| # taz.de -- Neues „Tatort“-Duo über ihre Rollen: „Nicht alle Tassen im S… | |
| > Margarita Broich und Wolfram Koch spielen die neuen Frankfurter | |
| > „Tatort“-Ermittler. Über ihre Besetzung und ihre Mitspracherechte wundern | |
| > sie sich. | |
| Bild: Alte Bekannte, neues Duo: Margarita Broich und Wolfram Koch. | |
| taz: Frau Broich, Herr Koch, tut Ihnen Devid Striesow im Saarland-„Tatort“ | |
| ein bisschen leid? | |
| Margarita Broich: Nö. Warum? Ich würde gern mal mit ihm spielen. Der ist | |
| toll. | |
| Wolfram Koch: Unser Mitleid braucht er nicht. Das ist ein super Spieler, | |
| der das Pech hat, dass seine Figur im „Tatort“ unter einer Anhäufung von | |
| Klischees begraben wurde. Aber vielleicht sollten wir nicht über andere | |
| Kommissare richten, bevor wir überhaupt selbst auch nur einen Film gedreht | |
| haben. | |
| Selten hat ein neuer „Tatort“ so viel Häme einstecken müssen. Wie kann es | |
| zu so einem Totalausfall kommen? | |
| Broich: Berufsrisiko. Der endgültige Film entsteht ja in meiner | |
| Abwesenheit: Schnitt, Rhythmus, Musik. Ich erinnere mich an eine Szene, in | |
| der ich geweint habe, und später hat man eine Geige druntergelegt. Hätte | |
| ich das gewusst, hätte ich keine Träne vergossen. | |
| Koch: Ich habe schon Filme gedreht, die ich beim Machen für den Knaller | |
| hielt – bis ich das Ergebnis gesehen habe. Und es hat schon Filme gegeben, | |
| von denen ich beim Dreh nicht überzeugt war, die mich dann später positiv | |
| überrascht haben. | |
| Broich: Am Theater hat man ein bisschen mehr Kontrolle über das Ergebnis. | |
| Aber es gibt auch Konstellationen, die sich erst einspielen müssen. Ich | |
| habe gehört, daß Schimanski zum Beispiel nicht sofort ein Hit war. Das | |
| brauchte anscheinend etwas Zeit. Leider hat man heute kaum die Nerven, auf | |
| bessere Quoten zu warten. Das muss sofort erfolgreich sein – oder gar | |
| nicht. | |
| Was lässt Sie hoffen, dass es bei Ihnen und dem neuen Frankfurter „Tatort“ | |
| besser läuft? | |
| Broich: Die überdurchschnittlich guten Produktionen des HR. | |
| Koch: Wenn wir bei der Figurenentwicklung rumspinnen, habe ich immer das | |
| Gefühl, dass die Redakteure Liane Jessen und Jörg Himstedt unsere | |
| Vorschläge ernst nehmen, wirklich darüber nachdenken. | |
| Broich: Allein dass sie uns besetzt haben, zeigt doch, dass sie nicht mehr | |
| alle Tassen im Schrank haben. Habe ich auch nicht. Das passt doch. | |
| Meinen Sie das ernst? | |
| Broich: Die Redaktion hat in der Schauspielertüte schon ziemlich | |
| rumgewühlt. Stattdessen hätte man ja auch die Sahne abschöpfen, auf Nummer | |
| sicher gehen können. Meine Überschrift in der FAZ war „Margarita Wer?“. | |
| Koch: Wir gehören beide nicht zur Gruppe Schauspieler, wo die Leute sagen: | |
| Komm, heute gucken wir uns den neuen Koch an. Meine Filme laufen auch auf | |
| internationalen Festivals, aber hier nur eine Woche im Kino. | |
| Sie, Herr Koch, haben nicht mal einen Wikipediaeintrag. | |
| Koch: Stimmt, ich bin eben keiner von denen, die den selber schreiben. | |
