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# taz.de -- Polizeiliche Ermittlungen: Großrazzia in linken Hausprojekten
> 400 Polizisten durchsuchen acht Wohnungen in Berlin. Sie stellen auch
> Brandsätze sicher. Es geht um Anschläge auf Jobcenter und den Vorwurf des
> versuchten Mordes.
Bild: Polizisten vor dem Hausprojekt Rigaer 94.
Die Polizisten waren auf alles vorbereitet. Sie hatten Rammböcke dabei,
Kettensägen und Hunde. Über der Rigaer Straße 94 in Friedrichshain
beobachteten Kollegen von einem Hubschrauber aus das Geschehen. Sie wollten
Alarm schlagen, sollten Bewohner aufs Dach steigen, um die Beamten am Boden
zu bewerfen. Ein Sondereinsatzkommando stürmte dann gegen 6.15 Uhr als
Erstes ins Gebäude.
Die Befürchtung, dass es – wie in der Vergangenheit – heftigen Widerstand
geben würde, erfüllte sich nicht. Es gab keine nennenswerten Zwischenfälle.
Auch wurde niemand festgenommen.
Das sei auch gar nicht der Sinn der Aktion gewesen, sagte Polizeisprecher
Stefan Redlich der taz. Polizei und Staatsanwaltschaft hätten Beweismittel
sicherstellen wollen. Insgesamt acht Wohnungen in Friedrichshain-Kreuzberg,
Mitte und Neukölln wurden am Mittwoch bis in die Mittagsstunden durchsucht,
neben dem Hausprojekt Rigaer 94 auch eines in der Reichenberger Straße in
Kreuzberg. Es geht dabei um zwei unterschiedliche Fälle: einen
Brandanschlag auf Polizisten sowie eine Serie von Anschlägen auf Jobcenter.
## Kistenweise Beweise
Aus dem Gebäude in der Rigaer Straße trugen die Ermittler kistenweise
Beweismaterial: illegale Pyrotechnik in größerer Menge und eine unbestimmte
Anzahl von Brandsätzen, offenbar einsatzbereit zusammengebaut. Daneben
Brandbeschleuniger, Stacheldraht, Computer und Handys. Die Beweise würden
nun ausgewertet, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Bezüge zu
weiteren Brandanschlägen sollten geprüft werden.
Die Bewohner bezeichnen die Razzia [1][auf ihrer Website] als Angriff auf
ihr „selbstbestimmtes Leben im Kollektiv als Gegenmodell zu
kapitalistischer Vereinzelung“. „Erstaunlicherweise“ habe die Polizei
diesmal auf „größere Randale“ verzichtet.
Anfang Juni hatten rund 40 Vermummte am Kottbusser Tor in Kreuzberg eine
Gruppe von Polizisten [2][mit Molotowcocktails und Steinen beworfen]. Eine
Beamtin wurde knapp verfehlt, ein Brandsatz landete auf der Frontscheibe
eines parkenden Polizeiautos. Der zweite Fall ist eine [3][Serie von
Anschlägen mit Steinen und Farbbeuteln] auf sieben Jobcenter und die
SPD-Landesgeschäftsstelle in Wedding in der Nacht zum 3. Mai. Viele
Scheiben gingen zu Bruch. [4][//linksunten.indymedia.org/de/node/85247:Laut
einem Bekennerschreiben] ging es den Täterinnen darum, Jobcenter als
„zentrale Institutionen zur Durchsetzung des Zwanges zur Arbeit“
anzugreifen, die zudem verantwortlich für Zwangsräumungen seien.
Beide Male wurden Verdächtige auf frischer Tat festgenommen – was selten
bei Taten passiert, die der linksautonomen Szene zuzurechnen sind.
Ermittelt wird nun gegen zwei Personen wegen versuchten Mordes, darunter
einen Bewohner der Rigaer 94. Im Falle der Anschlagsserie führt die
Staatsanwaltschaft sieben Beschuldigte.
Zwischen den Bewohnern der Rigaer 94, die vor über 20 Jahren besetzt wurde,
und den Sicherheitsbehörden herrscht schon lange ein gespanntes Verhältnis.
An den Eingang des Gebäudes ist „A.C.A.B.“ gesprüht, die Abkürzung für …
cops are bastards“. In einer Selbstdarstellung des Hausprojekts ist die
Rede vom Widerstand „gegen Bullen, Staat und Repression“.
## Spontane Protest-Demo
Der Verfassungsschutz beschäftigt sich in seinem jüngsten Bericht
ausführlich mit der „Rigaer 94“. Das Hausprojekt könne als „zentrale
Institution der gewaltbereiten autonomen Szene Berlins bezeichnet werden“,
heißt es dort. Ein Teil der Hausbewohner und regelmäßigen Besucher der
Kneipe im Gebäude seien „zum harten Kern militanter Linksextremisten zu
rechnen“.
Die Reaktion auf die Durchsuchungen ließ nicht lange auf sich warten: Über
das Internet wurde für den Abend zu einer unangemeldeten Protest-Demo durch
Kreuzberg mobilisiert. Es werde „keine Schönwetterdemo“, hieß es in einer
Ankündigung.
14 Aug 2013
## LINKS
[1] http://rigaer94.squat.net/2013/08/14/angriff-auf-rigaer-94/
[2] /1/archiv/digitaz/artikel/
[3] /!115704/
[4] http://https
## AUTOREN
Sebastian Erb
## TAGS
Ermittlungen
Hausdurchsuchung
Polizei
Staatsanwalt
Brandanschlag
Linksextremismus
Berlin
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