# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Nicht übertreiben, bitte | |
> Witzfiguren, Taktikgeschwafel, Rudelbildung: Die Seifenoper Bundesliga | |
> beginnt mit ein paar guten Ideen, vieles wirkt dann aber doch zu absurd. | |
Bild: Das darf doch nicht wahr sein: Freiburgs Trainer Christian Streich ist ü… | |
Guten Morgen und herzlich willkommen zum zweiten Tag unseres | |
Drehbuchseminars mit dem Thema „Prinzipien des Story-Designs in Seifenopern | |
am Beispiel des Profifußballs“. Sie sollten ja einige Ideen entwickeln, wie | |
ein zweiter Spieltag in einer beliebigen europäischen Spitzenliga ablaufen | |
könnte. Eine überschaubare, aber, zugegeben, nicht ganz einfache Aufgabe. | |
An so einem zweiten Spieltag kann ja noch nicht so viel los sein, die | |
Saison ist ja noch jung, die Storylines müssen erst noch entwickelt, die | |
tragenden menschlichen Konflikte angelegt werden. Ich habe mir Ihre | |
Entwürfe jetzt mal angesehen und muss sagen, da sind einige sehr hübsche | |
Ideen darunter, aber der eine oder die andere sind doch etwas, das muss ich | |
auch sagen, übers Ziel hinausgeschossen. | |
Hier haben wir zum Beispiel, ich sage keine Namen, die Storyline für | |
Spieltag zwei in einer Spielklasse, die der Autor Bundesliga nennt. An dem | |
Namen muss man noch arbeiten, wer glaubt denn, dass eine solche angebliche | |
Spitzenliga keinen Sponsoren im Namen hat. Aber egal, denn ansonsten | |
beweist unser angehender Drehbuchautor hier viel Fantasie. Er lässt den | |
amtierenden Champions-League-Gewinner in dieser Liga mitspielen, die | |
aktuell beste Mannschaft der Welt. Das ist gut, das schafft Fallhöhe. Und | |
aus Fallhöhe entsteht Dramatik. | |
Dieser Mannschaft dichtet er nun Startschwierigkeiten an: Sie quält sich zu | |
einem 1:0 Auswärtssieg gegen ein eher minderbemitteltes Team und braucht | |
dazu auch noch die Hilfe des Schiedsrichters. Der Grundkonflikt ist damit | |
aufgemacht und man kann ihn noch gut und gerne sechs, sieben weitere | |
Spieltage beibehalten – und das ist ja wichtig, wenn man die für eine | |
Seifenoper nötigen Spannungsbögen aufbauen will. | |
## „supersuper“, „bisschenbisschen“ | |
Deswegen muss solch ein Konflikt am besten auch personalisiert werden in | |
einer einzigen zentralen Figur. Das geschieht hier in der Person des | |
Trainers, der auch noch neu im Verein ist. Das ist zwar an sich eine schöne | |
Idee, dass man einen Außenseiter einführt, der quasi stellvertretend für | |
den Zuschauer mit ganz neuen Augen auf die Geschichte blickt, da kann sich | |
der Zuschauer, der ja auch von außen auf das Geschehen blickt, gut | |
identifizieren. | |
Aber die Idee hat einen Pferdefuß: Wer glaubt denn, dass ein | |
Triple-Gewinner seinen erfolgreichen alten Trainer entlässt, um einen neuen | |
zu holen? Unglaubwürdig. Da verlieren Sie den Zuschauer mit solchen | |
aberwitzigen Konstruktionen. Und dann hat der neue Trainer noch diesen | |
seltsamen Tick, alles zweimal zu sagen: „supersuper“, „bisschenbisschen�… | |
„rennenrennen“. Das ist nicht überzeugend, da wird jemand zur Witzfigur | |
gemacht, mit dem der Zuschauer doch mitfühlen will. Mit einer Witzfigur | |
fühlt man nicht, über die lacht man nur. | |
Ansonsten aber ist das alles solide in diesem Exposé. Neben der | |
Hauptgeschichte werden sehr schön mehrere weitere Handlungsstränge | |
entwickelt. Bei einem Verein meckern die Spieler über zu wenig Geld, | |
