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# taz.de -- Autofixierte Verkehrspolitik: Kampfradler vor Gericht
> Weil er über eine rote Ampel gefahren sein soll, sollte Bernhard
> Stoevesandt 100 Euro Bußgeld zahlen. Doch der wehrte sich erfolgreich.
Bild: Ein bekennender Kampfradler am Tatort: Bernhard Stoevesandt.
Bernhard Stoevesandt ist Atomkraftgegner – und bekennender Kampfradler. Aus
Protest gegen die aus seiner Sicht benachteiligte Position von
RadfahrerInnen im Straßenverkehr rief der Bremer im April 2012 im
[1][Internet] dazu auf, bewusst Verkehrsregeln zu missachten. Und nannte
sich fortan „Kampfradler“, ein Begriff, den Bundesverkehrsminister Peter
Ramsauer zuvor benutzt hatte, als er schärfere Maßnahmen gegen Leute wie
Stoevesandt gefordert hatte. Also solche, die sich nicht damit abfinden,
dass sie an Ampeln warten müssen, um Autos Platz zu machen.
Wie ungerecht er die Verkehrsorganisation findet, legte der 43-Jährige
gestern einer Amtsrichterin dar. Die hatte über einen Bußgeld-Bescheid zu
entscheiden, gegen den Stoevesandt Widerspruch erhoben hatte. 100 Euro
sollte er dafür zahlen, dass er vor einem Jahr bei Rot über eine Ampel an
der Ecke Tiefer/Wilhelm-Kaisen-Brücke gefahren ist. So stellt es zumindest
die Polizei dar. Die Richterin Krause-Junk hingegen glaubte gestern der
Darstellung von Stoevesandt: Dass er nämlich erst losgefahren sei, als die
Ampel für Autofahrer auf Rot sprang. „Ich weiß, das drei Sekunden später
die Fußgänger-Ampel Grün wird“, sagte Stoevesandt und dass er an dem Morgen
wie immer bis drei gezählt habe. „Wenn man dann nicht sofort fährt, schafft
man die Grünphase der anderen Ampeln nicht.“ Und müsse auf einer der beiden
Verkehrsinseln warten.
„Sie haben mich überzeugt, ich stelle das Verfahren ein“, sagte die
Richterin nach Stoevesandts Vortrag und überraschte damit den
Beschuldigten. Zuvor war sie diejenige gewesen, die ungläubig amüsiert
zusah, wie der Notebook und Beamer auspackte, um ein Foto und Videos der
Kreuzung an die Wand des Gerichtssaals zu werfen. „Aufgenommen mit der
Helmkamera.“
In ihrer Entscheidung würdigte die Richterin auch, dass Stoevesandt nicht
von den Polizisten in Zivil angehalten worden war, die fanden, er sei bei
Rot gefahren. Sondern von vier KollegInnen, die auf der anderen
Straßenseite im Rahmen einer Fortbildung für Polizeiauszubildende hinter
einer Hauswand warteten: Per Funk waren sie auf Stoevesandt aufmerksam
gemacht worden. Selbst Stellung beziehen konnten die Polizisten nicht:
Einer der beiden als Zeuge geladenen Polizisten war gestern nicht
erschienen, der andere hatte keine Ladung erhalten, weil sie an einen
Kollegen mit gleichem Nachnamen gegangen war.
In Zukunft muss sich die Polizei einen anderen Ort für ihre Schulung suchen
– weil sie weniger FalschfahrerInnen erwischen können: Die Leiterin des
Amts für Straßen und Verkehr, Brigitte Pieper, sagte gestern, die
Ampelschaltung würde so verändert, dass RadlerInnen in beide Richtungen die
Straße in einem Zug überqueren können. „Nur Fußgänger müssen dann noch
inselhüpfen.“ Auch andere Knotenpunkte würden in Hinblick auf den
Radverkehr verbessert.
Verantwortlich für ein radfreundlicheres Bremen ist nicht zuletzt der grüne
Verkehrspolitiker Ralph Saxe. Er teilt die Einschätzung Stoevesandts, dass
RadlerInnen benachteiligt würden. „Gleichzeitig gelten sie als das Böse
schlechthin, als würden Autofahrer nicht genau so Verkehrsregeln
missachten.“ Vom Kampfradeln als Strategie hält Saxe jedoch nichts – weil
Kinder sich das abgucken könnten.
8 Oct 2013
## LINKS
[1] http://kampfradler.blogsport.de/
## AUTOREN
Eiken Bruhn
## TAGS
BSR
Kampfradler
Radwege
Kampfradler
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