# taz.de -- Insidertreffen mit Rüdiger Grube: Endlich mal den Chef sprechen | |
> Der DB-Vorstandsvorsitzende stellt sich den Fragen seiner Kunden. Das | |
> finden fast alle Beteiligten toll – auch wenn es nicht mehr wie 1939 | |
> wird. | |
Bild: DB-Chef Grube erzählt beim Vorlesetag 2013, wie alles gut wird. | |
BERLIN taz | Hoffentlich hat Rüdiger Grube in den kommenden Tagen ein paar | |
Minuten Zeit. Denn dann erinnert er sich vielleicht an die | |
Rollstuhlfahrerin, die sich ihm gerade als Vollzeitaktivistin vorgestellt | |
hat. Und möglicherweise wird er sich eine Telefonnummer heraussuchen lassen | |
und die Person anrufen, die bei der Deutschen Bahn – dem Konzern dem er | |
vorsteht – zuständig ist für: Aufzüge. | |
An 23 Berliner Bahnhöfen, klagt die schwerbehinderte Frau nämlich gerade, | |
seien die Fahrstühle kaputt. Ihre Odyssen zu Infopoints, ihre Gespräche mit | |
Info-Hotlines, ihr mitgebrachtes "Aufzug-außer-Betrieb"-Schild: Grube wirkt | |
verunsichert. | |
Er sagt, dass die Bahn 850 Millionen Euro pro Jahr in Barrierefreiheit | |
investiert. „Kommen Sie mir doch nicht immer mit den Zahlen“, sagt die | |
Frau. Applaus. Grube verspricht, sich zu kümmern. Er scheint es ehrlich zu | |
meinen, das Versprechen wirkt realistisch – eine Kombination, die an diesem | |
Abend einzigartig bleibt. Der Deutsche Bahnkundenverband hat geladen. | |
Motto: „Reden Sie doch mal mit dem Chef“. | |
Gesprächsbedarf gibt es genug – beinahe jeder der rund 50 vom Verband | |
ausgewählten Gäste hat ein Anliegen mit in die Kantine des Berliner | |
Hauptbahnhofs gebracht, das er mit dem Chef besprechen möchte. Manche sind | |
gekommen, um anzuklagen. Zwei Pendlerinnen im Business-Outfit, die zwischen | |
all den Männern jenseits der 50 fast schon fehl am Platz wirken, wollen | |
wissen, wann zwischen Berlin und Wolfsburg endlich keine „indischen | |
Verhältnisse“ mehr in Zügen herrschen. | |
## Das Schweinfurt-Problem | |
Die anderen sind gekommen, um zu huldigen. Für sie ist es eine Audienz. Ein | |
offensichtlich Bahn-Begeisterter stellt „die bescheidene Frage“, warum | |
keine Pläne des bundesweiten Streckennetzes mehr in Bahnhöfen hängen. Ein | |
komplett in schwarz gekleideter Gesandter des Vereins „Historische S-Bahn“ | |
will die ästhetische Qualität von Lärmschutzwänden im Spannungsfeld | |
zwischen Anwohnerschutz und schöner Aussicht dabattieren. Und ein älterer | |
Herr mit Glatze, Bauch und Hosenträgern wundert sich, dass die Strecke | |
Berlin über Schweinfurt nach Würzburg nicht mehr befahren wird. Das hätte | |
doch früher auch gut funktioniert. „Schauen Sie nur mal ins Kursbuch von | |
1939.“ | |
Ihnen allen hört Rüdiger Grube, der Konzernchef, aufmerksam zu. Er schreibt | |
eifrig mit, spricht jeden mit Namen an. Schon in seinem Vortrag zu Beginn | |
des Abends, einer Art Rede zur Lage der Deutschen Bahn, erwähnte er immer | |
wieder, dass er ja „vor Insidern“ spreche. In seiner Ansprache erläutert | |
er, wo sein Unternehmen steht und wo er es 2020 sieht. | |
Die Bahn wolle unter die Top-Ten-Arbeitgeber Deutschlands kommen, zur | |
Energiewende sei man „voll committed“ und nehme mit Freude eine | |
Vorreiterrolle ein. Beim Informationsservice der Reisenden müsse man noch | |
nachbessern, Geld für die Streckenwartung fehle „hinten und vorne“ und | |
natürlich: Das Debakel in Mainz - „das darf nicht passieren.“ | |
Grube überhäuft sein Publikum regelrecht mit Zahlen und Fachbegriffen. 39 | |
Milliarden Euro Umsatz, 7,5 Millionen Fahrgäste pro Tag, mal 365 macht 2,8 | |
Milliarden im Jahr. Dafür braucht es neue Züge, bis 2020 sollen die | |
komplette Fernverkehrsflotte erneuert werden. ICE-3, ICX, „roundabout 50 | |
Milliarden Invest in den nächsten fünf Jahren.“ Die Fans nicken wissend, | |
die Kritiker blicken skeptisch. Helfen kann Grube weder den einen noch den | |
anderen. | |
## „Der Ingulf“ | |
Den beiden Pendlerinnen kann er nur sagen, dass „wir uns bemühen, die | |
Hochwasserschäden ganz schnell in den Griff zu kriegen und wieder nach Plan | |
zu fahren.“ Einem lokalpolitisch engagiertem Potsdamer muss er erklären, | |
dass auch weiterhin kein ICE in seiner Stadt halten wird. „Gehen Sie mal | |
davon aus, wir machen nichts was Blödsinn ist“, sagt Grube. | |
Er zeigt Verständnis, bittet um selbiges, verspricht sich zu kümmern, | |
bedankt sich für die Anregungen und lobt den „intensiven Dialog“. Und doch | |
ahnt man: Keines der Gespräche wird etwas ändern. Denn die Probleme der | |
Betroffenen sind bekannt, die Lösungsvorschläge der Bahn-Fans oft krude. | |
Wenn deren Fragen zu speziell werden, ruft Grube „den Ingulf“ auf den Plan. | |
Ingulf Leuschel, Konzernbevollmächtigter für Berlin, ist der Mann für die | |
Insider. Geduldig erklärt er jedem einzelnen, warum sein vermeintliches | |
Patentrezept doch nicht alle Probleme der Bahn per Fingerschnipps lösen | |
wird. | |
Er legt dar, warum ein Zug genau 4,2 Minuten für einen zusätzlichen Halt | |
braucht und dass deshalb kein ICE in Berlin Alexanderplatz hält. Weder die | |
Strecken von 1939 zu befahren sei sinnvoll, sagt Leuchel, noch trage es zur | |
Verbesserung des Netzes bei, den Bahnhof Limburg zu schließen. Als die | |
Fragerunde zu Ende ist, stürmen die Zuschauer regelrecht auf Grube zu. Der | |
bleibt, nimmt sich Zeit, hört noch mehr Anliegen und Fragen. Die behinderte | |
Aktivistin fährt ihm mit ihrem Rollstuhl in die Hacken um seine | |
Aufmerksamkeit zu gewinnen. | |
Hoffentlich erinnert Grube sich tatsächlich an sie. Wenn ihre kaputten | |
Aufzüge repariert werden, wäre es wohl das einzige direkte Ergebnis dieses | |
Abends. Das und ein paar glückliche Eisenbahnfans, die mal mit dem Chef | |
sprechen durften. | |
10 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Jakob Struller | |
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