# taz.de -- Energiewende im Norden: Ökologisch, aber unsolidarisch | |
> Ist es okay, Wärme und Strom für wenige Haushalte in einem kleinen | |
> lokalen Kraftwerk zu produzieren und so Netzgebühren zu sparen? In | |
> Hamburg ist man uneins. | |
Bild: Es könnte so schön sein: nett dampfendes Blockheizkraftwerk. | |
HAMBURG taz | In Hamburg ist ein Pilotprojekt geplant, bei dem sich 1.000 | |
Haushalte selber mit Wärme und größtenteils auch Strom versorgen könnten. | |
Dadurch würde ein großer Teil der Stromsteuer, diverser Umlagen und des | |
Netznutzungsentgeltes entfallen. Wenn 1.000 Haushalte ausscheiden, erhöht | |
sich aber rechnerisch der Anteil aller anderen an der Umlage und dem | |
Netznutzungsentgelt. | |
Ein Mitarbeiter der Umweltbehörde riet davon ab, das Projekt zu | |
unterstützen. „Aus energiepolitischer Sicht ist es kontraproduktiv, wenn | |
sich immer mehr Stromkunden von der Mitfinanzierung der politisch | |
gewünschten Instrumente verabschieden“, heißt es in einem internen Vermerk. | |
Die Grünen witterten eine Kungelei zwischen dem SPD-Senat und dem | |
Energiekonzern Vattenfall: „Günstigen, umweltfreundlichen Vor-Ort-Strom | |
ausbremsen, stattdessen die Marktmacht von Vattenfall zementieren. Sieht so | |
die Energiewende à la Scholz aus?“, fragte die Landesvorsitzende Katharina | |
Fegebank mit Blick auf den Ersten Bürgermeister. | |
In Hamburg tobt zurzeit eine Debatte darüber, ob die Stadt dem Konzern das | |
Strom und Fernwärmenetz wieder abnehmen soll, das sie ihm vor gut zehn | |
Jahren verkauft hat. Am Wochenende muss das Wahlvolk darüber abstimmen. Die | |
Befürworter des Rückkaufs behaupten, durch den Besitz der Netze könnten sie | |
die Energieerzeugung leichter dezentralisieren. | |
Nach den Plänen der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Saga und des | |
städtischen Energieversorgers Hamburg Energie könnte im Stadtteil | |
Hummelsbüttel ein Blockheizkraftwerk entstehen. Es würde die 1.000 | |
Haushalte heizen und nebenbei Strom produzieren, so dass der Brennstoff | |
besser ausgenutzt wird – ein Verfahren, das von der Bundesregierung | |
gefördert wird, um die Energiewende voranzutreiben. Überschüssigen Strom | |
würde das Kraftwerk ins allgemeine Netz abgeben, fehlenden Strom daraus | |
beziehen. Die Siedlung wäre also nach wie vor auf das allgemeine Netz | |
angewiesen, würde aber weniger dafür bezahlen. | |
Nach der Einschätzung des Behördenmitarbeiters könnten die 1.000 Haushalte | |
bei dieser Halbinsel-Lösung 50 bis 60 Prozent ihrer Stromkosten sparen. | |
„Aus der gesamtpolitischen Verantwortung sollten wir es ablehnen, dass ein | |
öffentliches Unternehmen entsprechende Planungen weiter betreibt“, findet | |
er. | |
Daniel Kluge vom Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) erkennt das | |
Problem. „Es ist nicht sinnvoll, wenn Selbstnutzer aus der Finanzierung des | |
Netzes herausfallen“, sagt er. Das dürfe aber kein Argument dafür sein, | |
derartige Projekte infrage zu stellen. Vielmehr stehe ohnehin eine Reform | |
der einschlägigen Gesetze und Vorschriften an, bei der die Last der | |
Energiewende gerechter verteilt werden müsse. | |
Die Sprecherin der Umweltbehörde, Kerstin Graupner, bestätigt den Vermerk. | |
Dieser sei aber nicht die Behördenmeinung. Vielmehr habe Senatorin Jutta | |
Blankau (SPD) im Saga-Aufsichtsrat empfohlen, das Projekt voranzutreiben. | |
Der Aufsichtsrat von Hamburg Energie habe sich damit noch nicht befasst. | |
16 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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