# taz.de -- Historiendrama „The Butler“: Der Diener schaut beim Scheißen zu | |
> Der Film zeigt afroamerikanische Erfahrungen der 1980er. „The Butler“ | |
> trifft den Nerv des Publikums vor allem wegen des Hauptdarstellers Forest | |
> Whitaker. | |
Bild: Forest Whitacker als Butler Cecil Gaines (l.) in „The Butler“. | |
Einige Szenen in Lee Daniels’ Historiendrama „The Butler“ erinnern | |
frappierend an einen Rundgang im Wachsfigurenkabinett. In chronologischer | |
Reihung begegnet der Zuschauer einem US-Präsidenten nach dem anderen: | |
Dwight Eisenhower (Robin Williams), John F. Kennedy (James Marsden), Lyndon | |
B. Johnson (Liev Schreiber), Richard Nixon (John Cusack), Ronald Reagan | |
(Alan Rickman) und dessen Frau Nancy (Jane Fonda). | |
Der Aufmarsch wirkt unfreiwillig komisch, dafür muss man nicht einmal die | |
leidlich überzeugenden Gesichtsprothesen von Williams näher betrachten oder | |
sich vergegenwärtigen, mit welch ungebrochenem Hang zum Overacting | |
Schreiber durch die geöffnete Toilettentür seinen Stab zusammenbellt, bevor | |
er sich von seinem schwarzen Butler den verdauungsfördernden Pflaumensaft | |
reichen lässt. | |
Diese Nähe zur Macht verkommt in „The Butler“ schnell zu einer plumpen | |
Geste von Vertraulichkeit. Am Ende waren die mächtigsten Männer der Welt | |
auch nur Menschen mit natürlichen Bedürfnissen. Genauso gut könnte man | |
argumentieren, dass sich der republikanische Präsident ganz ungeniert von | |
seinem schwarzen Diener beim Scheißen zusehen lässt, weil es ihm schlicht | |
an Respekt gegenüber seinem afroamerikanischen Dienstpersonal mangelt. | |
Solche Ambivalenzen muss Daniels’ Film, der in den USA zu den | |
Überraschungserfolgen dieses Kinosommers avancierte und nun folgerichtig zu | |
den heißesten Oscar-Anwärtern gehört, nicht nur an einer Stelle | |
wegmoderieren. Er muss sie vielmehr permanent aushalten. | |
Die Biografie von Eugene Allen, der unter acht Präsidenten als Butler im | |
Weißen Haus arbeitete, eignet sich nur bedingt als historisches Vorbild für | |
den afroamerikanischen Selbstermächtigungskampf – und schon gar nicht als | |
verlässliche Surrogat-Erzählung für die Geschichte der schwarzen | |
Bürgerrechtsbewegung. | |
## Behäbiger Tonfall einer Museumsführung | |
Daniels hat die biografischen Begebenheiten an so vielen Stellen | |
nachjustieren müssen, dass die wächserne Rekonstruktion amerikanischer | |
Präsidentenköpfe gar nicht mal das größte Ärgernis des Films darstellt. | |
Denn er entwickelt zudem den behäbigen Tonfall einer Führung durch ein | |
Museum für afroamerikanische Geschichte. Da „hölzern“ und „museal“ ab… | |
nicht unbedingt Attribute eines erfolgreichen Hollywood-Blockbusters sind, | |
muss „The Butler“ also auf einer anderen, nichtästhetischen Ebene einen | |
Nerv beim Publikum und der Kritik berührt haben. | |
Ein Grund hierfür ist zweifellos Forest Whitacker in der Rolle von Cecil | |
Gaines, der in den acht Jahrzehnten, die Daniels’ Film im Schnelldurchlauf | |
durchmisst, eine tragische Größe erlangt. Whitaker spielt diesen stolzen | |
Mann, der sich von einer Baumwollplantage bis ins Weiße Haus hocharbeitet | |
und erst im hohen Alter seine Lebenslüge erkennt, mit stillschweigender | |
Demut und patriarchialischer Autorität. | |
„Ich arbeite für den weißen Mann, um die Dinge für uns Schwarze zu | |
verbessern“, erklärt er seinem Sohn Louis, der sich den „Freedom Riders“ | |
angeschlossen hat, einer Gruppe von Aktivisten, die Anfang der sechziger | |
Jahre gegen die Rassentrennung in den Südstaaten demonstrierten, etwa indem | |
sie sich in Restaurants auf die Weißen vorbehaltenen Plätze setzten. | |
Cecil Gaines’ Sohn Louis ist die eigentlich unmögliche Figur des Films, | |
eine Art Wiedergänger des jüdischen Chamäleons Zelig und Forrest Gumps. | |
Immer an vorderster Front der Weltgeschichte, kommt ihm in „The Butler“ die | |
erzählerische Funktion zu, in hoher Konzentration die schwarze Erfahrung | |
des späten 20. Jahrhunderts zu durchlaufen. | |
Er ist bei den Greensboro-Sit-ins dabei, bei den Unruhen in Birmingham, und | |
er sitzt im Hotelzimmer mit Martin Luther King kurz vor dessen Ermordung. | |
Dass er sich am Ende mit seinem Vater die Siegerrede Obamas im Fernsehen | |
ansieht, soll vor dem Hintergrund der turbulenten Familiengeschichte wohl | |
wie ein später Triumph wirken. | |
## Geduldiger Pragmatismus der Hauptfigur | |
Der Erfolg von „The Butler“ könnte allerdings genau darauf beruhen, dass | |
Daniels’ Film eine afroamerikanische Biografie anbietet, die Obama gerade | |
nicht erfüllt: als Apologie einer Generation von Afroamerikanern, die sich | |
von einem schwarzen Präsidenten einen wirklichen gesellschaftlichen Wandel | |
versprochen haben. | |
Dabei ist Gaines eine durchaus interessante moralische Figur, wenn man | |
seinen geduldigen Pragmatismus als Gegenstrategie zur Radikalisierung | |
seines Sohnes versteht. Martin Luther King ist es, der die wichtige Rolle | |
von afroamerikanischer Dienerschaft in Amerika erklärt. Die vermeintliche | |
Unterwürfigkeit des schwarzen Butlers, erklärt er Louis, sei eine | |
subversive Taktik, um das gesellschaftliche Ansehen von Afroamerikanern zu | |
steigern. Ansonsten versteigt sich „The Butler“ zu keiner politischen | |
These, die über die Bebilderung von Geschichte hinausgeht. | |
Für die Darstellung der Bürgerrechtsbewegung im Film gilt weitgehend, was | |
der Chef-Butler des Weißen Hauses einmal über die politischen Ansichten des | |
Dienstpersonals sagt: „Wir haben hier keine Toleranz für Politik.“ | |
9 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
Andreas Busche | |
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Kino | |
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