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# taz.de -- Weggefährten erinnern an Lothar Bisky: Die Würde des Einzelnen
> Drei Geschichten über Lothar Bisky – über einen warmherzigen Professor,
> einen Förderer der Jugend und einen „Presidente“.  
Bild: Ist am 13. August 2013 gestorben: Lothar Bisky
## Fräulein? Eine Ehre
Frühjahr 1989. Mein allererster DDR-Besuch. Ich fahre mit der S-Bahn nach
Oberschöneweide und habe den Eindruck, jeder dreht sich nach mir um. Ist es
die Jeans, die Lederjacke? Ich versuche normal zu wirken und muss doch
mehrfach nach dem Weg fragen. Es ist Sonntagmittag, und Lothar Bisky, der
Rektor der Filmhochschule-Babelsberg, hat mich zu sich nach Hause
eingeladen. Die Wende ist noch nicht in Sicht, und ich will
Dokumentarfilmregisseurin werden. Und das unbedingt in Babelsberg. Ich
hatte ihm aus München geschrieben, mehrfach. Ich bin 22 Jahre alt und sehr
aufgeregt.
Lothar Bisky öffnet die Tür, lächelt ein verschmitzt-ernsthaftes Lächeln
und fordert mich auf, mit ihm gemeinsam das Mittagessen für seine Familie
zuzubereiten. Während wir Kartoffeln schälen und Hühnerfrikassee kochen,
diskutieren wir über Politik, die beiden Deutschlands und über Film. Wie
konzentriert er nachfragt und ganz genau zuhört, wirklich verstehen will
und wie warmherzig. Er postuliert eine Sache: dass ihm die Würde des
Einzelnen das Wichtigste ist und dass er aus ganzem Herzen sicher ist, dass
der Sozialismus der richtige Weg ist. Das sagt er damals in seiner Küche,
als Mitglied der SED, später als Vorsitzender der PDS.
Er habe weder finanzielle Mittel noch konkrete politische Möglichkeiten für
einen Gaststudienplatz, sagt er beim Abschied. Aber er wird es versuchen.
Zwei Monate später bekomme ich ein Anschreiben: „Sehr geehrtes Fräulein
Agneskirchner, beiliegend übersende ich Ihnen den Zulassungsbescheid für
das Regiestudium für September 1989.“ Von Lothar Bisky Fräulein genannt zu
werden ist eine Ehre, noch immer.
ALICE AGNESKIRCHNER, war von 1989 bis 1995 Regiestudentin an der
Filmhochschule Konrad Wolf.
***
## Mensch, Lothar
„Mach dein Studium zu Ende“. Das hat Lothar Bisky zu mir gesagt. Oft. Er
ist mir damit auf die Nerven gefallen. 2004 hat er mich in die
Bundespolitik geholt. Und darauf bestanden, dass ich zu Ende studiere. Da
war er ganz Professor. Er war neugierig. Das machte den Kontakt
federleicht, auch zwischen Verschiedenen. Ihm, dem Älteren, in der DDR groß
geworden, und mir, viel jünger, aus dem Westen.
Seinetwegen bin ich 1999 in Hannover in die PDS eingetreten. Er verkörperte
eine Linke, die offen für Neues ist, die Lust am respektvollen Disput
pflegt. Die das elendige Einsortieren in ideologische Schubladen verweigert
und frei ist von kalter Machtpolitik. Er besaß eine Gabe, die man in der
Politik nur selten findet. In den härtesten Auseinandersetzungen fand er
immer die richtigen Worte. Er weigerte sich in innerparteilichen
Auseinandersetzungen, die unterlegene Seite vorzuführen.
Er hat Jüngere gefördert, so wie mich, wollte aber keine Jünger um sich
versammeln. Es bleiben Erinnerungen an Gespräche über den aufrechten Gang
in der Geschichte. Und die Erinnerung an seine Begrüßung, die ich noch im
Ohr habe. „Mensch, Alter“, gefolgt von einem grummelndem Lachen.
JAN KORTE, 36, ist im Vorstand der Linksfraktion im Bundestag.
***
## Unerbittlich
Dimitris Christofias wurde 2009 in Zypern für die Akel (Linke) zum
Präsidenten gewählt. Es war eine enge Wahl, und wenn ich Christofias
glaube, verdankt er seinen Sieg auch Lothar Bisky. Denn der hatte ihn in
einer Pressekonferenz unterstützt und damit vor der Stichwahl den „Kick“
für seinen Wahlsieg gegeben. Christofias verabschiedete sich fortan von mir
mit dem Satz: „Und grüß Presidente Lothar“. Ja, er hätte Präsident werd…
sollen, wenigstens Vizepräsident des Deutschen Bundestags.
Er war Herausgeber des Neuen Deutschlands, und er ärgerte sich hin und
wieder über Artikel, gerade über die Partei. Aber er hat immer und jedem
gegenüber die Zeitung, die Freiheit der Journalistinnen und Journalisten,
verteidigt. Bei Versuchen, Einfluss auf die Zeitung zu nehmen, war er nicht
tolerant, sondern unerbittlich.
Dietmar Bartsch, 55, ist stellvertretender Vorsitzender der
Bundestagsfraktion Die Linke und Mitglied des Deutschen Bundestags.
14 Aug 2013
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Erinnerung
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