| # taz.de -- Pionierin der abstrakten Malerei: Die das Licht bricht | |
| > Plötzlich reißt man sich um diese Malerin: Die US-Künstlerin Mary | |
| > Heilmann und ihre augenzwinkernden Abstraktionen im Kunstmuseum Bonn. | |
| Bild: Blick in die Ausstellung im Kunstmuseum Bonn: Man beachte, wie die Werke … | |
| Der Besuch der alten Dame? Von wegen: Eine schmunzelnde Lady, Mitte | |
| siebzig, den neonpinken Mini zu dunkelgrauen Leggins und grauem Shirt | |
| perfekt kombiniert, steht in der Tür. | |
| Schon die unprätentiöse, junge Erscheinung von Mary Heilmann spiegelt ihren | |
| Bruch mit Konventionen wider. Fröhlich erzählt sie von Barnett, grinst über | |
| ihre Drogenerfahrungen, nickt den Kuratoren Stefan Gronert und Christoph | |
| Schreier anerkennend zu. | |
| Hübsch hier, sagt ihr Blick, den sie durch die lichten Räume schweifen | |
| lässt, über ihre Arbeiten und über die von Blinky Palermo. Der deutsche | |
| Vorzeige-Abstraktionskünstler war auch mal in New York. Auch in den | |
| Siebzigern. Getroffen hat sie ihn dort nie. „Mary, Blinky, Yay!“ brüllt das | |
| Plakat in Bonn, am Kunstmuseum. Mary brüllt nicht. Mary lächelt. | |
| Mary wirkt belustigt darüber, dass Deutschland sich gerade um die Heilmann | |
| reißt. Während Barnett Newman und Kollegen längst als Klassiker gelten und | |
| niemand mehr Angst vor Rot, Gelb und Blau hat (wie das vermutlich | |
| berühmteste Newman-Gemälde fragt), haben Marketingprofis aus Galerien und | |
| Auktionshäusern Mary Heilmann den Glanz einer späten Newcomerin verpasst – | |
| oder zumindest den einer lange verkannten Künstlerin. Mary Heilmann ist in | |
| Deutschland eine Entdeckung, immer noch. Und immer mal wieder. | |
| ## In Galerien und Museen | |
| Anfang der Neunziger wurde sie in Köln gezeigt, ihre erste museale | |
| Einzelausstellung in Europa erhielt sie 1997 in Zürich. Da lagen die Preise | |
| für größere Arbeiten wie sie die Hamburger Galerie Vera Munro zeigte, noch | |
| bei 35.000 und 39.000 Mark – aber dann. Um die Jahrtausendwende kostet ein | |
| Bild von ihr bei Hauser&Wirth bereits das Doppelte. | |
| Im selben Jahr (2000) werden im Kunstmuseum St. Gallen ihre Arbeiten | |
| „zeigen, dass der Ausstieg aus dem Bild nur immer wieder ins Bild | |
| zurückführt“, schreibt eine begeisterte Presse. Nach der Berliner | |
| Galerieausstellung bei Barbara Weiss im Jahr 2010 wird sie 2013 in | |
| Deutschland gleich dreifach gewürdigt: Auf der Art Cologne, mit einer | |
| großen Schau im Neuen Museum, Nürnberg und nun – diesmal unter dem | |
| Kunstgriff eines Mary-Blinky-Dialoges – in Bonn. | |
| ## Schöpfen aus dem Intellekt | |
| Wie Blinky Palermo macht die 1940 geborene Amerikanerin Kunst in einer | |
| Zeit, in der die abstrakte Kunst stolz darauf ist, sich nur aus der | |
| Gegenwart und aus dem eigenen Intellekt zu speisen – besonders in Amerika. | |
| Der jungen New Yorker Künstler-Clique um Barnett Newman ist Emotion | |
| unheimlich und sie sieht in der Abstraktion eine Besinnung aufs Wesentliche | |
| und auf das Eigene – das im Melting Pot New York vor allem vorgeblich ohne | |
| Referenz zu sein hat. | |
| „Skulpturale Durcharbeitung der Bilder“ nennen die Bonner Kuratoren das | |
| Vorgehen der ausgebildeten Bildhauerin Heilmann: Pastos trägt sie Öl auf | |
| Leinwand auf, oft mehrere Schichten, um dann Teile mit flachen Spateln | |
| abzuziehen. Kunstwerk kommt bei Heilmann tatsächlich vom Werken, vom | |
| Skulpturen bauen und Töpfern. Sie wischt und tropft, verletzt die klare | |
| Kante, experimentiert nicht nur mit blanken Farben, sondern auch mit | |
| Texturen. Neben Ölbildern zeigt die Schau dreidimensionale Collagen und | |
| Emaille-Arbeiten, in denen Lichtreflexe Oberflächen zum Leuchten bringen. | |
| Sowohl Mary Heilman wie auch Blinky Palermo zitieren den Urvater der | |
| Amerikanischen Abstraktion – unabhängig voneinander malen sie kleine | |
| Triptychen mit dem Titel „Red, Yellow and Blue“, die in Bonn gegeneinander | |
| gehängt sind. Mary grundiert gelb und zieht blaue und rote Farbe darüber. | |
| Blinky untermalt die Primärfarben mit grün, einer Sekundärfarbe, und löst | |
| damit den Purismus des Vorbildes auf. | |
| ## Dialog mit Kollegen | |
| Ihre Motive leiht sich Heilmann bei David Hockney, dem sie seine | |
| charakteristischen einsamen Figuren wegnimmt. Oder bei Mondrian, dessen | |
| Farbfeldmalerei sie mit hineingestellten Gegenständen aufbricht, etwa einem | |
| nahezu durchscheinenden Stuhl. Oder auch bei Jack Kerouac, der auch mal in | |
| New York war. | |
| „Road Trip“ grundiert Heilmann grau und zieht perspektivisch zulaufende | |
| gelbe Streifen darüber. Die Grenzen zwischen Asphalt und Scheinwerferlicht | |
| bleiben streng geometrisch. Die gelben Farbflächen jedoch wirken | |
| hingetupft, Pinselspuren sind sichtbar, als würde ein feiner Nebel über der | |
| nächtlichen Straße liegen. | |
| Perfektion, kombiniert mit Arbeitsspuren, ist typisch für ihre Bilder: | |
| Gefühle treffen auf Geplantes, Affekte auf Arrangiertes. Genau diese | |
| Spannung macht auch die Bonner Ausstellung, die 19 Arbeiten von Heilmann | |
| und 12 Bilder von Palermo umfasst, so sehenswert. Eine „weibliche“ Art, | |
| Abstraktion zu denken, meint das Kunstmuseum Bonn. Wie auch immer, denkt | |
| man, Feminismus, Irritation, aha, schon möglich – und konzentriert sich | |
| lieber auf den Bruch des Lichts auf Gips und Emaille. Und Mary Heilmann | |
| lächelt. | |
| 21 Aug 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Johanna Schmeller | |
| ## TAGS | |
| Malerei | |
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