# taz.de -- Online-Piraterie-Gruppe „Imagine“: Akustiker im Nebenjob | |
> Kaum im Kino, schon im Netz: „Imagine“ machte es möglich. Rückblick auf | |
> eine der erfolgreichsten Online-Piraterie-Gruppen der letzten Jahre. | |
Bild: Der letzte Film bei Imagine: „The Guard“. | |
BERLIN taz | „Whiteout“ ist ein mittelmäßiger Film über eine mysteriöse | |
Mordserie auf einer Antarktis-Station. Doch mit seinem Start in den Kinos | |
im September 2009 beginnt zugleich die Geschichte einer Gruppe von Männern, | |
die sich im Netz Imagine nennen. | |
Es sind fünf Männer, die über zwei Jahre lang 100 Filme im Netz illegal zum | |
Download anbieten werden. Wer in dieser Zeit kurz nach der Premiere eines | |
Films denselben im Netz sieht, kennt sehr wahrscheinlich die Arbeit von | |
Imagine. Die fünf Männer sind, so scheint es, das Grauen des | |
US-Filmverbands MPAA. | |
Denn sie entwickeln sich zu einer der führenden Online-Piraterie-Gruppen | |
weltweit. Eine Analyse im Auftrag des MPAA führt 41 Prozent aller aus Kinos | |
schwarzkopierten Hollywoodfilme auf Imagine zurück. Das zweitgrößte | |
Piratennetz schafft in dieser Zeit nur acht Prozent. | |
Die Imagine-Gruppe zeichnet sich durch Schnelligkeit und Qualität aus: In | |
der Regel schaffen sie es, einen Film weniger als eine Woche nach dem | |
Kinostart ins Netz zu stellen, die Tonspuren sind so gut, dass sie ihren | |
Weg um die Welt finden. Sie werden später auf DVDs in Argentinien, in | |
Malaysia und in der Ukraine wiederentdeckt. | |
## 5 Monate Haft | |
Im September 2011 durchsuchen US-Ermittler die Häuser der Männer in New | |
York, Florida, Pennsylvania und Kalifornien. Die Staatsanwaltschaft trägt | |
so viele Daten zusammen, dass diese ein Drittel der Kongressbibliothek | |
füllen würden, der größten Bibliothek der USA. Film- und Tondateien, | |
Foren-Einträge und Server-Logs sind dabei. | |
Die Beweise sind so eindeutig, dass es gar nicht erst zu | |
Gerichtsverhandlungen kommt. Die Männer einigen sich außergerichtlich mit | |
der Staatsanwaltschaft und bieten ihre „uneingeschränkte Kooperation“ an, | |
um den hohen Prozesskosten zu entgehen. Ins Gefängnis müssen sie trotzdem. | |
Der Anführer der Gruppe bekommt 5 Monate Haft. | |
Jeramiah Perkins und Gregory Cherwonik sind zwei der Imagine-Macher. Sie | |
haben 24 Monate lang zwei Leben gelebt. In einem, darauf bestehen ihre | |
Anwälte, waren sie gute Familienväter und zuverlässige Arbeitnehmer. | |
Perkins hat als Wachmann gearbeitet, Cherwonik als Machinist in einer | |
Fabrik. | |
Die andere Existenz haben sie im Netz geführt: als die Köpfe von Imagine. | |
Perkins heißt in der virtuellen Welt „Stash“, Cherwonik „C0der“. Währ… | |
sie im ersten Leben kaum aus dem Osten der USA herausgekommen sind, sind | |
sie im zweiten Weltbürger. Sie arbeiten mit Schwarzkopierern in | |
Deutschland, Australien und Russland zusammen, ihre Server stehen in | |
Frankreich. | |
## „Ich gehe wegen dieser Scheiße nicht ins Gefängnis“ | |
Im September 2009, so steht es in der Anklage, haben sie sich mit | |
mindestens zwei anderen Männern verschworen, um „gegen das Urheberrecht zu | |
verstoßen, indem sie urheberrechtlich geschützte Werke kopieren und | |
verteilen“. Sie legen gleich los: Neben der Kopie von „Whiteout“ geben sie | |
noch im selben Jahr 20 weitere Filme heraus, bei denen entweder die Video- | |
oder die Audiospur neu ist. Im Dezember 2009 veröffentlichen sie „Avatar | |
TS-xvid-imagine“, eine Schwarzkopie des Kassenschlagers „Avatar“. | |
Bis zum Frühjahr 2010 geben sie noch 25 weitere Dateien raus. Und sie | |
bleiben dabei nicht unbemerkt. Schon im März 2010 spricht der MPAA die | |
Sicherheitsbehörden auf die Gruppe an. Wenige Wochen später durchsuchen | |
Ermittler erstmals die Wohnung von Gregory Cherwonik, anderthalb Jahre | |
bevor Imagine-Männer festgenommen werden. | |
Kurz darauf tauschen sich er und Perkins aus. Cherwonik schreibt: „Dir muss | |
klar werden, dass wir die führende P2P-Gruppe sind. Ich bin wirklich | |
überrascht, dass wir noch nicht erwischt wurden.“ Perkins antwortet: „Ich | |
gehe wegen dieser Scheiße nicht ins Gefängnis.“ | |
## Hohe akustische Qualität | |
Doch die Männer machen weiter. Wenige Tage nach der Durchsuchung schreibt | |
Perkins in sein Forum: „Habe eine Sicherheitskopie der gesamten Website | |
gemacht … Datenbank und alles“. In den Wochen bis Juli 2010 bieten sie noch | |
einmal 16 Filmdateien an, darunter „Iron Man 2“, „A-Team“ und „Ich – | |
Einfach Unverbesserlich“. | |
