| # taz.de -- Verschwindende Obstsorten: Der Apfelmann | |
| > Eckart Brandt ist seit 30 Jahren Biobauer und hat sich alten Obstsorten | |
| > verschrieben. Er kann niemandem raten, es ihm nachzutun. | |
| Bild: Das lebende Bio-Obstbauer-Klischee: Eckart Brandt. | |
| HAMBURG taz | Es war ein schlechtes Apfeljahr. „Neulich brauchte ich für | |
| eine Sortenschau ein Kilo und musste dafür drei Bäume abernten“, sagt | |
| Eckhart Brandt. Der Winter war lang und die Blütezeit begann nach einem | |
| sonnigen Start in den April zwar ganz gut, aber dann wurde es kalt und | |
| regnerisch. Schlecht für die Apfelblüte, schlecht für die Bienen. | |
| Brandt hatte extra Bienenstöcke aufgestellt, aber die Bienen sind lieber | |
| zum 400 Meter entfernten Rapsfeld geflogen. „Man kann die ja nicht | |
| dirigieren, und beim Raps gab es deutlich mehr zu holen als bei meinen | |
| Bäumen.“ Immerhin konnte er überhaupt noch was ernten. Andere, sagt Brandt, | |
| seien leer ausgegangen. Aber er musste importieren, aus südlicheren | |
| Gefilden, wie er sagt, und meint Bremen und das niedersächsische Verden. | |
| Dort war es die paar nötigen Grad wärmer. | |
| Es zieht um die Ecke, Eisewind. Wer seine Äpfel wie Brandt selbst verkaufen | |
| muss und nicht die Supermärkte beliefert, darf nicht kälteempfindlich sein. | |
| Der 63-Jährige steht in blauer Latzhose und mit dunklen Socken in Schlappen | |
| vor Manufactum in der Hamburger Innenstadt. Er steht auf dem Gelände des | |
| Einrichtungsladens, nur darum darf er hier überhaupt stehen. Für den | |
| Bürgersteig hätte er keine Erlaubnis bekommen. | |
| „Wundern Sie sich nicht, wenn ich gleich hektisch werde“, sagt Brandt und | |
| deutet auf einen nahenden Streifenpolizisten. Sein weißer Kombi steht in | |
| der Ladezone. „Wenn er also gleich kommt, tue ich so als ob ich was lade“, | |
| sagt er, geht zum Wagen und zieht in aller Ruhe eine Sackkarre hervor. | |
| ## Das Fernsehen kommt gerne | |
| Brandt ist sowas wie eine regionale Berühmtheit. Geht es um Obst und den | |
| nicht konventionellen Anbau, kommt das Fernsehen gern zu ihm. Denn | |
| abgesehen von seinen Hunderten alten Apfelsorten, die er auf seinem Hof auf | |
| halber Strecke zwischen Hamburg und Cuxhaven gesammelt hat, machen ihn | |
| seine rotblonden Locken, der Vollbart und die blaue Latzhose so herrlich | |
| vorzeigbar. „Ich bin eher so ein Querformat“, sagt er, das lebende | |
| Bio-Obstbauer-Klischee. | |
| Seit 1983 ist Brandt selbstständiger Biobauer – damals war biologischer | |
| Anbau was für Idioten und Brandt, der studierte Historiker, gewissermaßen | |
| automatisch ein Quertreiber. „Ich kann wirklich niemandem empfehlen, das | |
| nachzumachen“, sagt er. Jahrelang balancierte er am Existenzminimum. | |
| Als er anfing, hat der Hektar Land 200 Mark Pacht gekostet, heute zahlt er | |
| 300 Euro. Er erzählt von einem Nachbargrundstück, das für 1.500 Euro pro | |
| Hektar verpachtet wurde. „Die Konkurrenz treibt die Preise in irre Höhen | |
| und ganz schlimm ist es seit den Biogasanlagen geworden“, sagt Brandt. Die | |
| brauchen wahnsinnig viel Fläche. Brandts Bäume auch, er pflanzt sie gern | |
| so, dass man zwischen ihnen den Himmel sehen kann. | |
| ## Verschüttetes Wissen | |
| Als er vor 30 Jahren anfing, alte Apfelsorten zu sammeln und zu züchten, | |
| wusste er über die meisten Sorten rein gar nichts. Wie wachsen sie, welche | |
| Böden brauchen sie, wann tragen sie zum ersten Mal und wie viel? „Das war | |
| verschüttetes Wissen und man konnte nicht mal eben im Netz nachschauen“, | |
| sagt Brandt. | |
| „Meine türkischen Erntehelfer haben damals zu mir gesagt ’Nix spritzen, nix | |
| Apfel‘ und sie hatten ja recht!“ Denn die optimierten Apfelsorten sind so | |
| empfindlich, dass da pure Pflege allein nicht reicht – nur mit dem Einsatz | |
| von Chemie können gute Ergebnisse erzielt werden. „Und ich hatte ja keine | |
| Belegexemplare von ungespritzten Äpfeln, mit denen ich hätte beweisen | |
| können, dass ich nicht spinne“, sagt Brandt. Es kann bis zu zehn Jahre | |
| dauern, bis ein hochstämmiger Apfelbaum erste Früchte trägt. Aber er hatte | |
| Geduld, und sein kleiner Marktstand ist heute gut gefüllt mit | |
| Belegexemplaren. | |
| Bücher hat er auch geschrieben, etwa „Mein großes Apfelbuch“. Einmal haben | |
| die Leute vom Verlag Fotos von ihm gemacht, darunter Großaufnahmen seiner | |
| Hand mit Äpfeln drin. „Anschließend haben die Stunden diskutiert, ob sie | |
| das Foto nehmen können, weil ich Kummerränder unter den Fingernägeln | |
| hatte“, sagt Brandt und schaut auf seine Fingernägel – es ist Dreck | |
| drunter. „Ein Apfelbauer sieht eben so aus, wenn sie es anders wollen, | |
| sollen die doch ein Modell nehmen.“ | |
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| 6 Oct 2013 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ilka Kreutzträger | |
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