| Broich: Hat ein Wikipediaeintrag etwas mit Qualität zu tun? | |
| Nein, aber mit öffentlicher Beachtung. | |
| Koch: Neulich habe ich einen Brief von einer alten Dame bekommen, die „Die | |
| Spanische Fliege“ bei Arte gesehen hat … | |
| … die gefeierte Volksbühnen-Inszenierung mit Ihnen … | |
| Koch: … und sich überschwänglich dafür bedankt hat, dass wir ihr und ihrer | |
| MS-kranken Tochter zwei wahnsinnig lustige Stunden geschenkt hätten. Das | |
| ist mein Wikipediaeintrag. | |
| Haben Sie eine Vorstellung davon, was mit dem „Tatort“ auf Sie zukommt? | |
| Koch: Nö, aber das ist doch auch gut so. | |
| Broich: Normalerweise bekomme ich ein Drehbuch, in dem ich rumblättern, | |
| aber nichts mehr ändern kann. In diesem Fall werden wir beide befragt und | |
| können mitgestalten. Ich bin begeistert und erschrocken zugleich, weil ich | |
| mir nicht sicher bin, ob man selbst immer sein bester Ratgeber ist. Ich | |
| muss da auch auf die Erfahrung der Redaktion hoffen. | |
| Koch: Meine einzige kleine Befürchtung ist, dass der Status des „Tatorts“ | |
| als nationales Heiligtum in Deutschland uns in der Arbeit einschränken | |
| könnte. | |
| Broich: Im Gespräch beim Sender hat jemand erzählt, dass bis zu 5000 Briefe | |
| kommen, wenn der Kommissar die Pistole falsch hält. Wenn man nur Angst vor | |
| Fehlern hat, kann man aber nicht arbeiten. Da kommt nichts raus. In | |
| Frankfurt werden mutige Entscheidungen gewagt. | |
| Was war neben der Redaktion ausschlaggebend, die Rolle anzunehmen? | |
| Koch: Margarita natürlich! Wir können einfach gut miteinander. | |
| Broich: Wolfram ist nicht vom Ehrgeiz zerfressen. Diese Entspanntheit ist | |
| in unserem Beruf selten. Und durch seine große Familie hat er auch noch was | |
| anderes im Kopf als Schauspielerei. | |
| Haben Sie schon oft zusammen gearbeitet? | |
| Koch: Wir haben früher Erotikthriller gedreht, in den 70ern. Du kannst | |
| ruhig dazu stehen, Liebelein! | |
| Und im Ernst? | |
| Koch: Oft nicht, aber wir kennen uns schon lange, haben viele | |
| Kreuzungspunkte, etwa Regisseure, mit denen wir beide viel | |
| zusammengearbeitet haben. | |
| Broich: Seit einem Jahr lesen wir in ganz Deutschland mit Maria Schrader | |
| und Samuel Finzi „Der Gott des Gemetzels“. Da sind wir ein Ehepaar. | |
| Koch: Weißt du noch, die schöne Brecht-Lesung, nachts um zwei, wo wir so | |
| betrunken waren? | |
| Broich: Oh Gott, wir kennen uns wirklich schon lange, 15, vielleicht auch | |
| 20 Jahre. | |
| Was wünschen Sie beide sich inhaltlich für Ihren „Tatort“? | |
| Koch: Erstmal spannende Fälle. Und möglichst wenige Klischees. Im ersten | |
| Treatment war meine Figur durch und durch einsamer Wolf, das fand ich total | |
| daneben. Ich möchte ein widersprüchlicher Kommissar sein, der auch mal | |
| lacht und fröhlich ist. Aus eigener Erfahrung wissen Margarita und ich, | |
| dass man nicht zum Trauerkloß werden muss, nur weil man Abgründe erlebt | |
| hat. | |
| Broich: Stimmt. Durch unsere Vorgänger Nina Kunzendorf und Joachim Krol | |
| liegt die Latte ziemlich hoch. Mich würde es freuen, wenn man eine gewisse | |