Die Dateien der Gruppe sind noch immer im Umlauf, aber nicht mehr wirklich | |
beliebt. Imagine hat „Cam“ und „Telesync“-Dateien herausgegeben, bei de… | |
das Video im Kino abgefilmt wird. Es geht um Schnelligkeit, nicht um | |
Qualität und solche Schwarzkopien werden meist irgendwann von besseren | |
DVD-Kopien ersetzt. | |
Die Gruppe ist stolz auf ihre Leistung und versieht jede Datei, die sie | |
herausgibt mit dem Zusatz „Imagine“. Die Datei für „Iron Man 2“ etwa h… | |
„Iron.Man.2.TS.XViD-IMAGiNE.avi“. TS steht für „Telesync“ und sagt Nut… | |
in welcher Qualität das Video vorliegt, Xvid bezeichnet die Algorithmen, | |
die verwendet wurden, um das Video herzustellen. | |
Besonderen Wert legt die Gruppe aber auf die Akustik. Sie geben viel Geld | |
für die besten Aufnahmegeräte aus und tauschen sich intensiv aus, wie sie | |
an die beste Tonqualität heran kommen. Meist gehen sie in Autokinos, wo der | |
Ton per Funk übermittelt wird und einfach aufgenommen werden kann. „Ich hab | |
alle Kinos angerufen, um rauszufinden, wie sie Ton übertragen“, schreibt | |
Perkins im Juli 2010 ins Forum. „Ich hab denen was Rührseliges erzählt, | |
dass meine hörbeeinträchtigte Tochter eine Phobie hat, weil auch andere | |
Leute die Geräte vom Kino benutzen, und ich ihr ein Gerät kaufen wollte. | |
Die haben's dann rausgefunden und mir gesagt.“ | |
## Spitzengruppe unter den Schwarzkopierern | |
Die Tonaufnahmen der Imagine-Gruppe sind in der Tat so gut, dass sie ihren | |
Weg um die Welt finden. Andere Gruppen verwenden diese Tonspuren mit | |
eigenen Videoaufnahmen. Im Analysebericht der MPAA heißt es, die Aufnahmen | |
seien auf DVDs in Argentinien, in der Ukraine, in Malaysia wiedergefunden | |
worden. Und es funktionierte andersherum: Da in Russland DVDs häufig eher | |
erscheinen als in den USA, erstellten viele Raubkopierer aus russischem | |
DVD-Video und Imagine-Audio hochwertige englischsprachige Filmkopien. | |
Vielleicht aus Angst vor weiteren Ermittlungen setzt die Gruppe im Sommer | |
2010 neue Websites auf. Perkins registriert die Seiten | |
„pure-imagination.info“ und „pure-imagination.us“. Die Männer entschei… | |
sich ein Konto einzurichten, um Spenden für ihre Arbeit einzuwerben. Sie | |
registrieren die Mail-Adresse „[email protected]“ und melden | |
darauf ein Paypal-Konto an. Doch Einzahler sind vor allem sie selbst: | |
Regelmäßig gehen Überweisungen der Gruppenmitglieder mit Notizen „für | |
Server-Kosten“ ein. | |
Das Bild von Imagine, dass sich aus Gerichtsunterlagen, aus | |
Analyseberichten und aus den Aussagen der Anwälte der Männer ergibt, ist | |
ernüchternd. „Er hat das in seiner Freizeit gemacht, er hat kein Geld damit | |
verdient und nicht gedacht, dass er etwas Schlimmes macht“. Mit solchen und | |
ähnlichen Worten beschreiben sowohl Perkins' als auch Cherwoniks Anwalt das | |
Verhalten ihrer Mandanten. Es scheint, als hätten technisch begabte | |
Amateure es geschafft, sich innerhalb von Monaten zur Spitzengruppe unter | |
den Schwarzkopierern hochzuarbeiten. | |
## 15.000 Dollar Entschädigung | |
Reich ist dabei wohl tatsächlich niemand geworden: Gerichtsunterlagen | |
zeigen, dass die Männer monatlich zwischen 70 und 120 Dollar für den Server | |
in Frankreich gezahlt haben. Nur an zwei Stellen ist davon die Rede, dass | |
Geld für Filmkopien floss: im Dezember 2010 rund 300 Dollar für den Film | |
„The Town“, zwei Wochen später 400 Dollar für „The Social Network“. | |
Und wie viel Schaden haben sie angerichtet? Ausgerechnet die | |
Staatsanwaltschaft und die MPAA wollen die erfolgreiche Ermittlung nicht | |
kommentieren. In der Einigung mit der Staatsanwaltschaft unterschreiben die | |
fünf Männer der Imagine-Gruppe, dass sie für Einkommensausfälle zwischen | |
400.000 und einer Million Dollar verantwortlich sind. Doch sie müssen | |
jeweils nur 15.000 Dollar Entschädigung zahlen, ohne Zinsen. | |
Als letzten Film veröffentlicht Imagine im September 2011 „The Guard – Ein | |
Ire sieht schwarz“, eine mittelmäßige Komödie aus Irland. Danach sinkt die | |
Zahl der neuen Filme, die ihren Weg ins Netz finden, abrupt. Die Wartezeit | |
zwischen Kinostart und erster Schwarzkopie steigt von sieben auf 20 Tage. | |
Das währt aber nicht lange: Im Monat darauf ist wieder alles beim alten. | |
Update: Angaben zum Film „The Guard – Ein Ire sieht schwarz“ wurden | |
aktualisiert. Der Film ist eine Produktion aus Irland. | |
12 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Lalon Sander | |
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