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# taz.de -- Der sonntaz-Streit: Ist Hungerstreik Erpressung?
> In Berlin ging der Protest gerade zu Ende. Jetzt hungern Insassen der JVA
> in Göttingen – und in Sotschi hat sich ein Mann den Mund zugenäht.
Bild: Sich die Nahrung verbieten: Protest oder Zwang?
Etwa sechzig Tage kann ein gesunder Mensch ohne Nahrung auskommen, sofern
er genug Wasser trinkt. Blutdruck, Körpertemperatur und Herzfrequenz sinken
schnell. Dann kommen die Kopfschmerzen, der Muskelabbau, die Leberschwäche,
irgendwann Nierensteine. Am Ende versagt das Herz.
Flüchtlingsgruppen haben dieses Jahr wiederholt gegen die Asylpolitik in
Deutschland demonstriert und durch Hungerstreik auf ihre schlechten
Lebensbedingungen und Chancen aufmerksam gemacht. Passiver Widerstand heißt
das dann – vor dem Brandenburger Tor ging er am Samstag zu Ende.
Und in der Justizvollzugsanstalt Rosdorf in Göttingen hungern seit
vergangener Woche acht Sicherungsverwahrte. Sie protestieren dagegen, dass
das vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Abstandsgebot nicht
eingehalten werde. Demnach müssen Sicherungsverwahrte wesentlich besser
untergebracht sein als Strafgefangene. Die Insassen bemängeln, dass ihnen
nur selten der Ausgang mit Begleitung erlaubt werde. Sie kritisieren aber
auch die Ausstattung im Gefängnis: dass Kaugummi und Backpulver fehle.
Im russischen Sotschi sollen 2014 die olympischen Winterspiele ausgetragen
werden. Um gegen die unmenschlichen Arbeitsbedingungen zu protestieren, hat
sich einer der Arbeiter vor einigen Tagen den Mund zugenäht.
Hungerstreik hat Tradition: Der damals inhaftierte Mahatma Gandhi weigerte
sich ab 1932 immer wieder zu essen. Die Briten befürchteten einen
Volksaufstand, sollte ihm etwas zustoßen und ließen ihn frei. Holger Meins,
Mitglied der RAF, starb 1974 nach mehreren Wochen Nahrungsverweigerung in
der JVA Wittlich in Rheinland-Pfalz – die RAF protestierte damals im
kollektiven Hungerstreik gegen seine Haftbedingungen. 2012 nahm die
inhaftierte ukrainische Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko drei
Wochen kein Essen zu sich.
Die Androhung, zu hungern bis es gefährlich wird, unter Umständen den
eigenen Tod zu riskieren, scheint oft einziges Mittel in einem sehr
ungleichen Kampf. Aber ist es auch ein legitimes Mittel, um gesetzliche
Entscheidungen zu erwirken?
Diskutieren Sie mit! Die sonntaz wählt unter den interessantesten
Kommentaren einen oder zwei aus und veröffentlicht sie in der sonntaz vom
26./27. Oktober. Der Kommentar sollte etwa 900 Zeichen umfassen und mit dem
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versehen sein. Oder schicken Sie uns bis Mittwoch, 23. Oktober, eine Mail
an: [1][[email protected]]
22 Oct 2013
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## AUTOREN
Saskia Hödl
## TAGS
Hungerstreik
Protest
Flüchtlinge
Streitfrage
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