| Wahrhaftigkeit herstellen könnte. Im deutschen Fernsehen sind ja sogar | |
| Nachthemden mit Bügelfalte. Außerdem ware ich glücklich, wenn man in unsere | |
| Filme eine gewisse Rotzigkeit reinkriegen könnte. | |
| Welche Rolle hat Frankfurt als Drehort gespielt? | |
| Broich: Ich habe meinen Mann in Frankfurt kennengelernt, mein ältester Sohn | |
| ist da geboren, ich habe die wildesten Jahre meines Lebens in Frankfurt | |
| verbracht – natürlich ist es schön, wenn man mit der Stadt, in der man | |
| dreht, so viel verbindet, da nicht reintransplantiert wird. | |
| Koch: Ich lebe seit 1991 in Frankfurt und freue mich, ausnahmsweise | |
| Heimschläfer zu sein. In letzter Zeit habe ich ja primär in Berlin | |
| gearbeitet und nicht mehr in Frankfurt, wo die Leute mich aber noch aus dem | |
| Theater kennen. Darüber hinaus halte ich Frankfurt als Krimischauplatz für | |
| sehr dankbar. Auf engstem Raum stoßen hier die unterschiedlichsten Milieus | |
| und Kulturen aufeinander: Snobs, Spießer, Rotlichtszene, Multikulti. Ein | |
| Kripochef hat mal gesagt, Frankfurt habe die Probleme einer Hafenstadt: | |
| Schmuggel, Drogen, Illegale, Prostitution. | |
| Frau Broich, Sie haben Ihrem Mann Martin Wuttke damals aus finanziellen | |
| Gründen geraten, für den MDR „Tatort“-Kommissar in Leipzig zu werden. | |
| Welche Rolle hat Geld diesmal gespielt? | |
| Broich: Ich habe einen 15 Jahre alten Polo, der komischerweise nur noch 40 | |
| fährt, da ist irgendwas kaputt. Sollte ich durch den „Tatort“ zu Geld | |
| kommen, kaufe ich mir erstmal ein Auto, das schneller fahren kann. | |
| Ausschlaggebend war aber nicht das Geld, sondern die Möglichkeit, | |
| regelmäßig zu drehen. Nach vielen Jahren am Theater habe ich den Film und | |
| das Fernsehen für mich entdeckt. Deswegen habe ich bei dem Angebot nicht so | |
| lange überlegt wie Martin, der vielleicht doch lieber Theater spielt. | |
| Koch: Ich habe drei Kinder in der Ausbildung, muss insgesamt sechs Leute | |
| ernähren. Wenn man fast nur auf Theatergagen angewiesen ist, ist am Ende | |
| des Monats manchmal schon Essig in der Kasse. Da ist es natürlich angenehm | |
| zu wissen, dass man künftig ein kleines Polster haben wird. Ich weiß aber | |
| auch, dass mir ohne Theater stinklangweilig wäre. Das Theater ist mein | |
| Urmotor. Zum Glück sind die Zeiten vorbei, wo man vor Kollegen verschweigen | |
| musste, dass man gedreht hat. Heutzutage gibt jeder Schauspieler mit seinen | |
| Drehtagen an, weil er froh ist, wenn er von seinem Job leben kann. Diesen | |
| Theaterdünkel kann sich heute keiner mehr leisten. | |
| Broich: Und die Theater profitieren von der Bekanntheit etwa einer Nina | |
| Hoss, die auch Fernsehzuschauer anzieht. Bei Martin im „Arturo Ui“ … | |
| … der legendären Berliner Brecht-Inszenierung mit Ihrem Mann in der | |
| Titelrolle … | |
| Broich: … sitzen jetzt manchmal Leute, die sagen nach der Pause: Du, ich | |
| glaube, der „Tatort“-Kommissar spielt Adolf Hitler. | |
| 10 Oct 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| David Denk | |
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