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# taz.de -- Hamburgs bauliches Gesicht: Der Stadtreformer
> Sozialer Wohnungsbau und Wachstumsachsen, Kunst am Bau und die Stadt als
> Ganzes: Wie kein Zweiter hat Oberbaudirektor Fritz Schumacher Hamburg
> geprägt. An sein Tun erinnert dort jetzt eine Ausstellung.
Bild: Und wo es passte etwas Klassizismus: Das Gewerbehaus von 1912 heißt heut…
Auch wer ihn nicht kennt, ist ihm hier ausgesetzt: Von der Finanzbehörde
zur Davidwache auf der Reeperbahn, von der örtlichen Kunsthochschule über
das Gefängnis bis zum Krematorium auf dem Hauptfriedhof Ohlsdorf gehen in
Hamburg mehr als 100 repräsentative öffentliche Bauten auf Fritz
Schumachers Planung zurück, davon allein 32 Schulen. Dazu der Stadtpark und
etliche soziale Wohnsiedlungen aus den 1920er-Jahren, darunter die
Jarrestadt. Kein Baumeister hat die Stadt so stark geprägt. Auf Schumacher
(1869–1947) freilich geht es auch zurück, dass sie eine Stadt des roten
Klinkers ist.
Er war kein Architekt nur für die äußere Hülle. Sozial engagiert und
fachübergreifend agierend waren ihm Wohnungspolitik und pädagogische
Konzepte ebenso wichtig wie die Kunst am Bau und die Stadtgestalt als
Ganzes. Das ist bis heute vorbildhaft – gerade auch mit Blick auf jüngere
Hamburger Unternehmungen wie Hafen-City und Internationale Bauausstellung.
## Komplexes Lebenswerk
Um dies auch außerhalb der Fachkreise bekannter zu machen, erinnert das
[1][Fritz-Schumacher-Institut] nun mit einer Dokumenten-reichen
[2][Ausstellung], mit Fotos, Zeichnungen und Modellen an den herausragenden
Architekten, Stadtplaner und Reformer der Großstadtkultur.
Nicht nur die Komplexität dieses Lebenswerks ist etwas besonderes, auch
seine Biografie ist bemerkenswert. Fritz Schumacher wurde 1869 in eine alte
Kaufmannsfamilie geboren – in der Konkurrenz-Hansestadt Bremen. Sein Vater
arbeitet im Auswärtigen Dienst des Deutschen Reiches, Schumacher verbringt
seine Kindheit in Bogota und New York. Erst mit 14 Jahren ist er zurück in
Bremen, besucht ein humanistisches Gymnasium. Es folgen Studien in München
und Berlin.
Erste Baupraxis gewinnt er in einem Münchner Architekturbüro. Als er 1895
eine Stelle am Stadtbauamt in Leipzig erhält, stellt er eine heute kaum
vorstellbare Bedingung: drei Monate im Jahr für Bildungsreisen. Daneben
arbeitet er weiter in verschiedenen Bereichen des Kunstgewerbes und plant
Privathäuser. Er publiziert Schriften über verschieden Aspekte der Kunst,
zeichnet Ideal-Architekturen und gewinnt damit auf den Weltausstellungen in
Paris 1900 und St. Louis 1904 goldene Medaillen.
1901 wird er Professor an der Königlich Technischen Hochschule in Dresden,
unter seinen Studenten sind auch die späteren „Brücke“-Künstler Erich
Heckel und Ernst Ludwig Kirchner. Schumacher ist an der Gründung des
Deutschen Werkbundes beteiligt. Er macht Bühnenbilder, inszeniert den
„Hamlet“.
Einen allseits gebildeten Künstler-Architekten also beruft Hamburg im Jahr
1908 zum Baudirektor auf Lebenszeit. Und wieder tut er etwas, was sich
heute keiner mehr leisten will und kann: Zwischen dem Verlassen des alten
und dem Antreten des neuen Jobs bereitet er sich zehn Monate lang auf die
neue Aufgabe vor – auf eigene Kosten.
So wichtig Schumacher für Hamburg wird, noch eine zweite Stadt beeinflusst
er entscheidend: 1920 beurlaubt man ihn für drei Jahre nach Köln. Dessen
damaliger Oberbürgermeister Konrad Adenauer ruft ihn für die Neugestaltung
des ehemaligen Festungsgürtels.
Als „Technischer Bürgermeister“ lässt Schumacher – damals ganz neu – …
komplette Bestandsaufnahme der Stadt durchführen, stellt einen städtischen
Generalsiedlungsplan samt Verkehrskonzept und [3][Grünplan] auf, macht
Sanierungsvorschläge für das Zentrum und zeigt Entwicklungslinien auf, bis
in einzugemeindende Ortschaften hinein. Die Realisierungen verfolgt er
noch, als er ab 1924 zurück in Hamburg ist, nun als Oberbaudirektor.
Schumacher versteht eine Stadt als lebenden Organismus. Die Entwicklung
Hamburgs begrenzten seinerzeit die politischen Grenzen. Schon seit 1919
wird ein größeres Hamburg geplant. In einer exemplarischen Zeichnung
skizziert Schumacher elf radiale Wachstumsrichtungen: an beiden Ufern die
Elbe entlang, südlich nach Harburg/Bremen und nördlich, getrennt von tief
in die Stadt ragenden Grünschneisen, sechs Achsen – nach Pinneberg,
Quickborn und Langenhorn, ins Alstertal, zu den Walddörfern – heute das
nordöstliche Ende der Stadt – und nach Lübeck.
Was der Landesplaner in Kooperation mit den umgebenden Gemeinden
verwirklichen will – er gründet als Pionier der Regionalplanung den
Hamburg-Preußischen-Planungsausschuss – ermöglichen später diejenigen, die
ihn 1933 in den vorzeitigen Ruhestand schicken: 1937 dekretiert das
NS-Regime einen umfangreichen Gebietstausch, die Städte Altona, Harburg und
Wandsbek werden eingemeindet, ein „Groß-Hamburg-Gesetz“ bestimmt bis heute
die gültigen Grenzen.
## Urbanes Verständnis
Vor und nach 1945 hochgeehrt, stirbt Schumacher nach längerer Krankkheit im
November 1947. Konrad Adenauer lobt ihn in höchsten Tönen: als universal
gebildet und ausgestattet mit unbegrenzter Schaffenskraft und einem
Verständnis für die Gesamtheit einer Großstadt. Daran zu erinnern, wie sehr
das Ziel von Architektur und Stadtplanung bei Schumacher ein komplexes,
sozial ausgewogenes Stadt-Raum-Kunstwerk war, ist gerade in Zeiten kaum
beschränkter Investorenmacht und maximierter Geschoßflächenzahl notwendig.
Über jeden Einzelzweck hinaus muss das Gefühl für den Gesamtzusammenhang
eines städtischen Organismus erhalten bleiben. Seit dem Mittelalter ist die
europäische Stadt trotz aller Widrigkeiten kein zufällig durch
Privatinteressen irgendwie entstandenes städtisches Konglomerat, sondern
ein geplant organisiertes Gesamtkunstwerk. Dass das auch für Hamburg gilt –
trotz Brand, Bomben und Abrissbirne –, liegt vor allem an Fritz Schumacher.
5 Aug 2013
## LINKS
[1] http://fritzschumacher.de/
[2] http://www.kunsthaushamburg.de/
[3] http://www.koelner-gruen.de/CMS/Das_Koelner_Gruensystem.mfpx
## AUTOREN
Hajo Schiff
## TAGS
Stadtplanung
Großstadt
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