lokführer gilt offiziell als | |
verhaftet. | |
Nach Zugunglück in Spanien: Lokführer soll vernommen werden | |
Nach dem Zugunglück bei Santiago de Compostela steht der Lokführer im | |
Krankenhaus unter Polizeibewachung. Das Land steht unter Schock auf der | |
Suche nach der Ursache. | |
Umsatzminus bei Deutscher Bahn: Ausgebremst | |
Fehlende Strecken, zahlreiche Umwege und noch Flut und Flaute. Die Bilanz | |
der Deutschen Bahn ist verhagelt. Mehr Spaß haben da die Chinesen. |