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# taz.de -- Mensch und Maschine: Terminator mit menschlichem Antlitz
> Schritt für Schritt bauen sie ihren Körper mit Technik aus. Sogenannte
> Cyborgs erfreuen sich in Berlin einer kleinen, aber regen Community.
Bild: Mit dem Implantat in der Fingerspitze werden elektromagnetische Felder sp…
BERLIN afp | „Wer will nicht unsterblich sein?“ Tim Cannon raucht
abwechselnd Elektro- und Filterzigaretten und denkt über die Zukunft nach.
Auf dem Weg zur Unsterblichkeit gilt es, ein Hindernis zu überwinden: „das
Fleisch“, den menschlichen Körper. „Faulendes Obst wirfst du ja auch nach
einem Tag weg!“ Soweit ist der Mittdreißiger noch nicht, aber er arbeitet
daran. Schritt für Schritt baut er seinen Körper mit Technik aus. Tim
Cannon ist ein sogenannter Cyborg.
Der Begriff kommt ursprünglich aus der Raumfahrt und bedeutet
„kybernetischer Organismus“: In den 1960er Jahren entwickelten
Wissenschaftler die Idee, den Menschen technisch umzubauen, damit er im
Weltraum überleben kann.
Tim Cannon bleibt eher auf dem Boden und erweitert seine Sinne – er trägt
einen Chip, einen Magneten und ein selbstgebautes Gerät, das seine
Temperatur misst und über Bluetooth sendet, in seinem Körper. Der US-Bürger
aus Pittsburgh nennt sich Body-Hacker, ist begeisterter Bastler und gerade
in Deutschland zu Besuch.
In Berlin stößt er auf Gegenliebe. In der [1][c-base] an der Spree treffen
sich seit einem halben Jahr regelmäßig ein paar Dutzend Menschen. Die Räume
gleichen einer Raumstation, die nach den Vorstellungen ihrer Macher durch
einen Zeitreiseunfall vor viereinhalb Milliarden Jahren auf der Erde
bruchlandete – gelebte Science-Fiction von Hackern.
## Geteilte Werte
Die Ortswahl sei naheliegend, sagt Enno Park, der Initiator der deutschen
Cyborg-Treffen. Hacker und Cyborgs teilen viele Werte. Die Technologie
müsse offen und frei verfügbar sein, fordern Body- genauso wie
Computer-Hacker. Schließlich wandern die Geräte in den Körper. Ein
künstliches Herz, an dem Google Patente besitzt – für die Cyborgs ist das
ein unvorstellbarer Gedanke. Also bauen sie ihre Teile selbst.
In der c-base sind nur die Wenigsten ausgebaut. Sie diskutieren noch. In
welche Richtung soll die Verschmelzung von Mensch und Maschine gehen? Dass
sie längst Realität ist, darüber sind sich hier alle einig. Es gibt
Herzschrittmacher und Prothesen. Das Smartphone wächst immer näher an den
Körper. Google will bald seine intelligente Brille auf den Markt bringen,
die Informationen aus dem Internet direkt ins Sichtfeld einblendet.
Enno Park trägt als einer von 30.000 Menschen in Deutschland ein
Cochlea-Implantat. Dieses sendet elektronische Signale direkt in seinen
Hörnerv. Seit zwei Jahren kann der 40-Jährige mit Hilfe von Technik wieder
hören. „Da habe ich gemerkt, ich bin ja jetzt ein Cyborg!“ Das Thema ließ
ihn nicht mehr los und er rief die Berliner Cyborg-Runde ins Leben.
## Magnet in der Fingerkuppe
Rin Räuber folgte seinem Ruf. Die Programmiererin hat wie Tim Cannon einen
Magneten in ihrer Fingerspitze. „Damit kann ich elektromagnetische Felder
spüren“, sagt die 29-Jährige. In der Nähe einer Mikrowelle oder eines
Netzteils kribbelt es in ihrem Finger. Am stärksten spürt sie den
Diebstahlschutz, der am Ausgang vieler Supermärkte steht. Mit dem Implantat
nimmt sie eine sonst unsichtbare Welt wahr.
Dieser Bastler-Realität, dem Spiel mit dem eigenen Körper, steht ein
riesiger Science-Fiction-Kosmos gegenüber. Seit
Mensch-Maschinen-Verschmelzung denkbar ist, wird darüber geschrieben und
diskutiert. Oft mit einer gewissen „Splatter-Ästhetik“, wie Enno Park
findet: „Man sieht die offene Wunde, aus der das USB-Kabel herausragt.“
In Hollywood-Filmen werde der Cyborg oft als böse, willenlose Kampfmaschine
dargestellt, wie der von Arnold Schwarzenegger verkörperte Terminator. Dem
will Park eine positive Geschichte gegenüberstellen, einen Terminator mit
menschlichem Antlitz. Er und seine Mitstreiter wollen eine Debatte anregen,
sich mit der alltäglichen Technik im menschlichen Körper auseinandersetzen.
„Denn viele von uns sind schon Cyborgs, ohne es wirklich zu wissen.“
21 Oct 2013
## LINKS
[1] http://c-base.org/
## AUTOREN
Florian Falzeder
## TAGS
Cyborg
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China
Gehörlose
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