# taz.de -- Berliner Szenen: Dreimal sterben | |
> In der Regionalbahn nach Wismar tobt der Endkampf. Die Mutter hilft, so | |
> gut sie kann. | |
Bild: Bis Wismar wird noch oft gestorben. | |
„Wie oft wollt ihr sterben?“, fragt die Mutter. Sie ist am Zoo mit den | |
beiden Kindern zugestiegen. „Dreimal!“, ruft das Mädchen. „Und Joschi, d… | |
Zweimal oder dreimal sterben, bis Karo dran ist?“, fragt die Mutter den | |
Jungen. „Ja, drei“, sagt der Junge. „Gut“, sagt die Mutter, „jeder da… | |
dreimal sterben. Immer abwechselnd.“ Der Junge ist zuerst dran, weil er der | |
Kleinere ist. Er nimmt den Nintendo, klettert auf einen Sitz gegenüber von | |
Mutter und Schwester und fängt an zu spielen. Er guckt sehr ernst und sehr | |
konzentriert. | |
„Kann ich bald?“, fragt das Mädchen nach zwei Minuten, „sonst sind wir b… | |
da und ich war gar nicht dranne.“ „Nein“, sagt die Mutter, „wir fahren … | |
Wismar, das ist noch ein ganzes Stück. Ihr kommt beide mehrmals dran.“ Das | |
Mädchen geht gucken, wie weit der Bruder ist. „Ich bin erst zweimal tot!“, | |
sagt der Junge. | |
„Mamamama, wenn Joschi beim Endkampf ist, darf ich, ne?“, fragt das | |
Mädchen, „weil Joschi ist zu doof für den Endkampf, er hat das noch nie | |
geschafft.“ „Du sollst nicht sagen, dass Joschi doof ist, Karo“, sagt die | |
Mutter, „der ist über zwei Jahre jünger als du.“ „Gar nicht doof“, sa… | |
Joschi, aber nur nebenbei. „Ich will den Endkampf!“, ruft das Mädchen durch | |
den ganzen Waggon. | |
Der Junge steht auf und gibt der Mutter den Nintendo. „Mama, kannst du mir | |
den zweiten Gegner machen?“ „Ja“, sagt die Mutter. Sie spielt und guckt | |
genauso ernst und konzentriert wie ihr Sohn vorher. Vielleicht sogar noch | |
etwas ernster. | |
„Kann ich was trinken?“, fragt das Mädchen. „Jetzt nicht“, sagt die Mu… | |
und dann: „Oh. Joschi, tut mir leid, jetzt hab ich dich totgemacht.“ „Du | |
hast mich totgemacht, Mama!“, schreit der Junge. „Manno, Maaamaaa!“ Jetzt | |
weint er. „Du sollst mich nicht totmachen!“ „Tut mir leid, Joschi“, sagt | |
die Mutter, „tut mir wirklich leid.“ „Jetzt ich!“, sagt die Tochter. | |
31 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
Margarete Stokowski | |
## TAGS | |
Berliner Szenen | |
Berliner Szenen | |
Berliner Szenen | |
Berliner Szenen | |
Vatikan | |
Berliner Szenen | |
Volleyball | |
Berliner Szenen | |
Wespen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Berliner Szenen: Aufgeblähte Karnickel | |
Im Regio von Wittenberge nach Spandau wird nicht geschlafen. Höchstens mal | |
angekoppelt. Und in Polen gibt es Schnaps, egal wie er heißt. | |
Berliner Szenen: So richtig hahaha! | |
Zwei Kinder dealen in der S-Bahn. Für gute Witze gibt es fünfzig Cent, für | |
mittelmäßige nur zehn Cent. | |
Berliner Szenen: Durchfahren fetzt | |
Dass die U6 wieder durchfährt, sorgte fast überall für Freudentränen. Nur | |
manche Leute sind jetzt plötzlich zu blöd zum U-Bahnfahren. | |
Berliner Szenen: Pirelli des Vatikans | |
In Rom kann man Kalender kaufen mit posenden Priestern. Man kann sie aber | |
auch im Internet bestellen. | |
Berliner Szenen: Liebloser Bindestrich | |
Die Autorin denkt, sie sollte die Straße kennen, die so heißt wie sie. Sie | |
findet Herbstsonne, eine Flagge und doppelten Quatsch. | |
Berliner Szenen: So wie einst Jochen Schmidt | |
Seit 12 Jahren Volleyball, an jedem verdammten Montag, in der viel zu | |
kleinen Sporthalle des Heinrich-Hertz-Gymnasiums. Ein historischer Ort. | |
Oder? | |
Berliner Szenen: Maria an der Tür | |
Die Fliegen vom Sommer sind alle tot. Aber Jesus lebt und lädt uns zu sich | |
ein. | |
Berliner Szenen: Am Randrillenrand | |
Die Wespen sitzen auf dem Frühstücksbrettchen und essen Honig. Manche | |
kämpfen auch miteinander in der Luft. Ihr Futter wird knapp. |