verlieren aber krachend – da kann man jetzt ganz hervorragend die | |
klassische Millionarios-Diskussion weiterspinnen, das zieht immer. | |
## Rudelbildung in Stuttgart | |
An die Action hat der Autor auch gedacht, er lässt es in einem Ort namens | |
Stuttgart zur ersten Rudelbildung der Saison kommen. Etwas früh vielleicht, | |
solch eine dramatische Zuspitzung hätte man sich vielleicht besser | |
aufgehoben, aber das größere Problem ist die Herleitung: Es wird nicht | |
klar, warum die da aufeinander losgehen. Aber da muss man aufpassen, so was | |
wirft den Zuschauer raus, wenn Figuren so vollkommen irrational agieren. | |
Genauso wie dieses Taktikgeschwafel: Dieser Lucien Favre ist ja eine | |
durchaus sympathische Figur, aber man muss aufpassen, dass man dieses | |
Mathematikprofessorenhafte nicht übertreibt: Eine „neue Neuneinhalb“, was | |
soll das denn sein? Da riskiert man, den weiblichen Teil des Publikums zu | |
verlieren, da können die Schläfen von diesem Favre noch so apart grau sein. | |
So, das Fazit: Im Großen und Ganzen okay, aber doch etwas arg zugespitzt. | |
So ein Drehbuch, das ist das A und O, muss jederzeit nachvollziehbar | |
bleiben. Aber wenn eine Mannschaft, wie das hier bei Bremen gegen Augsburg | |
so konstruiert wird, 1:0 gewinnt, obwohl die Torschussbilanz 5:20 gegen sie | |
spricht – nein, das geht so nicht, da muss man noch mal drübergehen, das | |
muss umgeschrieben werden, tut mir leid. | |
So, zum nächsten Exposé, das heißt „Primera Division“. Hier ist es genau | |
andersherum, hier fehlen eher ein paar zündende Ideen, das ist doch alles | |
sehr erwartbar. | |
18 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Thomas Winkler | |
## TAGS | |
Fußball | |
Fußball-Bundesliga | |
Fußball-Bundesliga | |
VfB Stuttgart | |
Lucien Favre | |
Bundesligastart | |
Fußball | |
Fußball | |
Franz Beckenbauer | |
Fußball | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Fußball-EM 2024 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
3. Spieltag Fußball-Bundesliga: Hamburgs nächste Niederlage | |
Hertha verschärft mit einem 1:0 die HSV-Probleme. Am Nachmittag gab es in | |
Hoffenheim viel Action und sechs Tore. Bayern, Leverkusen und Mainz | |
feierten jeweils den dritten Sieg. | |
Sieg gegen Braunschweig: Dortmund an der Tabellenspitze | |
Borussia Dortmund tat sich schwerer als erwartet. Doch das 2:1 gegen | |
Eintracht Braunschweig brachte dem BVB die Tabellenführung. | |
Kolumne Press-Schlag: „Neue Leute, neue Lieder“ | |
Dem FC Bayern München sind die Anhänger in der Südkurve schon lange lästig. | |
Nun versucht der Klub sie aus dem Stadion zu treiben. | |
Kolumne Press-Schlag: Des Kaisers Doping-Aussagen | |
Franz Beckenbauer hat vor vielen Jahren ganz entspannt über Doping im | |
Fußball geschrieben. Jetzt kann er nicht glauben, dass er das gewesen sein | |
soll. | |
Kolumne Press-Schlag: Gelaber, Gedöns und Fußball | |
Zum Start der 51. Saison der Fußballbundesliga gibt noch Hoffnung: Der FC | |
Bayern und Hertha BSC können auch anders. Versprochen! | |
Kolumne Press-Schlag: Verwunschener Regenbogen | |
Homosexuellen Sportlern droht bei den Olympischen Spielen in Sotschi eine | |
strafrechtliche Verfolgung. Auf Hilfe des IOC können sie nicht hoffen. | |
Kolumne Press-Schlag: Scheinriesentaumel in Schland | |
Und wieder jubeln alle über die DFB-Frauen. Sie stehen zum sechsten Mal in | |
Folge im EM-Finale. Für ihren Ligaalltag interessiert sich niemand. |